# taz.de -- Nach dem Zyklon in Mosambik: Die Verzweiflung wächst | |
> Hunderttausende Menschen haben kein Zuhause mehr und es mangelt an | |
> Nahrung. Viele Betroffene wissen nicht, was aus ihrer Familie wurde. | |
Bild: Ein Boot mit Menschen, die aus der überfluteten Region Buzi gerettet wur… | |
BúZI ap | Mit einigen Nahrungsvorräten und ihrer kleinen Tochter macht sich | |
Verónica Fatia in Mosambik auf den Heimweg. Sie kauert sich auf einem | |
Holzboot zusammen, das von [1][der vom Zyklon „Idai“ schwer verwüsteten | |
Hafenstadt Beira] ins Ungewisse fährt: in die überschwemmte Kleinstadt | |
Búzi. Seit mehr als einer Woche fliehen die Menschen von dort, mit wenig | |
mehr als der Kleidung, die sie am Leib tragen. Jeden Tag bringen Fischer | |
mit ihren Booten die Vertriebenen nach Beira, manchmal sehr viele auf | |
einmal. Doch Fatia fährt flussaufwärts gegen den Strom, in dem kürzlich | |
noch Leichen in Richtung Meer trieben. | |
Noch immer strömen schlammige Fluten von den Ufern in den Fluss – im | |
Landesinneren hatte sich nach dem Zyklon ein Binnenmeer gebildet, das nun | |
allmählich abfließt. Der verheerende Wirbelsturm im Südosten Afrikas | |
kostete bis zum Sonntag allein in Mosambik mindestens 446 Menschen das | |
Leben, mehr als 110.000 Menschen kamen nach offiziellen Angaben in Lagern | |
unter. Die Behörden warnten vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten. | |
Nach einer dreistündigen Bootsfahrt geht Fatia mit ihrer zwei Jahre alten | |
Tochter und einigen Säcken Reis von Bord. Sie geht durch das, was von Búzi | |
geblieben ist, und sucht nach ihrer Mutter – in der Hoffnung, dass sie noch | |
lebt. Sie passiert ein Geldinstitut. Ganz in der Nähe haben sich Bewohner | |
auf dem Dach eines dreigeschossigen Gebäudes versammelt, auf der Suche nach | |
Netz für ihre Mobiltelefone. Sie geht an Menschen vorbei, die jetzt entlang | |
der sandigen Hauptstraße im Freien leben. Manche kochen oder reparieren | |
Habseligkeiten, ein Junge liest in einem Schulbuch. | |
Ihre Mutter könnte sich in der Schule aufhalten, beschließt Fatia. Als sie | |
sich nähert, ertönt ein Schrei, Menschen kommen angerannt: „Mama!“. Sie i… | |
tatsächlich da. Beide umarmen sich auf dem Fußweg aus Beton, der nun von | |
Kochstellen gesäumt wird. „Mein Zuhause ist weg, aber ich bin auch | |
glücklich, weil ich meine Familie sehen kann“, sagt Fatia. | |
Ihre Mutter Maria António sagt, sie habe Fatia am Dienstag vor dem | |
Wirbelsturm zuletzt gesehen. „Ich wusste nichts von ihr. Ich bin sehr | |
glücklich, sie zu sehen.“ Doch über das Schicksal ihrer anderen Tochter, | |
die in der Stadt Quelimane lebt, weiß sie weiterhin nichts. Die | |
Ungewissheit teilt sie mit Tausenden Familien in Zentralmosambik, die | |
keinen Kontakt zu Angehörigen haben, denn viele der vom Zyklon zerstörten | |
Kommunikationsverbindungen sind noch nicht wieder intakt. Menschen suchen | |
verzweifelt nach Familienmitgliedern, von denen sie durch die | |
Naturkatastrophe getrennt wurden. Einige werden nicht so viel Glück haben | |
wie Fatia. | |
## Gerüchte über weitere Zyklone | |
Die zwischen Búzi und Beira verkehrenden Fischerboote sind nun eine | |
Lebensader der Infrastruktur. Sie trotzen Regengüssen, hohen Wellen und dem | |
noch immer verbreiteten Gestank von Verwesung. So hängt in der Nähe von | |
Búzi ein Hundekadaver im Geäst eines Baums. | |
Abgeschnitten vom Rest der Welt können Menschen schnell in Panik geraten. | |
Ein Mitarbeiter des Mosambikanischen Roten Kreuzes, Assane Paul, versucht, | |
eine Menschentraube zu beruhigen. Die Menge hatte ein Gerücht gehört, | |
wonach ein weiterer Zyklon auf dem Weg ins Gebiet sei. Ein Mann liest von | |
