# taz.de -- Wagenplatz in Berlin: Erst räumen, dann verkaufen | |
> Vom ehemaligen Köpi-Wagenplatz ist nur noch wenig zu sehen. Das Vorgehen | |
> um den umstrittenen Platz wirkt wie ein Lehrstück für Spekulanten. | |
Bild: Konfliktträchtig: Polizei vor dem früheren „Köpi“-Wagenplatz in Be… | |
BERLIN taz | Es brauchte 2.000 Polizist:innen, mit Lanzen und | |
Räumpanzern ausgestattet, um am 15. Oktober vergangenen Jahres den | |
Wagenplatz der linksautonomen Köpi in Berlin [1][zu räumen]. 1990 wurde das | |
direkt an der Mauer gelegene Gebäude besetzt, das bis heute als | |
Kulturzentrum genutzt wird. Im Hof werden Filme gezeigt, es gibt Konzerte | |
und Bar-Abende für lau. Geräumt wurden die etwa 50 Bewohnenden der zur Köpi | |
zugehörigen Wagenburg, die sich dort ein alternatives Leben aufgebaut | |
hatten. Die Bewohner:innen des Hauses selbst besitzen noch für einige | |
Zeit gültige Mietverträge. | |
Es ist nicht bekannt, wie viel es gekostet hat, die Interessen des | |
Immobilienspekulanten Siegfried Nehls, dem die Köpi seit 2007 – vermittelt | |
über ein Firmengeflecht – gehört, durchzusetzen. Bekannt ist aber, dass | |
seitdem sehr wenig geschah. Nur eine Baugrube, die wohl auch noch ohne | |
gültige Baugenehmigung gegraben wurde, ist noch übrig vom Wagenplatz und | |
von den Ankündigungen des Eigentümers, auf dem Gelände Wohnungen errichten | |
zu wollen. Denn nur ein Jahr nach der Räumung auf Steuerzahlerkosten soll | |
das Köpi-Areal offenbar wieder verkauft werden. | |
Vielleicht war es ein Versehen, dass dies ein Mitarbeiter von Nehls | |
[2][gegenüber der taz ausposaunte] – obwohl der Reporter nach etwas ganz | |
anderem gefragt hatte. In jedem Fall würde ein Verkauf die schon während | |
des Räumungsprozesses von den Köpi-Bewohner:innen kommunizierte Befürchtung | |
bestätigen, dass auf die Baupläne von Nehls wenig zu geben ist. Und es ist | |
ja auch kein Geheimnis: Immobilienspekulant:innen geht es nicht um | |
langfristige Investments wie Bauprojekte. Billig und risikoreich einkaufen, | |
teuer verkaufen – so geht das Spiel. | |
Es war deshalb schon während des Räumungsprozesses absehbar, dass Nehls nie | |
vorhatte, auf dem Gelände irgendetwas zu bauen. Der Grundstückspreis in dem | |
Gebiet hat sich in den letzten zehn Jahren verzehnfacht. Die bereits zum | |
Zeitpunkt des Prozesses drei Mal verlängerte Baugenehmigung lief nur sechs | |
Wochen nach der Räumung aus. Fast bis zuletzt hielt sich Nehls sogar die | |
Option offen, das Areal an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft zu | |
verkaufen. Erst kurz vor dem Tag X ließ er alle Gespräche platzen. | |
Trotzdem spielte der Staat den Erfüllungsgehilfen einer | |
Heuschreckenmentalität, die außer kurzfristigen Gewinnen keine Werte kennt. | |
Um einige nervige Linke loszuwerden, machte er sogar für jemanden wie Nehls | |
die Drecksarbeit: Nehls, der wegen Urkundenfälschung vor Gericht stand. | |
Nehls, gegen den ermittelt wurde, weil seine Generalunternehmer in sechs | |
Berliner Bauvorhaben [3][ihre Handwerker:innen nicht bezahlten], weil | |
sie vorher pleite gingen. Nehls, dessen Firmen mehrere Millionen Euro | |
Gewerbesteuern nicht gezahlt haben sollen. | |
Sollte der Verkauf des Köpi-Areals tatsächlich gelingen, macht sich das | |
rot-grün-rot regierte Berlin zur Lachnummer. Und man muss sagen: Schon | |
wieder. Wie viele ehemalige linke Freiräume stehen leer, seit der Staat sie | |
leerprügelte? Ein Ende dieser Misere gibt es wohl erst dann, wenn der Staat | |
das Recht auf Eigentum nicht länger höher hängt als das Recht von Menschen, | |
ein Zuhause zu haben und in diesem auch bleiben zu können. | |
23 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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