# taz.de -- Zwangsarbeit in Xinjiang: China-Geschäft wird zum Politikum | |
> Die USA hat ein Importverbot für die Region Xinjiang verhängt. Konzerne | |
> geraten in China zwischen die geopolitischen Fronten. | |
Bild: Immer mehr internationale Firmen geraten wegen der Xinjiang-Firma unter D… | |
PEKING taz | Der Aufstand des US-Chipherstellers Intel dauerte nur wenige | |
Tage. Zu Beginn des Monats forderte der Konzern sämtliche seiner Zulieferer | |
in einem offenen Brief dazu auf, sich aus der nordwestchinesischen Region | |
[1][Xinjiang] zurückzuziehen. Prompt jedoch folgte in China der staatlich | |
inszenierte Aufschrei: Nationalistische Influencer riefen auf sozialen | |
Medien zum Boykott auf, Propagandazeitungen prangerten die Haltung des | |
Konzerns an, und Prominente kündigten ihre Werbeverträge. Wenig | |
überraschend gab Intel in einem Schreiben klein bei: „Wir entschuldigen uns | |
zutiefst für die Verwirrung, die wir verursacht haben.“ | |
Doch schon bald dürfte der Halbleiterproduzent auf seinem Heimatmarkt unter | |
Rechtfertigungszwang geraten. Jüngst am Donnerstag unterzeichnete | |
US-Präsident Joe Biden ein Gesetz, das den Import von zahlreichen Produkten | |
aus der Region Xinjiang verbietet – es sei denn, die Unternehmen können | |
nachweisen, dass diese nicht unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. | |
Außenminister Antony Blinken verteidigte das Gesetz als weiteres Mittel, | |
„Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in der Region zu beenden. | |
Längst ist dokumentiert, dass Hunderttausende Muslime, vorwiegend ethnische | |
Uiguren, in Xinjiang durch ein brutales Lagersystem geschleust worden sind. | |
Das Ziel der politischen Umerziehung ist es, die religiösen und ethnischen | |
Spannungen in der Region im Sinne der kommunistischen Führung in Peking zu | |
glätten. | |
Ein integraler Teil der Unterdrückung in Xinjiang sind auch die sogenannten | |
Arbeitsprogramme, die Uiguren in andere Landesteile transferieren, damit | |
diese dort in Fabriken arbeiten. Während die chinesische Regierung die | |
Maßnahmen als Teil der Armutsbekämpfung porträtiert, kritisieren | |
Menschenrechtsorganisationen, dass die Uiguren gezielt von ihrer | |
kulturellen Identität und Religion entfremdet werden sollen. Zudem steht | |
insbesondere aufgrund des politischen Klimas in Xinjiang der | |
Generalverdacht im Raum, ob die Arbeitsbeschaffungen unter staatlichem | |
Zwang angeordnet werden. | |
## Neue Eskalationsstufe | |
[2][Peking streitet sämtliche Menschenrechtsverbrechen in Xinjaing als | |
„bösartige“ Erfindungen „China-feindlicher Kräfte“ ab.] Der Vorwurf d… | |
Zwangsarbeit wird von offizieller Seite als „Lüge des Jahrhunderts“ | |
bezeichnet. Außenministeriumssprecher Zhao Lijian sieht in dem neuen | |
US-Gesetz vor allem den Versuch, China an seinem wirtschaftlichen Aufstieg | |
zu hindern. | |
Ohne Frage ist mit dem neuen Dekret aus Washington in den Augen der | |
Volksrepublik eine neue Eskalationsstufe erreicht. Natürlich war es | |
US-Firmen auch vorher bereits verboten, wissentlich Produkte zu | |
importieren, die durch Zwangsarbeit hergestellt wurden. Doch nun wird die | |
Beweislast umgekehrt: Die Konzerne müssen proaktiv beweisen können, dass | |
sowohl ihre eigenen Fabriken als auch die ihrer Zulieferer den rechtlichen | |
Standards entsprechen. | |
Normalerweise werden dafür externe Wirtschaftsprüfer angeheuert, um die | |
Arbeitsbedingungen unabhängig zu evaluieren. Doch insbesondere in Xinjiang | |
