# taz.de -- Wagenburg in Berlin: Besetzt, geräumt, verkauft | |
> Das Gelände des einstigen Köpi-Wagenplatzes soll verkauft werden – ein | |
> Skandal, denn dann wäre nur für einen profitablen Verkauf geräumt worden. | |
Bild: Die Polizei am Gelände des Köpi-Wagenplatzes | |
BERLIN taz | Die vier Meter hohen und teils mit Stacheldraht versehenen | |
Barrikaden, die einst die Staatsmacht vom Eindringen in den seit 1990 | |
besetzten Köpi-Wagenplatz abhielten, sichern das Gelände inzwischen vor | |
jenen, die hier einmal Zuhause waren. Ein Jahr ist es nun her, dass die | |
Polizei am 15. Oktober 2021 die etwa 50 Bewohnenden [1][mit einem | |
Großaufgebot auf die Straße setzte]. 2.000 Beamt:innen, ein Wasserwerfer | |
und ein Räumpanzer waren damals nötig, um dem linksautonomen Projekt ein | |
Ende zu bereiten. | |
Vom Wagenplatz geblieben ist nur noch ein großes Loch. Besichtigt werden | |
kann die Baugrube durch einen ebenfalls mit Stacheldraht gesicherten | |
Bauzaun, an der Stelle, wo auch die Polizei durch die Barrikaden gebrochen | |
war. Aus einem Baucontainer heraus beäugt ein Security-Mitarbeiter jede:n | |
misstrauisch, der:die sich dem Gelände nähert. Bagger oder andere | |
Baustellenwerkzeuge sind nicht zu sehen. | |
Bewacht wird hier offenbar kein Bauprojekt. Der Besitzer der Köpi, die | |
Sanus AG, hinter der der Immobilieninvestor Siegfried Nehls steht, will das | |
Gelände anscheinend verkaufen – nur ein Jahr, nachdem der Wagenplatz auf | |
Steuerzahlerkosten geräumt wurde. Die Verkaufsabsicht teilte die Sanus AG | |
auf taz-Anfrage nach der ausgelaufenen Baugenehmigung mit. „Die Hoffnung | |
ist, dass das Gelände nicht mehr lange bei uns ist“, so ein Mitarbeiter. | |
Ein potenzieller Käufer sei bereits gefunden, die Unterlagen würden derzeit | |
zusammengestellt. Auf taz-Nachfragen zu den genauen Einzelheiten des Deals | |
antwortet die Sanus AG nicht. | |
Ephraim Gothe (SPD), zuständiger Stadtrat des Bezirks Mitte, sagte der taz, | |
man wisse schon länger über die Verkaufsabsicht des Eigentümers. Konkrete | |
Informationen über einen Grundstückskauf erhalte der Bezirk aber erst nach | |
der Unterzeichnung eines Kaufvertrags. Anwohner:innen berichten der | |
taz, in letzter Zeit seien immer wieder Menschen zu beobachten gewesen, die | |
das Areal begutachten. Man vermute, dass es sich um Investor:innen | |
handle. | |
## Wird auch die Köpi selbst verkauft? | |
Doch über den Details eines möglichen Verkaufs stehen viele Fragezeichen. | |
Zum Beispiel ist unklar, ob auch das Haupthaus der Köpi verkauft werden | |
soll, deren Bewohner:innen noch bis 2037 gültige Mietverträge besitzen. | |
Auch wer der Käufer sein könnte, ist unbekannt. Sicher scheint jedoch: Um | |
eine städtische Wohnungsbaugesellschaft handelt es sich nicht. Wissen | |
müsste davon die Senatsfinanzverwaltung, die den Ankauf finanzieren würde. | |
Dem Sprecher Alexis Demos sind entsprechende Verhandlungen jedenfalls | |
„nicht bekannt“. | |
Sollte ein Verkauf gelingen, würde sich Besitzer Nehls sein Immobilienpoker | |
vergolden lassen – schließlich dürfte sich der Grundstückswert wesentlich | |
gesteigert haben, seit die widerständigen Bewohner:innen weg sind. Über | |
ein vorgeschobenes Firmengeflecht besitzen Nehls und die Sanus AG die Köpi | |
vermutlich seit 2007. Mehrmals wechselte das Areal seitdem den formalen | |
Besitzer, 2013 kam erstmals der letzte offizielle Eigentümer, die | |
[2][Briefkastenfirma Startezia GmbH], ins Spiel. Dass sich die Sanus AG | |
offen zum Besitz der Köpi bekennt, ist neu. | |
Fragen wirft auch der Umstand auf, dass die Baugenehmigung der Startezia | |
offenbar bereits seit dem 24. November 2021 erloschen ist – also nur sechs | |
Wochen nach der Räumung. Schon im Frühjahr 2021 hatte eine | |
[3][Linken-Anfrage in der Bezirksverordnetenversammlung] offengelegt, dass | |
die bereits drei Mal verlängerte Genehmigung dann final ausläuft. | |
Bezirksstadtrat Gothe bestätigte der taz, dass die Bauaufsicht die | |
Genehmigung wegen des „nicht erfolgten realen Baubeginns“ als erloschen | |
ansehe. Die Baugrube sei aber erst nach Auslaufen der Genehmigung | |
ausgehoben worden, so Anwohner:innen zur taz – auch das wäre dann | |
illegal. | |
## Offenbar eine bewusste Täuschung | |
Dabei hatten die Anwälte der Startezia im Räumungsprozess im vergangenen | |
Jahr mit Verweis auf die Baugenehmigung glaubhaft gemacht, noch 2021 mit | |
dem Bauen beginnen zu wollen. Die Köpi-Bewohner:innen befürchteten | |
[4][schon damals eine Täuschung] und prophezeiten spekulativen Leerstand, | |
doch geglaubt hatte das Gericht ihnen nicht. Es ist fraglich, ob es einen | |
Räumungstitel gegeben hätte, wäre dem Gericht klar gewesen, dass das | |
Gelände ein Jahr lang leerstehen und dann verkauft werden wird. Inwiefern | |
dieses Szenario schon damals absehbar war, sei dahingestellt. | |
Jederzeit möglich ist es für Nehls oder die Nacheigentümer:in | |
allerdings, eine neue Baugenehmigung zu beantragen. Denn die Köpi befindet | |
sich im sogenannten Sanierungsgebiet Nördliche Luisenstadt. Ein im Jahr | |
[5][2013 verabschiedetes Blockkonzept] für den Östlichen Melchiorblock | |
schreibt für das Areal des ehemaligen Wagenplatzes eine Nutzung für Wohnen | |
und Gewerbe fest – das sind nur ausgesprochen vage Vorgaben. Stadtrat Gothe | |
sagte der taz, zwar bedürfe ein Grundstücksverkauf in einem | |
Sanierungsgebiet grundsätzlich einer Genehmigung. Doch Baupläne, die dem | |
Blockkonzept entsprechen, könnte der Bezirk kaum ablehnen. | |
Nicht abgeschrieben werden sollte dagegen der Widerstand der | |
Köpi-Bewohner:innen. „Wir sind immer noch hier und immer noch wütend!“, | |
verkünden sie in einer Mitteilung. Auch für den neuen Besitzer des | |
Köpi-Areals dürfte also gelten, was schon seit 1990 gilt: Die Köpi bleibt | |
Risikokapital. | |
21 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Raeumung-des-Koepi-Wagenplatzes-in-Berlin/!5808168 | |
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## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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