| # taz.de -- Vor dem Finale der Frauenfußball-WM: Wenn nur diese Lücke nicht w… | |
| > Ja, es gab schnelle, fesselnde Spiele. Ja, es war die beste WM aller | |
| > Zeiten. Aber der Abstand von wenigen guten Teams zum Rest ist größer | |
| > geworden | |
| Bild: Niederländische Spielerinnen trainieren vor dem Finale am Sonntag | |
| LYON taz | Phil Neville hat es auch gesagt, nach dem Spiel seiner | |
| Engländerinnen gegen die USA. „Das hier ist die beste WM aller Zeiten“, | |
| aufs Spielerische bezogen, meinte er das. Jenseits der Fifa, die solcherlei | |
| sowieso immer verkündet, hört man diesen Gedanken durchaus auch bei | |
| unabhängigen Geistern, und nach dem Spiel ließ sich Nevilles Euphorie | |
| nachvollziehen. Denn wann war der Frauenfußball je so schnell wie diesmal, | |
| je so athletisch und kombinationsstark, waren Partien so spektakulär? | |
| England gegen USA, Frankreich gegen USA, Spanien gegen USA, das sind diese | |
| Spiele, von denen dann die Rede ist. | |
| Vielleicht noch Frankreich gegen Brasilien, obwohl nicht ganz auf | |
| demselben Level. Im zweiten Halbfinale fand am Mittwoch Niederlande gegen | |
| Schweden statt. Es war ein grausiger Kick, auch das ein Halbfinale dieser | |
| WM, voller individueller Fehler und langsamem Quergeschiebe, beinahe jede | |
| gute Aktion ein Zufallsprodukt. Eines der beiden Teams, die Niederlande, | |
| stehen morgen im Finale den USA gegenüber. Und unweigerlich fällt bei dem | |
| Gedanken an das Finale auf, wie groß in Wahrheit noch die Lücken bei dieser | |
| WM sind. Und wie punktuell der Fortschritt. | |
| Denn es ist richtig, [1][es gibt eine rasante Entwicklung]. Die attraktiven | |
| Spiele, [2][nicht grundlos alle mit US-Beteiligung], waren stärker und | |
| schneller als die meisten Partien im Klubfußball, und sie hatten | |
| Gegnerinnen auf Augenhöhe. Aber es waren auch: Einzel-Ereignisse. | |
| Vorgetragen von den neuen europäischen Kräften, die jetzt auch spielerisch | |
| den USA etwas entgegensetzen können, namentlich England und Spanien. | |
| Natürlich diese beiden. | |
| Es sind die Länder, wo der Aufbruch Wurzeln geschlagen hat. In England gibt | |
| es derzeit die einzige Vollprofiliga der Welt neben den USA, die FA | |
| investiert mit ihrem Masterplan 2020 in die Zukunft. In Spanien haben die | |
| Klubs, angeführt von Barcelona und Atlético, eine Eigendynamik entwickelt, | |
| und man mag glauben, das ist erst der Anfang. | |
| Spanien, bis vor ein paar Jahren ein Fußball-Entwicklungsland, wird als | |
| Mitfavoritin ins nächste Turnier gehen – das ist die wahre | |
| Erfolgsgeschichte bei dieser WM, nicht die erst ganz am Anfang befindlichen | |
| Italienerinnen, nicht die glücklich mauernden Schwedinnen. Und es sind, mit | |
| Frankreich, dreieinhalb Teams, die die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten | |
| rechtfertigen. | |
| Ihre Partien gegeneinander aber waren weit weg vom Niveau der Rest-WM. | |
| Dafür war nämlich eher Niederlande gegen Schweden repräsentativ. | |
| Schleppendes Tempo, kaum sehenswerte Kombinationen, fehlende Chancen aus | |
| dem Spiel heraus. Es täuscht sich, wer diese WM nur an England – USA misst. | |
| Es herrscht eine riesige Lücke zwischen drei, vier voranschreitenden | |
| Nationen und dem Rest. Im anderen Turnierbaum, dem der Deutschen, | |
| Niederländerinnen, Schwedinnen, gab es außer Niederlande – Japan keine | |
| hochklassige Partie. Auch, weil die meisten Nationen weiterhin massive | |
| Probleme beim Spielaufbau haben. [3][Die Deutschen zeigten das | |
| exemplarisch], aber beileibe nicht allein. | |
| Die Niederländerinnen werden gegen die USA vermutlich gut aussehen, wie | |
| fast jedes offensive Team gegen die USA gut aussieht, denn da sind sie der | |
| Spielverantwortung entbunden und können flinke Gegenstöße durchziehen, | |
| haben auch mehr Räume als gegen Schweden. Nach dem Finale wird man wohl | |
| sagen: Wow, Holland hat sich gut verkauft. Und es wird nicht gesprochen | |
| werden über die Defizite. | |
| ## Erfolge durch Robustheit | |
| Dabei gab es vor diesem Finale natürlich auch andere Erfolgsgeschichten. | |
| Südamerika hat sich dank knochenharter Defensivarbeit auf die Landkarte | |
| gespielt, wenngleich letztlich niemand außer Brasilien ins Achtelfinale | |
| kam. Afrika brachte mit reichlich Glück erstmals zwei Teams über die | |
| Vorrunde hinaus. Aber es waren jeweils vor allem Erfolge durch Robustheit. | |
| Die Klassengesellschaft zwischen wenigen voranpreschenden Europäerinnen und | |
| dem Rest hat sich eher verfestigt. Die Lücke könnte in den nächsten Jahren | |
| noch größer werden; erst wenn sie groß genug ist, dürfte sie neues | |
| Investment provozieren. | |
| Es wird auch kaum gesprochen über den Niedergang der asiatischen Mächte | |
| China und Japan und den generell schwachen Auftritt Asiens, über die | |
| spielerische Stagnation Rest-Europas, über den immer noch großen Rückstand | |
| der Afrikanerinnen. Denn die Lücke nach oben hin setzt sich nach unten | |
| fort. Im Grunde gab es bei diesem Turnier nur ein einziges Spiel, bei dem | |
| sich eine Außenseiterin gegen die Favoritin durchsetzte: Das war Schweden | |
| gegen Deutschland. | |
| Ja, er wäre arm geworden, wer sein WM-Geld auf Außenseiterinnen gesetzt | |
| hätte. Sie hatten zumeist nicht den Hauch einer Chance. Dass die | |
| Amerikanerinnen wohl Weltmeisterinnen werden, ahnte man eigentlich schon | |
| mit Anpfiff des Turniers. All das muss niemanden davon abhalten, die | |
| Entwicklungen zu loben. | |
| 5 Jul 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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