| # taz.de -- Urteil zum inhaftierten Kurdenpolitiker: Türkei soll Demirtaş fre… | |
| > Die U-Haft des HDP-Politikers Selahattin Demirtaş in der Türkei ist | |
| > rechtswidrig. Doch Erdoğan denkt gar nicht daran, das EGMR-Urteil | |
| > umzusetzen. | |
| Bild: Der erfolgreichste Politiker der Kurden in der Türkei: Selahattin Demirt… | |
| Istanbul taz | In einem aufsehenerregenden Urteil hat der Europäische | |
| Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag von der Türkei die | |
| Entlassung des kurdischen Politikers [1][Selahattin Demirtaş aus dem | |
| Gefängnis gefordert]. Die seit über zwei Jahren andauernde | |
| Untersuchungshaft sei ein „unrechtmäßiger Eingriff in die Rechte des | |
| Oppositionspolitikers, gewählt zu werden und sein Mandat auszuüben“. | |
| Die wiederkehrende stereotype richterliche Begründung für die Verlängerung | |
| der U-Haft diene dem Ziel, „den Pluralismus in der Türkei zu ersticken und | |
| die Freiheit der politischen Debatte zu begrenzen“. Das Urteil ist noch | |
| nicht rechtskräftig, beide Seiten können dagegen innerhalb von drei Monaten | |
| Berufung einlegen. | |
| ## Der Kontext | |
| Selahattin Demirtaş, 45, ist der prominenteste und [2][erfolgreichste | |
| politische Führer der Kurden in der Türkei]. Weil er es schaffte, die | |
| kurdische HDP auch bei türkischen Linken und Liberalen populär zu machen, | |
| gelang es der HDP, erstmals die 10-Prozent-Hürde für das Parlament zu | |
| überspringen. Die Partei erreichte im Juni 2015 13,5 Prozent, was die AKP | |
| von Präsident Erdoğan bis zu den Neuwahlen im November desselben Jahres die | |
| absolute Mehrheit im Parlament kostete. | |
| Erdoğan setzte daraufhin die „Friedensgespräche“ mit der kurdischen | |
| Guerilla PKK aus und versuchte, Demirtaş und die HDP wieder in die | |
| terroristische Ecke zu drängen. Nach dem Putschversuch im Juli und dem | |
| daraufhin verhängten Ausnahmezustand wurden Demirtaş und andere | |
| HDP-Parlamentarier im November 2016 verhaftet. Wegen Unterstützung und | |
| Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung fordert die | |
| Staatsanwaltschaft 142 Jahre Haft. | |
| Obwohl die HDP auch bei den letzten Parlamentswahlen im Juni 2018 wieder | |
| den Sprung ins Parlament schaffte, ist sie durch die Verhaftung ihrer | |
| führenden Köpfe stark geschwächt und politisch kaum noch handlungsfähig. | |
| Jetzt hat der europäische Menschenrechtsgerichtshof quasi bestätigt, dass | |
| es der türkischen Regierung auch genau darum geht. | |
| ## Die Reaktionen | |
| Während die HDP-Fraktion in Jubel ausbrach, machte der türkische Präsident | |
| Recep Tayyip Erdoğan deutlich, dass er gar nicht dran denkt, den | |
| Urteilsspruch umzusetzen. Das Urteil sei für die Türkei „nicht bindend“, | |
| erklärte er gegenüber der staatlichen Presseagentur Anadolu. „Wir werden | |
| darauf reagieren und einen Schlusspunkt hinter die Angelegenheit setzen“, | |
| sagte er weiter. Ob damit gemeint ist, gegen das Urteil Berufung einzulegen | |
| oder ob Erdoğan die Mitgliedschaft der Türkei im Europarat gleich ganz | |
| beenden will, blieb erst einmal offen. | |
| ## Die Konsequenz | |
| Eigentlich müsste die Europäische Union die Weigerung der Türkei, das | |
| Straßburger Urteil umzusetzen, angemessen sanktionieren. Ob die EU sich | |
| dazu aufrafft wird man bereits am Donnerstag sehen können, wenn | |
| EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes | |
| Hahn zu einem lange geplanten Besuch in Ankara eintreffen. | |
| 20 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Urteil-zum-inhaftierten-Kurdenpolitiker/!5551883 | |
| [2] /Praesidentschaftswahl-in-der-Tuerkei/!5509039 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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