# taz.de -- Wider den russischen Einmarsch: Selenski will sich nicht beugen | |
> Die Ukraine schießt drei russische Kampfjets ab, bleibt aber machtlos | |
> gegen den Beschuss vieler Städte. Zivilist:innen bleibt nur die | |
> Flucht. | |
Bild: Keine Kontrolle über den Himmel, „das ist unser größtes Problem“: … | |
BERLIN taz | Ukrainisches Militär und Freiwillige widersetzen sich weiter | |
mit einigen Erfolgen dem Vormarsch der russischen Streitkräfte. So gelang | |
es ihnen nach eigenen Angaben, in der Nacht zum Dienstag drei russische | |
Kampfjets und einen Marschflugkörper über Kiew abzuschießen. Über der Stadt | |
waren laute Explosionen zu hören. Erstmals gelang es am Dienstag, einige | |
hundert Zivilist:innen aus der Stadt Sumy im Nordosten der Ukraine zu | |
evakuieren. | |
Der ukrainische Präsident [1][Wolodimir Selenski] schickte am Montag Abend | |
eine Videobotschaft aus seinem Büro in Kiew. Er verstecke sich nicht und | |
fürchte niemanden, sagte er. Dem US-Sender ABC sagte er in der Nacht, er | |
sei bereit zu Gesprächen über den Status der Separatistengebiete im Osten | |
des Landes und der Krim. Eine russische Herrschaft dort werde er aber nicht | |
anerkennen, und er werde auch nicht kapitulieren. Er forderte erneut | |
[2][internationale Hilfe beim Schutz des ukrainischen Luftraums]. „Wir | |
kontrollieren nicht den Himmel über uns, das ist unser größtes Problem“, | |
sagte Selenski. | |
Angesichts des heftigen Widerstandes hat das russische Militär seine | |
Luftangriffe und den Artilleriebeschuss mehrerer großer Städte | |
intensiviert. Dort ist die Lage für die Zivilbevölkerung verzweifelt. Der | |
Beschuss richtete bisher große Schäden an Wohngebäuden und öffentlichen | |
Einrichtungen, Brücken und Krankenhäusern an. In Sumy wurde in der Nacht | |
auf Dienstag ein Wohnhaus getroffen und 21 Menschen getötet. | |
US-Außenminister Antony Blinken warf am Montag den russischen Streitkräften | |
absichtliche Angriffe auf Zivilisten vor. Dies seien Kriegsverbrechen. | |
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigte bislang 16 Angriffe auf | |
Hospitäler oder Arztpraxen. Vorräte werden knapp, es fehlen Lebensmittel | |
und Wasser, Treibstoff sowie Medikamente für die Krankenhäuser. In Mariupol | |
am Schwarzen Meer, das seit Tagen vom russischen Militär angegriffen wird, | |
gab es keinen Strom, kein Wasser und keine Heizung mehr. Noch funktioniert | |
das mobile Internet, aber es gibt Gerüchte, dass es bald im Süden und Osten | |
des Landes abgeschaltet werden könnte. | |
## 30 Busse für 450.000 Menschen | |
Am Dienstag sollte ein weiteres Mal eine Waffenruhe in Kraft treten, um | |
Zivilist:innen über sogenannte humanitäre Korridore zu evakuieren. | |
Dreißig Busse und acht Lastwagen waren nach Angaben der ukrainischen | |
Regierung auf dem Weg nach Mariupol. [3][In der Hafenstadt am Schwarzen | |
Meer] lebten vor dem Krieg 450.000 Menschen. Die Busse sollten Zivilisten | |
über einen Fluchtkorridor in das von der Ukraine kontrollierte Gebiet | |
bringen, sagt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk im Fernsehen. | |
Sie warf den russischen Streitkräften vor, dort die Evakuierungsroute zu | |
beschießen. | |
Ein erster Fluchtkonvoi mit 723 Personen, die meisten indische Studierende, | |
verließ am Morgen die umkämpfte Stadt Sumy. Ziel war der Ort Poltawa in der | |
Zentralukraine, twitterte das Außenministerium in Kiew.„Wir rufen Russland | |
dazu auf, auch anderen humanitären Korridoren zuzustimmen.“ Weitere 3000 | |
Menschen konnten aus dem umkämpften Irpin bei Kiew in die ukrainische | |
Hauptstadt gebracht werden. | |
Nach russischen Angaben stünden weitere Korridore aus Kiew, Charkiw, | |
Mariupol und Tscherhihiw offen. Russland hatte allerdings zur Bedingung | |
gemacht, dass die meisten dieser Fluchtwege durch Russland oder Belarus | |
verlaufen, was für die ukrainische Seite inakzeptabel ist. Die Menschen, | |
die die Städte Sumy und Mariupol verlassen möchten, hätten aber die Wahl, | |
auch in die ukrainischen Städte Poltawa oder Saporischja zu fliehen, | |
erklärte die zuständige russische Behörde. | |
Die Flucht Hunderttausender Zivilist:innen aus dem Kriegsgebiet bringt | |
auch den Rest der Ukraine einer humanitären Katastrophe immer näher. Viele | |
Hauptrouten sind wegen zerstörter Brücken nicht mehr befahrbar. Im ganzen | |
Land gibt es Kontrollen bei der Einfahrt in Dörfer und Städte. In Lwiw im | |
Westen des Landes sind mittlerweile 200.000 Menschen eingetroffen, die | |
Nothilfe, Schutz und eine Möglichkeit zur Weiterreise ins Ausland suchen. | |
Bürgermeister Andrej Sadowji sagte in einer Videobotschaft, seine Stadt | |
benötige dringend Hilfe. | |
## Nachbarländer nehmen zwei Millionen auf | |
Die Zahl der aus der Ukraine in die Nachbarländer Geflüchteten hat am | |
Dienstag zwei Millionen überschritten. Etwa die Hälfte davon seien Kinder, | |
meldete das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). 1,2 Millionen Geflüchtete | |
wurden demnach von Polen aufgenommen. | |
Die verzweifelte Lage der ukrainischen Zivilbevölkerung war am Montag auch | |
Thema im UN-Sicherheitsrat. Dort hielt der russische UN-Botschafter Wasili | |
Nebensjia eine lange Rede, die mit geradezu atemberaubenden Verdrehungen | |
der Realität und wütenden Anklagen der Gegner Russlands gespickt war. „Wir | |
bombardieren keine Zivilisten“ in der Ukraine, behauptete er, „es sind | |
ukrainische Kriminelle und Neonazis, die Bürger als menschliche | |
Schutzschilde missbrauchen.“ | |
Der ukrainische Botschafter klagte, er habe „fortwährende Lügen, | |
Wahnvorstellungen und Delirien“ gehört, die nur schwer zu ertragen seien. | |
Nebensjia hatte Ende Januar der US-Botschafterin [4][Linda | |
Thomas-Greenfield] im Sicherheitsrat vorgeworfen, sie lüge, wenn sie | |
behaupte, Russland bereite eine Invasion der Ukraine vor. | |
8 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Schaaf | |
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