| # taz.de -- Wahlen im Irak: Mit Stabilität zum Sieg | |
| > Der Irak hat gewählt. Der politische Block des gemäßigten schiitischen | |
| > Regierungschefs hat die meisten Stimmen bekommen. | |
| Bild: Siegesfeier in Bagdad nach den Wahlen. Anhänger des irakischen Ministerp… | |
| Mit irakischen Flaggen zogen Anhänger des [1][irakischen amtierenden | |
| Regierungschefs] feiernd auf den Tahrir-Platz in Bagdad. Am Mittwochabend | |
| hatte die irakische Wahlkommission die vorläufigen Ergebnisse der | |
| Parlamentswahl bekannt gegeben: Die Kandidatenliste von Ministerpräsident | |
| Mohammed Schia al-Sudani liegt mit mehr als 1,3 Millionen Stimmen in | |
| Führung – mit etwa 217.500 Stimmen mehr als die nächst platzierte Liste, | |
| die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) unter Präsident Masoud Barzani, | |
| die ebenfalls über eine Million Stimmen erhielt. | |
| Weitgehend gewannen die Kandidat*innen entlang der konfessionellen | |
| Mehrheitslinien in den überwiegend schiitischen, sunnitischen oder | |
| kurdischen Gebieten. In Ninive gab es eine Überraschung: In der | |
| mehrheitlich sunnitisch-arabischen Provinz gewann die Demokratische Partei | |
| Kurdistans (KDP) die meisten Sitze. In der Provinz Diyala, mit bedeutender | |
| kurdischer Minderheit, gewannen erstmals seit 2005 keine kurdischen | |
| Kandidat*innen einen Sitz. | |
| Unter Sudani ist die Sicherheit im Irak hoch, das Land erlebt die wohl | |
| stabilste Zeit seit über zwei Jahrzehnten. Sudani bemüht sich um einen | |
| Ausgleich zwischen dem politischen Einfluss der USA auf der einen und Iran | |
| auf der anderen Seite. | |
| Der gemäßigte Schiit ist auch Mann des Kapitalismus. Auf Wahlplakaten war | |
| er mit Bauhelm abgebildet, mit Kran im Wahllogo. Seine Regierung investiert | |
| viel in die Öl-, Gas- und Chemieindustrie und hat gewaltige | |
| Infrastrukturpojekte angekurbelt. Darunter ein 1.200 Kilometer langer | |
| Transportkorridor, der den Golf über den Irak und die Türkei mit Europa | |
| verbinden soll; 17 Milliarden US-Dollar fließen in Eisenbahnstrecken, | |
| Straßen und Häfen. | |
| ## Investitionen in die Infrastruktur | |
| In Bagdads Altstadt sind alte Häuser renoviert, ein neuer Radweg verläuft | |
| neben noch offenliegenden Ziegelsteinen – hier wird eine Straßenbahn | |
| gebaut. Auch vor Bagdads kulturellen Sehenswürdigkeiten wird gesägt und | |
| geschweißt. Das Nationalmuseum, der Abbasiden-Palast, die | |
| Al-Gelehrtenschule Mustansiriyya-Madrasa – alle wegen Renovierungsarbeiten | |
| geschlossen. Die Investitionen werden vor allem über Gewinne aus dem | |
| Erdöl-Export finanziert. | |
| 55 Prozent der Wahlberechtigten gingen wählen: Rund 12 von 21,4 Millionen | |
| gaben ihre Stimmen ab. Der Irak hat rund 46 Millionen Einwohnende. | |
| Analyst*innen hatten eine niedrigere Beteiligung vorausgesagt. Bei den | |
| vorherigen Wahlen im Jahr 2021 beteiligten sich gerade mal 41,1 Prozent. | |
| „Sie haben keine Programme und keine Visionen“, beklagte die 28-jährige | |
| Musikerin Sally Mars gegenüber der taz [2][vor der Wahl]. Viele | |
| Wähler*innen sind ernüchtert und [3][frustriert über Korruption]. Sie | |
| sehen in den Wahlen nur einen Weg der etablierten Parteien, ihre Macht zu | |
| festigen und sich weiter die Einnahmen aus dem Ölgeschäft aufzuteilen. „Ob | |
| ich wählen gehe oder nicht, macht keinen Unterschied“, sagte der 43-Jährige | |
| Handyladenbesitzer Muntader Ali ebenfalls vor den Wahlen. „Diejenigen, die | |
| Premierminister oder Parlamentsmitglieder werden, kommen nur, um vom Volk | |
| zu stehlen.“ | |
| Bei den Wahlen gab es rund 1.800 mögliche Wahlverletzungen, berichtet das | |
| irakische Bündnis aus Netzwerken und Organisationen zur Wahlbeobachtung. | |
| Über 5.000 Wahlbeobachter*innen meldeten 500 Fälle von verbotener | |
| Wahlwerbung, 415 unklare Verfahren durch Wahlhelfer, 382 Fälle von | |
| Mobiltelefonen in Wahllokalen, 359 Fälle von verweigertem Zugang für | |
| Wahlbeobachter sowie 41 gewalttätige Vorfälle im Zusammenhang mit der Wahl | |
| und 48 nicht übereinstimmende Stimmenauszählungen. | |
| ## So sicher wie selten | |
| „Korruption gibt es überall, nicht nur im Irak“, sagte die 35-jährige | |
| Narjis der taz, nachdem sie am Dienstag aus dem Wahllokal gekommen war. | |
| „Ebenso existiert der Kampf gegen Korruption.“ Die dreifache Mutter sagt, | |
| sie sehe Fortschritt: „Es gibt neue Gesichter in der Politik, Straßen | |
| werden gebaut, Brücken errichtet.“ In ihrer Nachbarschaft hätte eine Frau | |
| eine andere Frau getötet – Die Täterin sei umgehend festgenommen, vor | |
| Gericht gestellt und inhaftiert worden. | |
| „Das zeugt von Sicherheit, Entwicklung und Fortschritt.“ Die Sorge, dass es | |
| dem Irak aufgrund der Einmischung von Ländern wie den USA oder Iran an | |
| Unabhängigkeit mangelt, sagt Narjis: „Ein Land muss positive Beziehungen | |
| pflegen, um Freunde und nicht Feinde zu gewinnen.“ Sie fühle sich im Irak | |
| so sicher, wie kaum jemals zuvor. | |
| Sudani ist eine zweite Amtszeit trotz Wahlsieg nicht sicher. Nicht nur gibt | |
| es in seiner Koalition Gegenstimmen und Gegenkandidaten. Da keine Partei im | |
| irakischen Parlament mit seinen 329 Sitzen allein eine Regierung bilden und | |
| damit einen Regierungschef ernennen kann, gehen die Parteien Allianzen mit | |
| anderen Gruppierungen ein – ein schwieriger Prozess, der oft viele Monate | |
| dauert. | |
| Im Jahr 2021 gewann der wichtige schiitische Anführer Moqtada al-Sadr die | |
| Wahl. Doch andere schiitische Parteien weigerten sich, mit ihm eine | |
| Regierung zu bilden. Sadr zog sich aus dem Parlament zurück. Dieses Jahr | |
| boykottierte er die Wahlen. | |
| 13 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julia Neumann | |
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