# taz.de -- Luxemburg-Liebknecht-Gedenken: Rosa und Karl und all die anderen | |
> Zum zweiten Mal erinnern zwei konkurrierende Gedenkdemos an die Ermordung | |
> von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch Freikorps-Soldaten. | |
Bild: Die große Demo kurz hinter dem Frankfurter Tor. | |
Die Stimmung ist großartig auf der Liebknecht-Luxemburg-Demo, schon als die | |
TeilnehmerInnen am Sonntagvormittag am Frankfurter Tor ihre Fahnen und | |
Spruchbänder ausrollen. Musik schallt aus mehreren Lautsprecherwagen: alte | |
sozialistische Kampflieder, Hymnen der Arbeiterbewegung, jeweils nicht so | |
laut, dass sie die Musik der anderen übertönen. Grüße werden über Blocks | |
hinweg ausgetauscht, man kennt sich. | |
Deutlich wird mit der wachsenden Zahl der Fahnen und Spruchbänder aber | |
auch, wie viele Trennlinien es hier gibt. In TKP und TKIP, TKP/ML und | |
TKEP/L, DIDF und ATIF, Partizan und SYKP teilen sich allein die aus der | |
Türkei stammenden TeilnehmerInnen auf. Antifaschisten sind da, Rotfront, | |
DKP, MLPD, Kommunisten aus Griechenland, Chile, Schweden – rund 5.000 | |
Menschen werden es schließlich sein. Bei der Linkspartei ganz vorn fehlt | |
dennoch die Prominenz. | |
Am Potsdamer Platz hält bei einer zweiten, parallel stattfindenden | |
Demonstration ein kalter Wind die Fahnen hoch und bläst sie gen Osten. Die | |
meisten gehören zu Linksjugend und den Jusos. Aber auch die Falken, St. | |
Pauli und die jungen Naturfreunde hissen ihre Flaggen. Die meisten der rund | |
500 Menschen auf dieser Demo ist über Mitte zwanzig. | |
Zum zweiten Mal organisiert das Bündnis Rosa und Karl dieses Jahr die | |
Alternative zur traditionellen Liebknecht-Luxemburg-Demo – und es geht | |
überraschend harmonisch zu. „Die klassische Demo huldigt zwei Personen“, | |
erklärt Bündnissprecherin Josephin Tischner die Alternativveranstaltung. | |
„Uns geht es mehr um die politischen Ideen, für die die beiden standen.“ | |
## Bratwurst und Bier | |
Treffpunkt der kleineren Demo ist deshalb auch ein unscheinbarer Sockel am | |
Potsdamer Platz, auf dem einst ein Denkmal für Karl Liebknecht entstehen | |
sollte. Der Zug geht durch das ehemalige Berliner Zeitungsviertel. „Hier | |
haben sich im Januar 1919 die Aufstände zugetragen“, sagt Tischner. „Das | |
ist besser, als vor einem Friedhof zu stehen, auf dem die Leichen sowieso | |
nicht mehr liegen.“ | |
Die traditionelle Liebknecht-Luxemburg-Demo wird auf dem Weg zur | |
Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Friedhof Friedrichsfelde immer länger | |
und kommt gegen 11.30 Uhr dort an, wo auf dem Vorplatz des Friedhofs neben | |
Ständen linker Gruppen und Medien Bratwurst, Bier und Glühwein gekauft | |
werden kann. Hier ändert sich das Bild der TeilnehmerInnen erneut: Vor | |
allem Ältere stoßen nun zu der Gedenkveranstaltung, deren Stimmung an ein | |
riesiges Familienfest erinnert. „Freundschaft“ lautet der Gruß unter vielen | |
Älteren. Als ein Block junger schwarz Gekleideter mit „Stalin“- und | |
„Mao“-Rufen zwischen den Ständen durchmarschiert, werden sie freundlich | |
belächelt wie pubertierende Enkelkinder: Die seien eben „jung und brauchen | |
das“, sagt ein Weißhaariger: „Wir Älteren wissen es besser.“ | |
Die jungen TeilnehmerInnen der kleineren Rosa-und-Karl-Demo eint | |
währenddessen vor allem eins: ihre Abneigung gegen die traditionelle Demo. | |
Auch Fabian Wolf von der Linksjugend ist gegen den Personenkult, der nicht | |
nur Luxemburg und Liebknecht gelte, sondern auch Stalin und Mao. Auf dem | |
Fronttransparent steht: „Fragend blicken wir zurück, fragend schreiten wir | |
voran.“ Die Demonstration von Karl und Rosa setze den Schlusspunkt einer | |
bundesweiten Veranstaltungswoche, auf der diskutiert wurde, was junge | |
Verbände für eine „bessere, sozialistische Gesellschaft“ tun können, | |
erklärt Tischner. | |
## Differenzen, nicht Zersplitterung | |
Auf dem Vorplatz des Friedhofs stehen sich am Ende der traditionellen Demo | |
TKP- und TKP/ML-AnhängerInnen gegenüber – Letztere mit Stalins Bild auf | |
einem Plakat. Das seien aber gar keine Stalinisten – „wir sind die | |
Stalinisten“, erklärt ein TKPler. Und erntet sofort Widerspruch aus der | |
eigenen Gruppe: Er lehne den Begriff Stalinismus „als imperialistischen | |
Kampfbegriff ab“, sagt ein anderer. | |
Als Zersplitterung will er solche Differenzen aber nicht verstanden wissen | |
– sie seien im Gegenteil Ausdruck von „Stärke und Meinungsvielfalt“ der | |
Linken: „Wir sind alle Teil der kommunistischen Weltbewegung.“ Er selbst | |
sei Mitglied von TKP und DKP. Von der Linkspartei, die die Demo angeführt | |
hat, will er nichts wissen. Die sei „der Möchtegerndoktor am Krankenbett | |
des Kapitalismus“, sagt er. | |
Von solchen Zersplitterungen kann die Rosa-und-Karl-Demo nur träumen: „Die | |
große Demo hat den höheren Freak- und Spaßfaktor. Da ist die Linke mit all | |
ihren Aussetzern“, sagt eine Teilnehmerin. | |
12 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Anna Bordel | |
Alke Wierth | |
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