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# taz.de -- Wahlen zum US-Senat: Ein unechter Hillbilly
> Der Schriftsteller J.D. Vance kandidiert im November für den US-Senat. Er
> gibt sich als Kämpfer gegen „die Elite“, hat selbst aber in Yale
> studiert.
Bild: Hilbilly im Anzug: J.D. Vance kandidiert im November für den US-Senat
In den [1][Vereinigten Staaten] werden verschiedene archetypische
Charaktere gern romantisiert. Der Cowboy ist ein Beispiel, der Gangster,
der Bluesman – und der Hillbilly. Kein Wunder, dass der [2][Schriftsteller
J. D. Vance] sich entschloss, seine anglo-schottische Herkunft, die er mit
vielen Hillbillys teilt, in politisches Kapital umzuwandeln. Der Autor des
Bestsellers „Hillbilly-Elegie. Die Geschichte meiner Familie und einer
Gesellschaft in der Krise“ kandidiert im November für den Senat. Aber auf
Vances angebliche Wurzeln fielen nur wenige herein. Er verbrachte zwar als
Kind die Sommer in den Appalachen, aber aufgewachsen ist er in Middletown,
Ohio, einer kleinen Stahlarbeiterstadt nördlich von Cincinnati.
Die Appalachen sind eine Bergkette, die sich von New York bis hinab in die
Südstaaten zieht. Dieses Gebiet ist von Armut geprägt, und seine
Bevölkerung wird stereotypisch als rückwärtsgewandt und ungebildet
charakterisiert. Ich verbrachte die Sommer meiner Kindheit dort und kam
später als junge Reporterin mit bangem Gefühl zurück. Aber ich stellte
fest, dass die Menschen in den Appalachen offen und dankbar waren, dass
sich jemand für sie interessierte. Sie ließen keine Zweifel aufkommen, wie
sehr es ihnen missfiel, vom Rest des Landes von oben herab betrachtet zu
werden. Auch J. D. Vance wirft dies „der Elite“ vor – einem
verallgemeinernden Begriff für Gutverdienende mit Hochschulausbildung.
Dabei ist er selbst ein Investment-Manager mit einem Jura-Abschluss der
Universität Yale.
Vances inzwischen auch verfilmtes Buch „Hillbilly-Elegie“ ist eine
ungeschönte Saga von Gewalt, Armut und Drogenmissbrauch in einer
Bevölkerungsgruppe, die im zurückliegenden Jahrzehnt von Opiatabhängigkeit
wie von einer Plage heimgesucht wurde, während die Industrie verfiel.
Vances autobiografische Beschreibung wurde von weißen Autoren und Experten,
die oft selbst aus der Region stammen, kritisiert, weil sie eher
persönlichem Fehlverhalten – Trägheit, Abhängigkeit von Sozialhilfe – und
der regionalen Kultur die Schuld zuweist als den strukturellen und
wirtschaftlichen Bedingungen. Vance erschien auf der Bildfläche, just als
das Land jene Leute zu verstehen versuchte, die mit ihrer Wut und
Verbitterung, ihrem Glauben an Trumps offensichtliche Lügen und ihrer
Aggressivität ein Rätsel für Republikaner wie Demokraten darstellten. Sie
bildeten die Basis für die Niederlage Hillary Clintons, die Trumps
Unterstützer als „Bedauernswerte“ abqualifizierte.
Vance selbst hielt [3][Trump] damals für einen „Idioten und Rassisten“ und
vertraute einem Freund an, er „könnte Amerikas Hitler sein“. In einem
Artikel in The Atlantic schrieb er: „Trump verspricht für jedes komplexe
Problem eine simple Lösung. Er will die Jobs zurückholen, indem er
Unternehmen bestraft, die sie ins Ausland verlagern. Er will die
Opiat-Epidemie heilen, indem er eine Mauer an der Grenze zu Mexiko baut und
so die Kartelle fernhält.“ Doch als republikanischer Bewerber für den Senat
befürwortete er plötzlich all diese Maßnahmen. Lange hatte er kaum Chancen,
aber seit er Trumps Unterstützung gewonnen hat, will er jemand sein, der
gegen „die etablierten Eliten“ kämpft, die „amerikanische Jobs nach China
verlagern und unser Land mit illegalen Einwanderern und Fentanyl
überfluten“.
Ich muss sagen, auch ich habe mich täuschen lassen. Die Leute, die die
Hillbilly-Elegie als offen politisch und als Griff nach der Macht sahen,
hatten recht. Die Geschichte ist so alt wie die Berge. In ihrem Kern
gleicht sie den Opiaten, denen so viele zum Opfer gefallen sind und die J.
D. Vance einmal mit dem Griff verglich, in dem Trump so viele seiner
Landsleute hält.
Aus dem Englischen von Stefan Schaaf
Hillbilly-Elegie
25 May 2022
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## AUTOREN
Brenda Wilson
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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