# taz.de -- WHO in der Kritik: Zu langsam, zu chinafreundlich | |
> Kritik am Krisenmanagment: Eine Petition fordert den Rücktritt von | |
> WHO-Direktor Ghebreyesus, wegen seines laxen Umgangs mit China. | |
Bild: Wuhan, am 6. März: Gemeindemitarbeiter desinfizieren eine Wohnanlage | |
Am Mittwoch stufte WHO-Direktor Ghebreyesus in Genf den Corona-Virus „wegen | |
seiner schnellen weltweiten Ausbreitung in den letzten zwei Wochen auf | |
inzwischen 115 der 194 WHO-Mitgliedsstaaten“ [1][als Pandemie ein]. | |
Wenige Minuten nach dieser Erklärung verkündete in New York der chinesische | |
UNO-Botschafter Zhong Jun in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des | |
Sicherheitsrates im Monat März, sein Land mache „enormen Fortschritt bei | |
der Eindämmung des Virus“, und das Leben in China kehre „Schritt für | |
Schritt wieder zur Normalität zurück“. | |
Der große Kontrast zwischen den beiden Auftritten beleuchtet | |
schlaglichtartig das zentrale Dilemma, in dem sich die WHO beim Auftreten | |
internationaler Gesundheitskrisen immer wieder befindet: die Organisation | |
ist in ihrer Reaktions-und Handlungsfähigkeit völlig abhängig von | |
verlässlichen und zeitnahen Informationen der 194 Mitgliedsstaaten. | |
Doch diese Voraussetzung hat ausgerechnet das Land mit den – bislang – mit | |
großem Abstand meisten Infektions- und Todesfällen nicht erfüllt: China. | |
## Lobende Worte für China | |
Bereits im November 2019 traten in der chinesischen Stadt Wuhan Fälle einer | |
bis dahin unbekannten Lungenerkrankung auf. Doch erst am 31. Dezember | |
meldete Peking diese Fälle an die WHO. Vor diesem Datum aber auch seitdem | |
wurden chinesische Ärzte und Gesundheitsexpert*innen, die frühzeitig vor | |
dem Virus gewarnt und die Vertuschungsmanöver der eigenen Regierung | |
kritisiert hatten, mundtot gemacht. | |
Dennoch fand der WHO-Generaldirektor bei seiner ersten Pressekonferenz zum | |
Thema am 23.1., nach seinem Pekinger Treffen am 28.1. mit dem chinesischen | |
Staatschef Xi Jinping und auch bei allen weiteren öffentlichen Erklärungen | |
bis Anfang März stets nur lobende Worte für die Maßnahmen der chinesischen | |
Führung zur Bekämpfung des Corona-Virus. | |
Und dies trotz WHO-interner Kritik. Unter anderen hatte der australische | |
Professor John Mac Kenzie, Mitglied des Expertengremiums, das den | |
WHO-Direktor in Sachen Corona-Virus berät, öffentlich die [2][fragwürdige | |
Informationspolitik und Vertuschungsmanöver der chinesischen Führung] | |
gerügt. | |
Auf Nachfragen zu Mac Kenzies Äußerungen erklärte Ghebreyesus auf seiner | |
Pressekonferenz am Mittwoch: „Ich kann nicht sagen. ob China der WHO | |
Informationen vorenthalten hat oder nicht.“ | |
## Unterschiedliche Erfassungen | |
Für die WHO kommt erschwerend hinzu, dass die Verfahren zum Testen sowie | |
zur Einstufung und statistischen Erfassung von Infizierten und Erkrankten | |
in den 194 Mitgliedsländern sehr unterschiedlich sind. | |
Zudem haben Mitte Februar nicht nur China, sondern zuvor auch Italien und | |
andere Länder ihre Zählweisen geändert. Außerdem operieren Iran und andere | |
Länder gegenüber der eigenen Bevölkerungen und in ihren Berichten an die | |
WHO mit unterschiedlichen Zahlen und Informationen. | |
Der Umgang mit der Corona-Krise und das Verhalten der WHO spielen | |
inzwischen zunehmend eine Rolle im Konflikt zwischen China und Taiwan. | |
Eine bereits am 31. Januar über die Webseite [3][change.org lancierte | |
Petition], die bis Donnerstag von fast einer halben Million Menschen | |
unterschrieben wurde, fordert den WHO-Direktor zum „sofortigen Rücktritt“ | |
auf, weil er durch eine falsche Informationspolitik und eine gegenüber | |
Peking zu gutgläubige Haltung eine rechtzeitige Reaktion der WHO | |
verschleppt habe und damit für den Tod vieler Menschen verantwortlich sei. | |
## Streit zwischen China und Taiwan | |
Initiiert wurde die Petition von einem vorgeblich in Kanada lebenden | |
Taiwanesen, der im Internet unter dem Namen Osuka Yip auftritt. Die | |
Petition kritisiert zudem, dass Taiwan im Jahr 2016 auf Druck Pekings | |
seinen Beobachter-Status bei der WHO verloren hat. | |
Die taiwanesische Zeitung [4][„Taiwan News“ verbreitete], Chinas Botschaft | |
in Genf habe bei mehreren von der WHO einberufenen Treffen der | |
Mitgliedstaaten im Januar und Februar andere vom Corona-Virus betroffene | |
Länder dazu gedrängt, keine Erklärung zur Ausrufung eines „internationalen | |
Gesundheitsnotstandes“ zu unterstützen. | |
Ende Januar lud die taiwanesische Vertretung in Genf zehn Journalist*innen | |
aus Europa und den USA – darunter den Autor dieses Artikels – zu einer | |
kurzfristig anberaumten Reise nach Taiwan ein, um „zu demonstrieren, wie | |
die Regierung in Taipeh die Herausforderung durch das Corona-Virus | |
bewältigt“. | |
12 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.jungewelt.de/artikel/374599.who-ausbruch-des-neuen-coronavirus-… | |
[2] https://www.wsj.com/articles/the-world-health-organization-draws-flak-for-c… | |
[3] https://www.change.org/p/united-nations-call-for-the-resignation-of-tedros-… | |
[4] https://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2020/02/07/2003730513 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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