# taz.de -- Interview mit kurdischem Künstler: „Die Freiheit der Kunst verte… | |
> Aus Sorge um Konflikte hat die Stadt Linz am Rhein den Künstler Ali | |
> Zülfikar gebeten, sein kritisches Erdoğan-Portrait nicht auszustellen. | |
> Nun hängt es doch. | |
Bild: „In meinem Kunstwerk habe ich nur die Realität abgebildet“, sagt Ali… | |
taz.gazete: Sie sind Künstler, Kurde aus der Türkei und leben seit 2001 in | |
Köln. Ihr Bild „Erdo Bananenrepublik“, das den türkischen Staatspräsiden… | |
zeigt, wurde kurzzeitig zensiert, weil die türkische Generalkonsulin Sibel | |
Müderrisoğlu in Mainz das Bild als ehrverletzend für den Präsidenten und | |
die Türkei bewertet. Die Besucher*innen der Vernissage protestierten | |
dagegen. Hat die Kunstfreiheit gewonnen? | |
Ali Zülfikar: Ja, das hat sie. Ich habe von Anfang an gegen die | |
Entscheidung des Bürgermeisters von Linz am Rhein protestiert. Nachdem die | |
türkische Generalkonsulin ihre Einwände beim Bürgermeister im Vorfeld der | |
Ausstellung vorgetragen hatte, hing das Bild zur Ausstellungseröffnung am | |
vergangenen Sonntag umgedreht an der Wand. Ich habe das Bild mit einem | |
Plakat versehen, auf dem stand: „Zensiert von der Stadt Linz“. Zuvor hatte | |
die Kuratorin der Ausstellung keine Einwände gegen das Bild gehabt. Auf der | |
Vernissage gab es dann Proteste der Besucher*innen und Kunstkritiker*innen, | |
sie wollten das Bild sehen, um zu erfahren, warum das Bild zur Eröffnung | |
nicht gezeigt wurde. Es gab keine Anzeige gegen das Bild, nichts, was im | |
Vorfeld der Ausstellung das Abhängen des Bildes gerechtfertigt hätte. | |
Ihr Werk zeigt Erdoğan mit Sonnenbrille, in der sich ein weinendes Kind und | |
der inhaftierte HDP-Politiker Selahattin Demirtaş spiegeln. In der Hand | |
hält Erdoğan ein Buch mit einem blutigen Fingerabdruck. Unten rechts | |
befindet sich ein Stempelabdruck mit der Inschrift „Erdo-Bananen Republik“. | |
Was soll Ihr Bild aussagen? | |
Das ist ein Porträt des Staatspräsidenten, der eine Sonnenbrille trägt. Das | |
tut er ja oft. Auf der einen Seite spiegelt sich das weinende Kind, das den | |
Krieg symbolisieren soll, auf dem anderen Brillenglas eben der inhaftierte | |
Demirtaş. In der Hand hält er ein heiliges Buch, wobei ich sehr darauf | |
achte, dass es nicht als ein Koran wahrgenommen wird, es trägt keine | |
Inschrift. Obwohl der Staatspräsident auf vielen politischen | |
Veranstaltungen mit dem Koran in der Hand für seine Politik geworben hat. | |
In meinem Kunstwerk habe ich nur die Realität abgebildet, es ist keine | |
Ehrverletzung seiner Person, wie mir vorgeworfen wird. Besser noch. Ich | |
habe die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit in diesem Bild dokumentiert | |
und will daran erinnern, dass Tausende von Menschen umgekommen sind, wie in | |
Afrin und anderswo. Das symbolisiert der blutige Fingerabdruck. Und | |
Bananenrepublik deshalb, weil er einen Staat formt, der nach seinen Regeln | |
spielt, es ist kein Rechtsstaat mehr. | |
Was glauben Sie, wie haben die Mitarbeiter des türkischen Generalkonsulats | |
von dem Bild erfahren? | |
Eine türkischsprachige Nachrichtenplattform hat vorab über die Ausstellung | |
und das Bild berichtet. Ich vermute, dass das türkische Konsulat sich auf | |
diesem Wege über die Ausstellung informiert hat. | |
Vor kurzem wurde das Konzert der Musikgruppe Feine Sahne Fischfilet in der | |
Stiftung Bauhaus Dessau aus Angst vor rechten Demonstrationen abgesagt. Nun | |
wird Ihr Bild einfach in der Ausstellung umgedreht. Ist die Kunstfreiheit | |
auch in Deutschland in Gefahr? | |
Ich sehe die Gefahr. Erdoğan kann anprangern, was er will, und kann hier | |
protestieren lassen, aber Kunstfreiheit, Pressefreiheit und | |
Meinungsfreiheit müssen wir verteidigen. Ich bin ein kritischer Mensch, und | |
als Künstler trage ich eine Verantwortung. Und weil meine Künstlerfreunde | |
das ebenfalls so sahen, haben sie sich mit mir auf der Vernissage | |
solidarisiert. Darum geht es doch letztendlich, dass wir die Freiheit der | |
Kunst verteidigen. | |
Ihre Ausstellung endet am 18. November. Wird es Ihrer Meinung nach zu | |
Protesten zwischen Erdoğan-Anhängern und Gegnern kommen, so wie die Stadt | |
anfangs argumentiert hat? | |
Ich denke nicht, dass es noch zu Protesten kommen wird. Das Auswärtige Amt | |
hat dem Bürgermeister der Stadt Linz am Rhein geraten, das Bild wieder zu | |
zeigen. Im Vorfeld hat sich der Bürgermeister Hans Georg Faust nicht gerade | |
mit Ruhm bekleckert, (Der CDU-Politiker Faust hatte im Vorfeld den Künstler | |
gebeten, das Werk nicht zu zeigen, Anm.d.Red.), aber er hat sich bei mir | |
entschuldigt. Das finde ich bemerkenswert und habe mich bei ihm bedankt. | |
8 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Ebru Tasdemir | |
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