# taz.de -- Union Berlin zurück im Fußballalltag: Runter vom Partymodus | |
> Vor den großen Aufgaben gegen Ajax Amsterdam und den FC Bayern bietet | |
> Union Berlin ein wenig Erholung vom surrealen Erfolg der letzten Monate. | |
Bild: Berlins Sven Michel (l.) und Cedric Brunner können das triste Spiel auch… | |
Schlauer hat das Spiel zwischen Union Berlin und Schalke 04 am Sonntag wohl | |
kaum jemanden gemacht. Wer wissen wollte, wie es denn nun sein kann, dass | |
die Hauptstädter aus Köpenick tatsächlich [1][immer noch um die | |
Spitzenposition in der Fußball-Bundesliga mitspielen], der hat aus der | |
Partie gegen den Tabellenletzten gewiss nicht viel mitgenommen. Es war ein | |
grauenhafter Kick, ein 0:0 der schlechteren Art. | |
Beide Mannschaften hätten sich neutralisiert, meinte Union-Trainer Urs | |
Fischer nach dem Spiel. So kann man das freundlich ausdrücken, was die | |
beiden Mannschaften den Zuschauern da zugemutet haben. | |
Gut, es ist mittlerweile schwer, gegen Schalke ein Tor zu erzielen. Vier | |
Mal hat das Team von Trainer Thomas Reis nun hintereinander 0:0 gespielt. | |
Aber dass sich Union so schwer getan hat, die erste Pressinglinie der Gäste | |
zu überspielen, das war kaum mitanzusehen. Urs Fischer beorderte schon nach | |
20 Minuten seinen Torwart Frederik Rönnow an die Seitenlinie, um neue | |
Anweisungen für die Spieleröffnung zu übermitteln. | |
Geholfen hat es nichts. Aus dem Sprung an die Tabellenspitze, der mit einem | |
Sieg möglich gewesen wäre, ist nichts geworden. Es war ernüchternd. Für | |
viele Fans vielleicht auch mal wohltuend ausnüchternd. | |
## Graues Intermezzo | |
Das Spiel gegen Schalke markierte nach Wochen des Union-Rausches, [2][mit | |
Siegen beim verhassten Dosenkonstrukt in Leipzig], nach einem fast schon | |
souveränen Auftritt in der Europa League bei Ajax Amsterdam, bei dem mehr | |
drin war als ein 0:0, so etwas wie ein Intermezzo dar, in dem der graue | |
Fußballalltag wieder Einzug gehalten hat an der Alten Försterei. Am | |
Donnerstag steigt schon das Rückspiel gegen Ajax. Am Sonntag dann das | |
Spitzenspiel bei den nach 21 Spieltagen punktgleichen Bayern in München. | |
Vielleicht tat es den Unionern auch mal ganz gut, ein wenig runterzukommen | |
vom Partymodus. Rauszukommen aus diesem ewigen Zustand der Dankbarkeit für | |
das glückliche Fußballschicksal, das allen in Klub und Umfeld seit dem | |
Aufstieg 2020 bisweilen surreal vorkommen mag. „Als fast schon surreal“ | |
hatte es Urs Fischer am Samstag vor dem Spiel bezeichnet, dass sich sein | |
Team nun anschickt, zum dritten Mal hintereinander einen europäischen | |
Wettbewerb zu erreichen. Das ist seit einer Mannschaftsbesprechung nun das | |
offizielle Saisonziel. | |
Wie Union das spielerisch schaffen möchte, hätte man schon gerne gesehen am | |
Sonntag. Aber da war kein schneller Angriff nach Balleroberung. Es war | |
nichts zu erahnen von jenem mittlerweile furchteinflößenden Umschaltspiel, | |
das die Videozuarbeiter von Bayerntrainer Julian Nagelsmann gewiss intensiv | |
studieren, um ihre Mannschaft auf das Spitzenspiel am Sonntag | |
vorzubereiten. Von der Partie gegen Schalke werden sie nicht viele | |
Videoschnipsel verwenden können. „Das war heute zu unpräzise“, so Fischer. | |
Die wie immer munter singenden Fans werden es verschmerzen. Sie kommen ja | |
kaum nach, sich gegenseitig ihres Glückes zu versichern. Beinahe am | |
lautesten wurde entsprechend am Samstag applaudiert, als sich der | |
Stadionsprecher bei den 2.700 Unionern bedankte hat, die den Klub in | |
Amsterdam mit brennenden Herzen und Fackeln unterstützt haben. | |
## Verehrte Augenzeugen | |
Die Augenzeugen werden an der Alten Försterei beinahe ebenso verehrt wie | |
die Spieler. Die ereignisarme Partie gegen Schalke mag den reiselustigen | |
Fans die Möglichkeit gegeben haben zu berichten, wie es war in den | |
Niederlanden, wie das Stadion war, ob man gut gesehen hat, ob man nicht | |
doch zu weit weg war vom Geschehen auf dem Feld. Wichtige Frage sind das | |
[3][angesichts der Ausbaupläne für das Stadion.] 37.700 Zuschauer soll die | |
neue Alte Försterei mal aufnehmen können. Am Sonntag waren 22.000 Leute da. | |
Es war voll, wie üblich. | |
Und noch ein Gutes hatte das Spiel. Urs Fischer nutzte es zum Teambuilding. | |
Er ließ kräftig rotieren im Vergleich zu den vergangenen Spielen. Im Sturm | |
durfte sich mal wieder Sven Michel austoben. Und er lief auch wirklich | |
bisweilen wie eine gesengte Sau über das Feld, doch nur selten erreichte | |
ihn ein Ball. Die Präzision. Siehe oben. | |
Und hinten stand mal wieder Timo Baumgartl in der Startelf. Der | |
Innenverteidiger hatte seit Anfang November nicht mehr gespielt und war vom | |
Klub nicht für die K.-o.-Runde in der Europa League gemeldet worden. „Dass | |
muss ich akzeptieren“, sagte er hinterher. Und vielleicht gehört so etwas | |
auch zur Erfolgsgeschichte von Union. Nicht einmal die eigentlich schon | |
Aussortierten scheren aus der Erzählung von der verschworenen Union-Familie | |
aus. Die trifft sich wieder am Donnerstag, wenn Ajax kommt – nach Berlin, | |
in den Osten, nach Köpenick. Surreal. | |
20 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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