| # taz.de -- Wiederholungswahl zum Bundestag: Ihr Berlinerlein, kommet | |
| > Nach zahlreichen Pannen wird die Wahl von 2021 im Februar zu Teilen | |
| > wiederholt. Dazu trifft das Land Vorkehrungen. | |
| Bild: Berlin geht auf Nummer sicher: Dieses Mal soll jede*r einen Stimmzettel b… | |
| Berlin taz | „Prinzip Hoffnung, Kategorie Möglichkeit“ – so lautet am | |
| Freitagmorgen das Fazit von Landeswahlleiter Stephan Bröchler über die | |
| Vorbereitungen zur Teilwiederholungswahl zum Deutschen Bundestag am 11. | |
| Februar. Ein „Zeichen der Stärke unserer Demokratie“ sei die Wahl, sagt | |
| Bröchler, gleichzeitig stelle sie das Land und die Bürger*innen vor | |
| erhebliche Herausforderungen. | |
| Grund für die Wiederholung waren zahlreiche Pannen in vielen Wahllokalen am | |
| 26. September 2021, als neben dem Bundestag auch das Abgeordnetenhaus sowie | |
| die Bezirksverordnetenversammlungen gewählt wurden – und zeitgleich der | |
| Berlin-Marathon stattfand. Stimmzettel waren falsch oder fehlten ganz, | |
| teils wurde die Wahl um mehr als eine Stunde unterbrochen, teils bildeten | |
| sich so lange Schlangen, dass Wähler*innen erst weit nach dem | |
| offiziellen Wahlende um 18 Uhr abstimmten. Deshalb wurden schon im Februar | |
| 2023 die Berliner Wahlen vollständig wiederholt. | |
| Am 19. Dezember bestätigte das Bundesverfassungsgericht nun, dass die | |
| Fehler auch bei der Bundestagswahl zum Teil „mandatsrelevant“ waren. | |
| Deshalb sind am 11. Februar rund 550.000 Wahlberechtigte in 455 der 2.256 | |
| Berliner Wahlbezirke aufgerufen, ihre Stimmen für die Wahl zum Deutschen | |
| Bundestag erneut abzugeben. Die Bezirke betrifft das in unterschiedlichem | |
| Ausmaß: In Pankow etwa müssen 85 Prozent der Wahlberechtigten nachwählen, | |
| in Charlottenburg-Wilmersdorf 42 Prozent, in anderen Bezirken wie | |
| Lichtenberg und Treptow-Köpenick sind es nur knapp 3 Prozent. | |
| Damit es bei der Wiederholungswahl geordneter zugeht als 2021, haben | |
| Landes- und Bezirkswahlleitungen zahlreiche Vorkehrungen getroffen. „Wir | |
| sind gut vorbereitet“, glaubt Bröchler. Für die knapp 550.000 | |
| Wahlberechtigten wurden 800.000 Stimmzettel gedruckt. Mit knapp 9.000 | |
| Wahlhelfer*innen sei zudem für ausreichend Unterstützung vor Ort | |
| gesorgt. | |
| ## Sorge vor niedriger Wahlbeteiligung | |
| Die Herausforderungen seien trotzdem zahlreich, so Bröchler: Im Vordergrund | |
| stehe die Sorge vor einer niedrigen Wahlbeteiligung. Man strebe keine | |
| 90-prozentige Beteiligung an, erhoffe aber „um die 60 Prozent“. Ungünstig | |
| ist, dass der Wahltermin auf den letzten Tag der Winterferien fällt. Viele | |
| würden an diesem Datum erst aus dem Urlaub zurückkommen, vermutet der | |
| Landeswahlleiter. | |
| Er rechnet deshalb mit einem hohen Anteil an Briefwähler*innen: um die 50 | |
| Prozent. Da der Briefwahlzeitraum wegen der Feiertage von den üblichen 8 | |
| Wochen auf 7 verkürzt wurde, ruft Bröchler dazu auf, von dieser Möglichkeit | |
| so schnell wie möglich Gebrauch zu machen. Auch sei in den | |
| Bezirkswahlämtern eine zusätzliche Briefwahlstelle eingerichtet worden, | |
| sodass eine „Briefwahl vor Ort“ erfolgen könne. Zu befürchten sei jedoch, | |
| dass diese „sehr pragmatische und gute Möglichkeit, seine Stimme | |
