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# taz.de -- Wahlkampf in Pakistan: Vom Playboy zum religiösen Eiferer
> Bei den Wahlen in Pakistan genießt Ex-Kricketstar Imran Khan die
> Unterstützung des Militärs. Seinen Erfolg erklärt er mit der „Gnade
> Gottes“.
Bild: Ein Kind von Traurigkeit war er nie: Imran Khan
Neu-Delhi taz | Er ist schon vieles in seinem Leben gewesen und das sehr
erfolgreich: Kricketstar, Playboy, Philanthrop. Und vielleicht wird er
schon bald Pakistans Premierminister: Imran Khan. Eine Lichtgestalt im
Sport, von blendendem Aussehen und unwiderstehlichem Charisma. Und dennoch
will vor den Wahlen in Pakistan an diesem Mittwoch keine Begeisterung
aufkommen. Das liegt nicht nur daran, dass das mächtige Militär bei diesen
Wahlen wieder verstärkt im Hintergrund die Fäden zieht.
Politiker sind erfolgreich, wenn sie Sehnsüchte und Projektionen eines
Volkers verkörpern oder wenn die Menschen sich in ihnen wiederfinden
können. An Imran Khans Biografie lässt sich die Geschichte Pakistans der
vergangenen 30 Jahre erzählen – und daran scheiden sich die Geister. Nach
der neuesten Meinungsumfrage des Sustainable Development Policy Instituts,
einer Denkfabrik in Islamabad, liegt Khans Partei Pakistan Tehreek-e-Insaaf
(PTI – Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) quasi gleichauf mit der
regierenden Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N). Dies bedeutet auch, dass
die PML-N, deren Premierminister Nawaz Sharif im Juli 2017 seines Amtes
enthoben wurde, noch immer enorm populär ist.
Für Khan ist das keine gute Nachricht. Denn er hat sich seit Gründung
seiner Partei 1996 stets als „saubere“ Alternative zu den korrupten
Altparteien präsentiert. Doch Sharif, der wegen Korruptionsvorwürfen aus
dem Amt gedrängt wurde und nun im Gefängnis sitzt, hat nicht nur eine recht
erfolgreiche Wirtschaftspolitik gemacht. Seine Ablösung und der Wahlkampf
in diesem Jahr tragen die Handschrift des Militärs. Missliebige TV-Sender
wurden zum Teil für Wochen abgeschaltet, Journalisten entführt,
Innenminister Ahsan Iqbal wurde von der PML-N auf einer Wahlveranstaltung
angeschossen. Das alles ist nicht Khans Schuld, aber viele in Pakistan sind
doch der Meinung, dass er ohne Hilfe der Armee kaum eine Chance hätte.
In einem Interview mit der Zeitung Dawn sagte er zu den Vorwürfen: „Das
hier ist nicht Europa. Du kannst den Leuten nicht einfach sagen, wofür du
stehst, und dann wählen sie dich.“ Doch vielleicht ist es genau das, was
die Menschen wollen. Unvergessen ist zumindest in Pakistan, dass
Militärdiktator Pervez Musharraf 2008 durch eine Volksbewegung gestürzt
wurde und dass danach Benazir Bhuttos Volkspartei (PPP) mit großer Mehrheit
gewählt wurde, obwohl die Spitzenkandidatin während des Wahlkampfes
ermordet worden war.
## Hohles Bekenntnis
Im Jahr 2013 fand zum ersten Mal in Pakistan ein demokratischer
Machtwechsel statt: Nawaz Sharif wurde in freien und fairen Wahlen
Premierminister. Und Imran Khan? Versuchte erfolglos das Ergebnis
anzufechten, obwohl seine Partei hinter der PPP nur dritte Kraft wurde.
Sein Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaat klingt da etwas hohl. Auch
die Regierungsbilanz seiner PTI in Khyber Pakhtunkhwa, der einzigen
Provinz, in der die Partei regiert, ist durchwachsen.
Zudem macht es den Eindruck, dass der ehemalige Profisportler Niederlagen
schlecht verkraften kann. Als Kapitän der Kricketnationalmannschaft wurde
er bereits vergöttert. Nach dem Ende seiner Karriere stieg er durch die
Gründung von Krebskrankenhäusern, in denen 75 Prozent der Patienten
kostenfrei behandelt werden, fast zu einem Nationalheiligen auf.
