| # taz.de -- Urteil zur Wochenzeitung „Kontext“: „Kontext“ darf wieder b… | |
| > Ein AfD-Mitarbeiter hatte sich rassistisch geäußert. Weil er dies | |
| > bestritt, musste„Kontext“ zwei Artikel zurückziehen. In der Berufung | |
| > hatte „Kontext“ nun Erfolg. | |
| Bild: Kontext will die Artikel über Grauf nun alsbald wieder freigeben | |
| Karlsruhe taz | Das Stuttgarter Magazin Kontext darf wieder über die | |
| rassistischen und nazistischen Chat-Aussagen des | |
| AfD-Abgeordnetenmitarbeiters Marcel Grauf berichten. Das entschied jetzt | |
| das Oberlandesgericht Karlsruhe als Berufungsinstanz im Eilverfahren. Grauf | |
| arbeitet für die baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Heiner | |
| Merz und Christina Baum. Kontext erscheint online und als Beilage der taz. | |
| Im Mai 2018 [1][hatte Kontext unter dem Titel „Sieg Heil mit Smiley“ über | |
| die Chatprotokolle von Grauf berichtet.] Zitiert wurden Aussagen wie: | |
| „Nigger, Sandneger. lch hasse sie alle“, „lch würde niemanden verurteile… | |
| der ein bewohntes Asylantenheim anzündet“ oder „lch wünsche mir so sehr | |
| einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Hauptsache | |
| es geht los.“ | |
| Zuvor hatte sich bei Kontext ein Informant gemeldet, der Redakteurin Anna | |
| Hunger in einem Stuttgarter Café einen USB-Stick übergab. Darauf enthalten | |
| war der gesamte Inhalt des Accounts, den Grauf unter dem Alias-Namen | |
| „Dagobert Montagne“ bei Facebook führte: Chats mit 131 Personen aus den | |
| Jahren 2013 bis 2017. Ausgedruckt ergab dies rund 17 000 Blatt, gesammelt | |
| in zehn Leitz-Ordnern. Kontext prüfte die Daten wochenlang auf | |
| Plausibilität und entschloss sich dann, an die Öffentlichkeit zu gehen. | |
| Immerhin bestritt die AfD, dass in den Parlamentsfraktionen aktuelle und | |
| ehemalige Nazis beschäftigt werden. | |
| Grauf behauptete allerdings in drei eidesstattlichen Versicherungen, er | |
| habe die von Kontext veröffentlichten Aussagen nicht gemacht. Die | |
| gespeicherten html-Dateien seien offensichtlich manipuliert worden. Er | |
| stehe fest auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung. | |
| ## Beweismittel vernichtet | |
| [2][Beim Landgericht Mannheim erreichte er im August 2018 eine einstweilige | |
| Verfügung,] dass Kontext seinen Namen nicht mehr im Zusammenhang mit diesen | |
| Chatprotokollen nennen dürfe. Weil man sich über die Glaubwürdigkeit des | |
| Informanten kein Bild machen könne, waren die Richter nicht davon | |
| überzeugt, dass die Chatprotokolle unverändert an Kontext weitergegeben | |
| wurden. Möglicherweise habe der Informant eine „Neigung zur | |
| Leichtfertigkeit im Dienst einer ‚guten Sache‘“. | |
| Seither sind die Kontext-Artikel offline. Doch das Magazin ging in Berufung | |
| und beauftragte die Gerichts-Linguistin Eilike Fobbe mit einem Gutachten. | |
| Sie kam zum Schluss, dass Grauf mit „sehr großer Wahrscheinlichkeit“ auch | |
| Autor der umstrittenen Passagen war. | |
| Beim OLG Karlsruhe ging es nun vor allem um die Frage, ob Kontext die | |
| eidesstattliche Versicherung Graufs entkräften kann. So argumentierte | |
| Kontext-Anwalt Markus Köhler, dass Grauf unglaubwürdig sei. Denn er habe | |
| eidesstattlich versichert, nie NPD-Mitglied gewesen zu sein. Aus zwei Chats | |
| gehe aber hervor, dass er wohl doch für zwei bis drei Jahre Mitglied war. | |
| Gegen Grauf spreche auch, dass er nach der Kontext-Veröffentlichung das | |
| Facebook-Profil gelöscht hatte und damit Beweismittel vernichtete, so | |
| Anwalt Köhler. Grauf entgegnete vor Gericht, er habe so verhindern wollen, | |
| dass weitere Zugriffe auf sein Facebook-Profil möglich sind. An | |
| gerichtliche Auseinandersetzungen habe er damals noch nicht gedacht. | |
| ## Volle Namensnennung erlaubt | |
| Das OLG entschied nun zugunsten von Kontext. „Eine Fälschung mag zwar | |
| technisch möglich sein, wir halten die Wahrscheinlichkeit einer | |
| Manipulation aber für sehr gering“, sagte der Vorsitzende Richter Andreas | |
| Voß. Der Senat halte es daher für „überwiegend wahrscheinlich“, dass Gra… | |
| die „menschenverachtenden, rassistischen und demokratiefeindlichen“ | |
| Aussagen selbst gemacht habe und dass er auch NPD-Mitglied war. In der | |
| Abwägung der Rechtsgüter überwiege deshalb die Pressefreiheit das | |
| Persönlichkeitsrecht Graufs. Die politischen Einstellungen von | |
| AfD-Mitarbeitern beträfen eine „die Öffentlichkeit wesentlich berührende | |
| Frage“. | |
| Gegen Kontext sprach nicht, dass die Chatprotokolle auch private | |
| Unterhaltungen Graufs mit seiner damaligen Lebensgefährtin enthielten. Die | |
| von der Zeitung zitierten Äußerungen gehörten nicht zur Privat-, sondern | |
| zur Sozialsphäre Graufs, so Richter Voß. Kontext musste sich auch nicht | |
| entgegenhalten lassen, dass die Chatprotokolle vermutlich rechtswidrig | |
| beschafft wurden. Denn es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Journalisten | |
| das Facebook-Konto Graufs selbst gehackt hatten. | |
| Kontext will die Artikel über Grauf nun alsbald wieder freigeben. Das OLG | |
| erlaubte sogar die volle Namensnennung, „denn sonst wäre auch eine Vielzahl | |
| anderer AfD-Mitarbeiter in Verdacht geraten“, erläuterte Richter Voß. | |
| Das Eilverfahren ist damit zu Ende. Grauf kann theoretisch zwar noch ein | |
| Hauptsacheverfahren beginnen. Vermutlich wird er aber darauf verzichten, | |
| denn am Ende würde erneut das OLG Karlsruhe entscheiden. Zur | |
| Urteilsverkündung war Grauf gar nicht mehr erschienen. | |
| 13 Feb 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/371/sieg-heil-mit-smiley-5077.h… | |
| [2] /Kolumne-Flimmern-und-Rauschen/!5525042 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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