# taz.de -- Unruhen in Kongo-Brazzaville: Eine Krise, die es offiziell nicht gi… | |
> Zehntausende Menschen sind vor der brutalen Niederschlagung eines | |
> Milizenaufstands auf der Flucht. Die Regierung will davon nichts wissen. | |
Bild: Das Land wird schon seit Jahren von Aufständen erschüttert (Archivbild … | |
BRÜSSEL taz | Wenige Wochen vor den Parlamentswahlen in der Republik Kongo | |
(Kongo-Brazzaville) am 16. Juli wird das ölreiche zentralafrikanische Land | |
erneut ein Hort von Unsicherheit. Unruhen in Oppositionshochburgen, die es | |
seit der [1][umstrittenen Wiederwahl] des seit 1979 mit kurzer | |
Unterbrechung regierenden Präsidenten Denis Sassou-Nguesso im März 2016 | |
gibt, weiten sich zum Bürgerkrieg aus. Nach UN-Angaben sind in der Region | |
Pool westlich der Hauptstadt Brazzaville sowie in der Hauptstadt selbst | |
mittlerweile 80.000 Menschen auf der Flucht. | |
Das Leben in Brazzaville sei die Hölle geworden, gestand kürzlich Kongos | |
Botschafter in Brüssel, Roger-Julien Menga. Benzin und Brennstoffe würden | |
rar, obwohl Kongo-Brazzaville Öl fördert. Die gesunkenen Ölpreise hätten | |
den Staatshaushalt 2017 um 27 Prozent im Vergleich zu 2016 schrumpfen | |
lassen. Gehälter im Staatsdienst würden verspätet gezahlt, die Inflation | |
liege bei 30 Prozent. | |
Die verschlechterte Wirtschaftslage liegt nicht nur am gesunkenen Ölpreis, | |
sondern an den bewaffneten Auseinandersetzungen in der Region Pool, die | |
zwischen der Hauptstadt Brazzaville und dem Ölhafen Pointe-Noire liegt. | |
Über die Eisenbahnlinie zwischen Pointe-Noire und Brazzaville kommen alle | |
wichtigen Import- und Ölprodukte in die Hauptstadt. Sie ist aber ein | |
Lieblingsziel für Sabotageakte der oppositionellen „Ninja“-Milizen, die | |
gegen das Sassou-Regime in Brazzaville kämpfen – ein Erbe der Bürgerkriege | |
der 1990er-Jahre. | |
Der historische Rebellenführer der Region, Frédéric Bintsamou, besser | |
bekannt als „Prediger Ntumi“, wird von Regierungsseite als verrückter | |
selbst ernannter Prediger dargestellt, aber seine Anhänger verehren ihn als | |
Verteidiger des Bakongo-Volkes im Süden von Kongo-Brazzaville gegen eine | |
brutale Staatsmacht. Ntumi, der 2007 Frieden mit der Regierung schloss, | |
seine 5.000 Kämpfer entwaffnete und in die Regierung eintrat, griff 2016 | |
erneut zu den Waffen. Seit Herbst 2016 kommt es wieder zu regelmäßigen | |
Scharmützeln. | |
## Lebensmittel und Benzin werden knapp | |
Nun wird in Brazzaville sogar der Zucker knapp, während in der Unruheregion | |
Pool, eigentlich der Lebensmittelversorger des ganzen Landes, aufgrund der | |
Kämpfe Hunger um sich greift. Für Importgüter müssen Brazzavilles Händler | |
auf das benachbarte riesige Kinshasa umsteigen, Hauptstadt der | |
Demokratischen Republik Kongo. Aber dort ist die wirtschaftliche und | |
politische Lage ebenfalls zunehmend angespannt. | |
Die Regierung Sassou reagiert auf die Aufstände brutal. Im April warf die | |
Menschenrechtsorganisation FIDH (Fédération internationale des droits de | |
l’homme) der Staatsmacht vor, in Pool die Zivilbevölkerung zu bombardieren, | |
wahllos Verhaftungen, Folter und Zwangsumsiedlungen vorzunehmen und 130 | |
politische Häftlinge festzuhalten. Im Februar starb der | |
Oppositionspolitiker Marcel Ntsourou in Haft. | |
Die Opposition verlangt ein Ende der Kampfhandlungen seitens der Armee und | |
einen Dialog mit den Milizen. Da die Regierung das ablehnt, fürchten | |
Analysten, dass Oppositionsparteien, die im Süden des Landes stark sind, | |
sich mit den Ninja-Milizen verbünden könnten. Dann wäre die | |
Bürgerkriegskonstellation der 1990er-Jahre, als Zehntausende bei Kämpfen | |
starben, wieder komplett. | |
Die Parlamentswahlen sollen laut Regierung trotzdem stattfinden. Präsident | |
Sassou-Nguesso verneinte gegenüber dem französischen TV-Sender France 24, | |
dass es eine Krise gebe. Premier Clément Mouamba sagte dem französischen | |
RFI-Rundfunk, nur ein Viertel der Pool-Region sei von Unruhen betroffen. | |
Man müsse aber darauf achten, dass „verkleidete Ninjas, die sich in | |
Brazzaville in Bombenleger verwandeln“, nicht die Hauptstadt erreichten. | |
Die Parteien um Oppositionsführer Jean-Marie Michel Mokolo machen ihre | |
Teilnahme an den Wahlen von der Freilassung politischer Gefangener und | |
einem Ende des Kriegs abhängig – schwer zu erfüllen, da die Regierung | |
verneint, dass es einen Krieg oder politische Gefangene gibt. | |
30 Jun 2017 | |
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## AUTOREN | |
François Misser | |
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