einem Hausdach herab aus der Bibel vor, er macht die Sünden der Menschen | |
für den Zyklon verantwortlich. Ein anderer Mann läuft in tropfnasser Hose | |
die Straße entlang. Sie hatte eine Wäsche nötig, und andere Kleidung habe | |
er nicht mehr, sagt er zur Erklärung. | |
Noch immer sind viele Bewohner auf Achse. Dutzende warten am kleinen Pier | |
von Búzi, wo die Fischerboote anlegen. Sie haben Säcke mit ihrer Habe zu | |
ihren Füßen abgestellt, ihre Mienen sind sorgenvoll. Manche warten einfach | |
auf Neuigkeiten. | |
Das andere Ende der Reise ist der Strand von Beira. Kleinkinder und | |
barfüßige Frauen entsteigen einem Fischerboot und versammeln sich im | |
strömenden Regen um Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Manche sehen aus, | |
als hätten sie sich verirrt. Kaum einer trägt viel bei sich. Ein kleines | |
Mädchen steht allein abseits, umarmt sich selbst, die Augen weit | |
aufgerissen, flehentlich blickend. | |
## Chor der Verzweifelten | |
„Ich habe mich in der Moschee versteckt“, sagt der zwölfjährige Ramadan | |
Gulam. „Ich war eine Woche lang dort.“ Er ist aus Búzi gekommen, mit nichts | |
als einer Tüte voller Kleidung und seinen Brüdern. „Mein Vater hat gesagt, | |
wir sollten gehen, denn die Fluten würden wiederkommen. Ich weiß nicht, was | |
ich jetzt tun soll.“ | |
Cristina Machado ist mit ihren beiden Kindern und einer Bandage am Knöchel | |
gekommen. Während des Zyklons sei sie von einem Zinndach verletzt worden, | |
sagt sie. Die Wunde sei erst tags zuvor behandelt worden. „Ich suche nach | |
meinem Mann“, erklärt Machado. Er arbeitete seit zwei Monaten in Beira. | |
Wohin sie als nächstes gebracht wird, weiß sie nicht. | |
Francisco Mambonda verbrachte etwa eine Woche auf einem Hausdach, ohne | |
Nahrung. Er, seine Frau und die Söhne tranken schmutziges Wasser, um zu | |
überleben. Barfuß, zitternd und in zerrissenen Shorts stimmt er in den Chor | |
der vielen Verzweifelten ein: „Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.“ | |
25 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Zyklon-Idai-in-Mosambik/!5579656 | |
## AUTOREN | |
Cara Anna | |
## TAGS | |
Mosambik | |
Zyklon | |
Naturkatastrophe | |
Mosambik | |
Mosambik | |
Zyklon | |
Simbabwe | |
Mosambik | |
Afrika | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Naturkatastrophen-Bilanz 2019: Weniger Tote durch Unwetter | |
Laut Rückversicherer Munich Re überleben mehr Menschen Naturkatastrophen, | |
weil die Vorbeugung besser wird. Der materielle Schaden bleibt hoch. | |
Abstimmung in Mosambik: Wahl in stürmischen Zeiten | |
Ein halbes Jahr nach den verheerenden Wirbelstürmen stellt sich Mosambiks | |
Frelimo-Regierung zur Wiederwahl – überschattet von politischen Spannungen. | |
Neuer Zyklon fegt über Mosambik: „Wie ein Bulldozer über die Dörfer“ | |
Die Schäden von Zyklon Idai sind noch nicht beseitigt, da tobt Wirbelsturm | |
Kenneth in Mosambik. Die Zahl der Opfer dürfte noch stark steigen. | |
Zylon „Idai“ in Südostafrika: Erst Flut, dann Hunger | |
In Malawi, dem kleinsten der von Wirbelsturm „Idai“ betroffenen Länder, ist | |
die Maisernte zerstört. Schon vorher gab es zu wenig zu essen. | |
Zyklon „Idai“ in Mosambik: Nach dem Sturm | |
In Mosambik regnet es immer weiter. Nun wächst die Furcht vor Seuchen und | |
sexualisierter Gewalt in den Notlagern. | |
Zerstörung nach Zyklon in Mosambik: Bis zu 100.000 könnten ertrinken | |
In Mosambik hat Wirbelsturm „Idai“ die Stadt Beira zerstört. Viele | |
Überlebende haben alles verloren. Tausende sind in Gefahr. | |
Wirbelsturm „Idai“ im südlichen Afrika: Hunderte Tote bei Tropensturm | |
Erst Malawi, dann Mosambik, jetzt Simbabwe: Zyklon „Idai“ setzt Städte und | |
Felder unter Wasser. 173 Menschen sind gestorben. |