# taz.de -- Zyklon „Idai“ in Mosambik: Nach dem Sturm | |
> In Mosambik regnet es immer weiter. Nun wächst die Furcht vor Seuchen und | |
> sexualisierter Gewalt in den Notlagern. | |
Bild: In Mosambik haben viele durch den Zyklon alles verloren, was sie besaßen | |
MAPUTO taz | Mit jeder Stunde wird die Not größer. [1][Vor über einer Woche | |
suchte der Wirbelsturm Idai] Malawi, Mosambik und Simbabwe heim. Der Sturm | |
ist abgeflaut, aber es regnet weiter. Inzwischen kann Idai als eine der | |
größten Naturkatastrophen des 21. Jahrhunderts bezeichnet werden. Die Spur | |
der Verwüstung hat mehrere Millionen Menschen obdachlos gemacht. Allein in | |
Mosambik lebten 1,7 Millionen Menschen im Einzugsgebiet von Idai. Alles | |
deutet darauf hin, dass die bisher bestätigten Todeszahlen – bis Samstag | |
mehr als 615 Opfer in Mosambik, Simbabwe und Malawi – noch stark steigen | |
werden. | |
Regierungen und Hilfswerke sind verzweifelt damit beschäftigt, Menschen von | |
Hausdächern und Bäumen zu holen. Rund 15.000 Mosambikaner sollen auf diese | |
Weise vor den Fluten Zuflucht gesucht haben und auf Rettung warten. Und es | |
regnet und regnet. Amtlichen Angaben zufolge wird in einigen Regionen mit | |
einem Anstieg des Wasserpegels um bis zu acht Meter gerechnet, bis zu | |
350.000 Menschen könnten davon betroffen sein. | |
Als Folge des Sturms und der Überschwemmungen drohen Seuchen, die noch viel | |
mehr Tote fordern könnten. Der Zyklon hat in seinem Durchzugsgebiet die | |
meisten Wasserstellen und sanitären Einrichtungen zerstört. Es gibt kaum | |
sauberes Trinkwasser. Ernten und Vorräte sind vernichtet. Infrastruktur | |
wurde weggeschwemmt. Strom gibt es nicht mehr. | |
Die Regierung von Präsident Filipe Nyusi hat den Ausnahmezustand | |
ausgerufen. Es droht die Ausbreitung von Malaria und Cholera, die | |
insbesondere die verwundbarsten Bevölkerungsgruppen wie kleine Kinder | |
gefährden. Helfer melden eine Zunahme von Durchfallerkrankungen und | |
Atemwegsinfektionen unter denen, die sich in Notlager gerettet haben. | |
## Große Sorge wegen möglicher Seuchen | |
„Das Risiko von Malaria, Typhus und Cholera ist signifikant erhöht“, sagt | |
Matshidiso Moeti, Afrikadirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie | |
verweist auf die große Zahl obdachlos gewordener Menschen. Laut einer | |
Erhebung des „Pacific Disaster Center“ aus den USA sind 43.000 Haushalte in | |
Mosambik mit 181.000 Angehörigen direkt überflutet worden. Mindestens | |
65.000 Mosambikaner halten sich mittlerweile in gut 100 Notlagern in den | |
Provinzen Manica, Sofala, Tete und Zambezia auf. Zumeist sind es Schul- und | |
Kirchengebäude, die dafür nicht eingerichtet sind. Bedürfnisse werden im | |
Freien verrichtet, ausreichende Waschgelegenheiten gibt es nicht. | |
„Das Potenzial der Seuchenausbreitung bereitet uns große Sorgen“, sagt | |
Jamie LeSueur, Mosambik-Einsatzleiter der Internationalen | |
Rotkreuzföderation IFRC. „Nach einer solchen Naturkatastrophe ist Zugang zu | |
sicherem Wasser entscheidend, um die Gesundheitssituation unter Kontrolle | |
zu bekommen.“ | |
Die Menschen in den Lagern haben all ihren Besitz verloren, sie haben | |
nichts zu essen und sind komplett auf Nothilfe angewiesen. Ein besonderes | |
Problem ist die Gefahr sexueller Übergriffe. „Es fühlt sich ungemütlich an, | |
sanitäre Einrichtungen mit Männern zu teilen“, sagt Adia Nemane, eine junge | |
Frau, die mit ihrer Familie in einem Lager in Beira lebt. „Der Gedanke | |
macht mir Angst. Es ist wie eine Vergewaltigung.“ | |
## Aufklärung für Frauen und Mädchen | |
Die Kinder- und Gendergleichheitsorganisation „Plan“ arbeitet daran, diese | |
Risiken zu minimieren. „Wir sind dabei, Kinderschutzteams aufzustellen, um | |
über die Gefahren für junge Frauen und Mädchen aufzuklären und | |
sicherzustellen, dass Vorfälle prompt gemeldet werden“, sagt eine | |
Sprecherin. | |
Ältere Lagerbewohner müssen ihrerseits fürchten, bei der Hilfe leer | |
auszugehen. „Die Lebensmittelverteilungen sind unregelmäßig, und sobald es | |
etwas gibt, gibt es ein fürchterliches Gedrängel“, sagt der 76-jährige | |
Ernest Macamo. „Ich bin nicht mehr so kräftig und werde weggeschubst.“ | |
Beira, Mosambiks viertgrößte Stadt mit 530.000 Einwohnern, ist der Ort, wo | |
Wirbelsturm Idai vom Indischen Ozean kommend auf Land traf. 90 Prozent der | |
Stadt sind zerstört, sagen Hilfsorganisationen. Springfluten, überlaufende | |
Staudämme und Hochwasser haben zudem zahlreiche Dörfer und Kleinstädte im | |
Umland von der Außenwelt abgeschnitten. | |
## Aufrufe für Spenden | |
Über 100.000 Menschen seien in Orten der Provinz Manica von der Außenwelt | |
abgeschnitten, erklärt die staatliche Katastrophenmanagementbehörde. Im | |
Buzi-Flusstal sind Beobachtungen aus der Luft zufolge ganze Dörfer in den | |
Fluten untergegangen. | |
In diesen Regionen wird sich erst nach und nach herausstellen, wie | |
verheerend die Katastrophe ist. Und je klarer das wird, desto mehr Hilfe | |
wird nötig sein. „Der Bedarf dürfte weit über die ursprünglichen | |
Schätzungen hinausgehen“, sagt Herve Verhoosel, Sprecher des | |
UN-Welternährungsprogramms WFP. Das WFP hat zu Spenden von 120 Millionen | |
US-Dollar aufgerufen, um 1,7 Millionen Menschen in Mosambik über die | |
kommenden drei Monate zu versorgen. „Dieses Geld haben wir natürlich | |
nicht“, sagt Vehoosel. | |
23 Mar 2019 | |
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[1] /Wirbelsturm-Idai/!5579409 | |
## AUTOREN | |
Arimando Domingos | |
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