# taz.de -- Schelmenroman: „Wie ein Umzug“ | |
> Der Musiker Andreas Dorau will keine eitlen Geschichten erzählen. Sein | |
> Debüt „Ärger mit der Unsterblichkeit“ verfasste er zusammen mit seinem | |
> Freund Sven Regener. | |
Bild: Der eine kann gut lesen, der andere gut Dias und Filme zeigen: Regener (l… | |
taz: Herr Dorau, ein gemeinsames Buch mit Sven Regener – war das Ihre Idee? | |
Andreas Dorau: Vor knapp drei Jahren haben mich ein paar Verlage gefragt, | |
ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch zu schreiben. Ich habe mich | |
daraufhin an Kurzgeschichten versucht, mir einen Protagonisten ausgedacht, | |
der alles Mögliche erlebt – und bin gescheitert. Freunde, denen ich die | |
Texte zeigte, verzogen schmerzverzerrt das Gesicht. Im April 2013 dann | |
spielte Sven Regener mit seiner Band Element of Crime vier Mal in Hamburg. | |
Ich war für den Song „Hamburg ’75“ als Gastsänger dabei. Nach dem letzt… | |
Konzert saßen wir länger zusammen, irgendwann sagte er: „Vergiss das doch | |
mit den Kurzgeschichten, wir schreiben deine Geschichten auf.“ | |
Und Sie waren begeistert? | |
Ich fand die Idee gut, weil wir uns einig darüber waren, dass es keine | |
Biografie wird. Biografien sind langweilig. Niemand interessiert sich für | |
die glückliche Kindheit bei Tante Mimmi. Wie bei meiner Musik habe ich mir | |
die Frage gestellt: Was finde ich an der üblichen Herangehensweise doof | |
oder verbesserungswürdig? Deshalb besteht das Buch aus autobiografischen | |
Erzählungen. Kurze, knackige Geschichten. Sven bezeichnet das Ganze auch | |
als eine Art Schelmenroman, aber dazu kann ich nicht viel sagen, er hat von | |
Literatur mehr Ahnung als ich. | |
Gab es weitere Grundregeln? | |
Mir war wichtig, dass wir nicht in chronologischer Reihenfolge erzählen, | |
dass auf dem Buch-Cover kein Foto von mir erscheint und dass es keine | |
Geschichten aus den Jahren von 2000 bis heute zu lesen gibt – zu denen habe | |
ich nicht den nötigen Abstand. | |
Wie genau lief die Arbeit? | |
Wir haben das bei Sven in der Wohnung gemacht. Er hatte sein Notebook vor | |
sich, ich saß schräg hinter ihm, rauchte, redete auf ihn ein – und nach ein | |
paar Minuten fing ich an, herumzulaufen. Arbeitsbeginn war um zehn Uhr | |
morgens, um 13 Uhr haben wir eine halbe Stunde Mittagspause gemacht, um 17 | |
Uhr war Arbeitsschluss. Abends war ich platt. Wir haben zwei, drei Tage am | |
Stück gearbeitet, alles zwei, drei Wochen liegen gelassen und sind dann | |
wieder ran. Insgesamt zog sich das anderthalb Jahre hin. | |
Woher kennen Regener und Sie sich? | |
Kennengelernt haben wir uns 1982. Mein damaliger Saxofonist studierte mit | |
Sven zusammen Musikwissenschaften. Wir suchten einen Trompeter für unsere | |
Tournee und fragten Sven. Er musste ablehnen, weil er mit seiner damaligen | |
Freundin bereits einen Urlaub gebucht hatte. Später waren wir bei denselben | |
Labels unter Vertrag, sind Freunde geworden. | |
Hätten Sie das Buch auch alleine schreiben können? | |
Ich hätte es alleine niemals gemacht. Geschichten von sich selber zu | |
erzählen, ist ja relativ eitel. Ich hätte mich beim Schreiben geschämt und | |
mich gequält. Aber mit Sven als abfederndes, analytisches Moment war das in | |
Ordnung. Es ist komplett was anderes, wenn man einer befreundeten, | |
kritischen Person eine Geschichte erzählt. Da gibt man sich mehr Mühe, die | |
Geschichte auch unterhaltsam zu erzählen, als wenn ich versucht hätte, über | |
mich selber unterhaltsam zu schreiben. Auch stilistisch war er das prägende | |
Element, nicht ich. | |
Sind die Geschichten eins zu eins von den Ausführungen transkribiert? | |
Das war die Absicht, ja. | |
Das Buch beginnt mit der Geschichte von „Fred vom Jupiter“, dem Song, mit | |
dem Sie eine Art Hassliebe verbindet: Sie haben ihn als Teenager | |
geschrieben, er war ein Riesenhit. Sie wurden seinetwegen jenem Teil der | |
Neuen Deutschen Welle zugerechnet, mit dem Sie nichts zu tun haben wollten. | |
Auch bei Konzerten spielen Sie „Fred“ nie. | |
Gegen den Song an sich habe ich gar nicht so viel, mich nervt eher die | |
Rezeption. Mir war klar, dass diese Geschichte ins Buch gehört. An unserem | |
ersten Arbeitstag sagte Sven: „Okay, lass uns mit der ,Fred‘-Story | |
anfangen.“ Ich verzog das Gesicht, bin die Sache aber wie einen | |
Wohnungsumzug angegangen. Da schleppt man ja auch zuerst die blöde | |
Waschmaschine hoch. Erstmal das fiese, hässliche, schwere Ding | |
wegschleppen, danach ist entspanntes Arbeiten möglich. Es war gut, den | |
Scheiß als erstes zu erledigen. Es sprach dann auch nicht viel dagegen, das | |
zum ersten Kapitel zu machen. | |
Abgrenzung von der Norm und das Vermeiden von Klischees sind Ihnen wichtig: | |
Sie haben Filme gedreht ohne Handlung, aber mit Kühen, für eine Kurz-Oper | |
lebende Fische auf die Bühne gebracht, bei einer Plattenfirma nannte man | |
Sie „Hitverhinderer“. Wäre etwas mehr Kompromissfähigkeit nicht hilfreich | |
gewesen? | |
Wenn man nicht den Weg der Konformität geht, sollte man sich darüber im | |
Klaren sein, dass das Konsequenzen hat. Man kann zwar alles Mögliche | |
machen, darf sich hinterher nur nicht wundern und sich fragen: Wieso liebt | |
mich keiner? Warum verkaufe ich so wenige Exemplare? Das habe ich schon | |
früh gewusst, eine Erleuchtung hatte ich bei der Arbeit nicht. | |
Sven Regener und Andreas Dorau auf Lesereise – was passiert da auf der | |
Bühne? | |
Jeder macht das, was er am besten kann. Sven kann gut lesen, und ich gut | |
Dias und Filme zeigen. Ich spreche dabei zwar auch, aber Sven verwendet | |
über den Abend mehr Silben als ich. | |
## nächste Termine: heute, Hamburg, Fabrik; Mo, 18. Mai, Hannover, | |
Pavillon; Di, 19. Mai, Bremen, Schlachthof | |
11 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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