sind solche Inspektionen aufgrund des politischen Drucks und des | |
mangelhaften Zugangs schlicht nicht mehr möglich. Bereits im letzten Jahr | |
haben mehrere Organisationen mit Präsenz auf dem chinesischen Markt | |
angekündigt, keine Prüfungen mehr in Xinjiang durchführen zu wollen – | |
darunter auch die deutsche TÜV Süd AG. | |
## Drohender Rückschlag beim Kampf gegen den Klimawandel | |
Viel spricht also dafür, dass US-Firmen sich künftig vollständig aus | |
Xinjiang zurückziehen werden. Das dürfte weitreichende Auswirkungen auf die | |
ohnehin angespannten globalen Lieferketten haben. Ein Großteil der 62 | |
Millionen Tonnen Tomaten, die China jährlich produziert, werden in der | |
Region angebaut. Ebenso stammt fast ein Fünftel der weltweit verwendeten | |
Baumwolle aus Xinjiang. Insbesondere umstritten sind die Auswirkungen auf | |
Polysilizium, einen essenziellen Bestandteil für Solar- und Windanlagen. | |
Nahezu die Hälfte der globalen Vorkommen des Rohstoffs ist laut Schätzungen | |
in Xinjiang beheimatet. Insofern besteht die Gefahr, dass der Versuch zur | |
Verbesserung der Menschenrechte gleichzeitig zu einem Rückschlag beim Kampf | |
gegen den Klimawandel führen wird. | |
Wie streng das Gesetz tatsächlich implementiert wird, entscheiden erst die | |
nächsten Monate. Doch die Eskalation rund um Xinjiang beweist, dass | |
internationale Firmen mit Präsenz in China zunehmend zwischen die | |
geopolitischen Fronten geraten. Der Druck geht dabei nicht nur von | |
Washington aus, sondern wird ebenfalls von Peking forciert. Die chinesische | |
Regierung hat etwa ein sogenanntes Anti-Sanktions-Gesetz erlassen, das | |
Strafen gegen sämtliche Unternehmen vorsieht, wenn diese ihre Produktion | |
aus China abziehen. | |
26 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Xinjiang/!t5032347 | |
[2] /Verhaeltnis-zwischen-China-und-den-USA/!5789115 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
## TAGS | |
Xinjiang | |
Lieferketten | |
USA | |
Olympische Winterspiele 2022 | |
China | |
China | |
USA | |
China | |
Merkel-Nachfolge | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Größter Sportartikelhersteller in China: Mit Patriotismus zur Weltmarke | |
Einst galt Anta Sports als uncool. Nun aber profitiert der Ausstatter des | |
IOC und des chinesischen Teams von Chinas Boykott westlicher Konkurrenten. | |
Chinas Millionenstadt Xian im Lockdown: Wenn kein Essen mehr zu kaufen ist | |
Die Bewohner der Stadt Xi’an hängen wegen der strikten Ausgangssperre | |
komplett von staatlichen Essenslieferungen ab. Die kommen aber nicht | |
überall an. | |
Größter Corona-Ausbruch seit 21 Monaten: China in der Lockdown-Schleife | |
Der jüngste Infektionsausbruch in Xian übersteigt alle vorherigen. Wie | |
gefährlich ist die Abschottung für die globalen Lieferketten? | |
Konflikt zwischen USA und China: Neue Wirtschaftssanktionen | |
Wegen Menschenrechtsverletzungen weiten die USA die Sanktionen aus. | |
Biotechnologie- und Medizininstitute werden auf die schwarze Liste gesetzt. | |
Olympische Winterspiele in China: Australien schließt sich Boykott an | |
Die USA preschten voran. Jetzt hat Sydney einen diplomatischen Boykott der | |
Winterspiele in Peking angekündigt, wünscht den Athleten aber viel Erfolg. | |
Chinapolitik der neuen Bundesregierung: Harter Kurs versus Pragmatismus | |
Die künftige Außenministerin Baerbock kündigt einen kritischeren Umgang mit | |
China an. Bald-Kanzler Scholz setzt eher auf Verständigung. |