| abzugeben“, den meisten Bürger*innen nicht bekannt sei. | |
| Eine weitere Herausforderung besteht darin zu klären, wer wahlberechtigt | |
| ist. Da die Wiederholung mehr als sechs Monate nach der Hauptwahl | |
| stattfindet, muss das Wählerverzeichnis neu aufgestellt werden. Eingetragen | |
| werden alle Personen, deren Wohnsitz 42 Tage vor der Wahl im jeweiligen | |
| Wahlbezirk gemeldet ist. | |
| Aufgrund technischer Probleme konnten in den Bürgerämtern jedoch seit dem | |
| zweiten Weihnachtsfeiertag keine An-, Um-, und Abmeldungen des Wohnsitzes | |
| elektronisch registriert werden. Diese müssen nun in die | |
| Wählerverzeichnisse nachgetragen werden. Der Beginn der Verschickung der | |
| Wahlbenachrichtigungen sowie die Beantragung der Briefwahlunterlagen waren | |
| jedoch bereits für den 2. und 3. Januar angesetzt. | |
| Schließlich komme es auch zu „wiederholungswahlimmanenten | |
| Ungerechtigkeiten“: Einige Bürger*innen, die seit der Pannenwahl umgezogen | |
| sind, könnten ihre Stimme nicht rückwirkend abgeben. Andere, die zugezogen | |
| sind, könnten sie möglicherweise zweimal abgeben. Solche Ungerechtigkeiten | |
| müsse man hinnehmen, sagt Bröchler. „Wir hatten nun mal die Pannenwahl, | |
| jetzt müssen wir versuchen, die Fehler zu heilen. Die Therapie ist die | |
| Wiederholungswahl.“ | |
| ## Forderung nach mehr Mobilisierurng | |
| Trotzdem ist Bröchler bewusst, dass die „unübersichtliche Situation“ zu | |
| Irritationen bei den Bürger*innen führe. Viele wüssten nichts von der | |
| Wahl oder verstünden nicht, warum auf einer Seite der Straße gewählt wird | |
| und auf der anderen nicht. Auf der Homepage des Landeswahlleiters kann man | |
| deshalb herausfinden, ob man wahlberechtigt ist, und das zuständige | |
| Wahllokal ausfindig machen. | |
| Es brauche jedoch mehr Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, fordert | |
| Bröchler. Diese betreibt die Landeswahlleitung unter anderem in Form von | |
| „Berlin braucht Deine Stimme!“-Testimonials bekannter Berliner | |
| Moderator*innen oder Schauspieler*innen wie Tim Bendzko oder | |
| Katrin Sass. Es sei wichtig, der Zivilgesellschaft eine Stimme zu geben, | |
| die die Bürger*innen dazu aufrufe, Verantwortung für die Demokratie zu | |
| übernehmen. | |
| Schließlich brauche es einen Perspektivwechsel vom „Reparaturbetrieb“ zur | |
| „Neuen Normalität“, also dahin, wie es in anderen Bundesländern | |
| selbstverständlich sei, sagt Bröchler. Der Druck, der durch die Pannenwahl | |
| ausgelöst wurde, habe einiges bereits angestoßen, darunter die Einrichtung | |
| ständiger Bezirkswahlämter. | |
| Bei der Berliner Wahlorganisation stünden jedoch noch immer wichtige | |
| Strukturreformen an. Bröchler fordert ein zentrales Landeswahlamt, | |
| personelle Aufstockung sowie mehr Befugnisse und Weisungsrechte als | |
| Landeswahlleiter. Die organisatorischen Veränderungen sollen dann in der | |
| Novellierung des Landeswahlgesetzes erfolgen, mit der es laut Bröchler | |
| hoffentlich in der ersten Hälfte des Jahres losgeht. Er sei optimistisch, | |
| dass jetzt auch der Rest der Reformstrecke gegangen werde. | |
| 5 Jan 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Lilly Schröder | |
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