Proportional dazu wuchs sein Ego. Dabei war sein Lebenswandel lange eher
sündig. Im Jahr 1995 heiratete er die Londoner Milliardärstochter Jemima
Goldsmith, deren Vater aus einer deutsch-jüdischen Familie aus Frankfurt am
Main stammt. Mit ihr hat er zwei Söhne. Die Ehe wurde 2004 geschieden.
Seine zweite Exfrau, die Journalistin Reham Khan, behauptet in ihrem
kürzlich erschienenen Buch, er habe fünf uneheliche Kinder. Die Ehe der
beiden dauerte nur ein knappes Jahr und zerbrach 2015. In Pakistan gibt es
Gerüchte, Reham Khans Enthüllungsbuch sei ein Plot der PML-N. Doch Frauen,
die von Imran Khan Alimente forderten, gab es schon vorher. Und eines ist
sicher: ein Kind von Traurigkeit war er in seinem Liebesleben nie. Ob er
nun jeden Abend „sechs Gramm Kokain“ verbrauchte, wie Reham Khan im Buch
behauptet, oder nicht.
Im Februar dieses Jahres nun heiratete der 65-Jährige die „spirituelle
Heilerin“ Bushra Wattoo (50). Die Fotos der Hochzeit sorgten für Aufruhr
in sozialen Medien, denn die Braut trug einen Gesichtsschleier. Nach den
stets in Designerlabel gehüllten Ehefrauen Nummer eins und zwei scheint
Khan nun auch im Privatleben die religiöse Wende vollzogen zu haben, von
der er seit rund 15 Jahren nur zu gern berichtet.
In zahlreichen Interviews und Artikeln erzählt der gebürtige Lahori, der
gern seine paschtunischen Wurzeln hervorhebt, dass die Hinwendung zum Islam
ihn zu einem besseren Menschen gemacht habe. Deshalb sei er in die Politik
gegangen. Pakistan solle zu einem islamischen Wohlfahrtsstaat werden. In
einem Artikel mit dem Titel „Warum der Westen nach Materialismus verlangt
und der Osten an der Religion festhält“, lamentiert er darüber, dass „in
Großbritannien 60 Prozent der Ehen geschieden werden“.
## Die Taliban aufgebaut
Dabei ist es in Pakistan keineswegs ungewöhnlich oder originell, in der
Politik die religiöse Karte zu spielen. Im Gegenteil. Unter der zweimaligen
Premierministerin Benazir Bhutto baute Pakistan unter anderem die Taliban
in Afghanistan auf. Ihr Vater, Zulfikar Ali Bhutto, machte 1973 den Islam
zur Staatsreligion, um die Islamisten zufriedenzustellen. Unter Bhutto
wurde auch die Ahmadiyya-Sekte, die bis heute massiv verfolgt wird, zu
Nichtmuslimen erklärt. Doch das half Bhutto wenig. 1977 ließ ihn der
Militärdiktator Zia ul-Haq hängen.
Pakistaner, die die Instrumentalisierung der Religion ablehnen, stehen Khan
heute daher mehr als skeptisch gegenüber. Viele Anhänger hat er unter
jungen Leuten in Pakistan. Denn durch die Islamisierung der Lehrpläne an
Schulen und Universitäten sind heute weitaus mehr Jugendliche religiös als
noch vor 20 Jahren.
Die Mittelklasse hingegen, die vor einigen Jahren noch eher bereit war,
Khans Image als weißer Ritter im Kampf gegen die Korruption zu glauben, ist
inzwischen vorsichtig geworden. Nicht nur weil viele der Meinung sind, dass
die Korruptionsvorwürfe gegen Nawaz Sharif ein Instrument des Militärs
sind, um einen beliebten Politiker loszuwerden. Khans eigene Partei PTI
kämpft in der von ihr regierten Provinz Khyber Pakhtunkhwa ebenfalls mit
Korruptionsvorwürfen. Diverse hochrangige Mitglieder, die aus anderen
Parteien zur PTI übergelaufen sind, haben keineswegs nur blütenweiße
Westen.
Vieles spricht daher dafür, dass Imran Khan, sollte er Premierminister
werden, mit einer denkbar knappen Mehrheit zu regieren hat und dass die
Legitimität der Wahl noch lange angezweifelt werden wird. Dies liegt
durchaus im Interesse des Militärs, das nicht gern Götter neben sich hat.
Imran Khan ist ohnehin der Meinung, dass er „seine Erfolge“ nicht sich
selbst, sondern der „Gnade Gottes verdanke“. Die pakistanischen Wähler
würden den Stimmzettel bevorzugen.
24 Jul 2018
## AUTOREN
Britta Petersen
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