# taz.de -- Untersuchung von Psychotherapien: Erwartungen oft zu hoch | |
> Jede dritte befragte Person ist unzufrieden mit dem Ergebnis einer | |
> psychotherapeutischen Behandlung. Das sagt ein Bericht der Barmer. | |
Bild: Ort der Hoffnung für PatientInnen | |
Jeder dritte Patient oder Patientin in einer Psychotherapie ist mit dem | |
Ergebnis der Behandlung nicht oder nur in Teilen zufrieden. Dies ergab eine | |
Versichertenbefragung der Barmer Krankenkasse, die am Donnerstag in Berlin | |
vorgestellt wurde. „Patienten haben möglicherweise eine unrealistische | |
Erwartungshaltung“ sagte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Kasse. | |
TherapeutInnen sollten daher mit den PatientInnen zu Beginn der Behandlung | |
klar formulieren, was sie sich von einer Therapie erhoffen könnten, so | |
Straub. „Viele Patientinnen und Patienten wünschen sich eine konkrete | |
Lösung für ihre Probleme. Eine Psychotherapie deckt aber eher | |
Verhaltensmuster auf und gibt Denkanstöße zum eigenen Handeln.“ | |
Die Krankenkasse beschäftigte sich im [1][Barmer Arztreport 2020] mit der | |
Versorgung durch PsychotherapeutInnen nach der Einführung einer | |
niedrigschwelligen Pflichtsprechstunde im April 2017. Ergebnis: Es gibt | |
nach wie vor Wartezeiten auf einen Therapieplatz, jede dritte hilfesuchende | |
Person warte mindestens einen Monat auf eine Behandlung, sagte Straub. | |
In der sozialen Zusammensetzung der Gruppen, die Zugang zur Psychotherapie | |
haben, habe es durch die Einführung der Sprechstunde „keine Veränderung | |
gegeben“, berichtete der Göttinger Gesundheitsforscher Joachim Szecsenyi. | |
## Universitätsstädte mit hoher „Therapeutendichte“ | |
Es sind vor allem die besser Gebildeten, eher Menschen in Städten und mehr | |
Frauen, die eine Psychotherapie machen. Menschen mit „niedrigerem | |
ökonomischen Status“ nehmen psychotherapeutische Leistungen seltener in | |
Anspruch, so Szecsenyi. Schwerer Erkrankte, darunter PsychotikerInnen, | |
findet man zwar häufiger in Kliniken, aber nach wie vor seltener in | |
psychotherapeutischen Praxen, zeigt der Report. | |
In Universitätsstädten wie Heidelberg und Freiburg ist die | |
„Therapeutendichte“ je Einwohner relativ hoch. Auch das führt dort zu hohen | |
PatientInnenzahlen. | |
Interessanterweise steigt die Inanspruchnahme einer Psychotherapie mit dem | |
Bildungsgrad, nimmt aber dann bei AkademikerInnen mit Doktortiteln, | |
darunter vielen ÄrztInnen, wieder ab – was die Frage aufwirft, warum das | |
Vertrauen in eine Psychotherapie unter ÄrztInnen womöglich geringer | |
ausgeprägt ist als in anderen bürgerlichen Gruppen. | |
## Mehr Verhaltenstherapien | |
Die Zahl der PsychotherapeutInnen ist gestiegen, auch in den neuen | |
Bundesländern und in ländlichen Regionen, wo das Versorgungsniveau aber | |
immer noch niedrig ist. Im Jahre 2018 gab es mehr als 36.500 Ärzte und | |
Therapeuten mit einer psychotherapeutischen Qualifikation. 3,22 Millionen | |
Personen suchten 2018 einen Therapeuten auf. | |
Die psychoanalytischen und tiefenpsychologischen Verfahren machen dabei | |
nicht mal mehr ein Drittel der Behandlungen aus. Heute gebe es „deutlich | |
mehr Verhaltenstherapien“, so Straub. Auch um die Zahl der Therapieplätze | |
zu erhöhen, will die Barmer, dass die BehandlerInnen mehr Gruppentherapien | |
anbieten. Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der | |
PsychotherapeutenVereinigung ([2][DPtV),] begrüßte dies und sagte: „Diese | |
Therapieform wird bislang noch wenig eingesetzt. Dabei hat sie für | |
bestimmte Erkrankungen Vorteile, etwa bei Störungen des | |
zwischenmenschlichen Beziehungsverhaltens.“ | |
8 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.barmer.de/presse/infothek/studien-und-reports/arztreporte | |
[2] https://www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de/der-verband/ | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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