| # taz.de -- Unabhängigkeitstag in Myanmar: Macht der Junta beginnt zu wanken | |
| > Die Militärjunta gibt sich mit einer weiteren Amnestie als human. Sie | |
| > trifft aber im Kampf mit Rebellen viele Zivilisten. | |
| Bild: Rebellen der Karenni-Ethnie in einer eroberten Kleinstadt im Kayah-Staat … | |
| Berlin taz | Zum 76. Jahrestag der Unabhängigkeit Myanmars hat die dortige | |
| Militärjunta am Donnerstag laut Staatsfernsehen 9652 Häftlinge begnadigt. | |
| Juntachef Min Aung Hlaing habe zudem 114 inhaftierte Ausländer amnestiert, | |
| die ausgewiesen würden. | |
| Ein Anwalt, der viele politische Gefangene vertreten hat, sagte der | |
| Nachrichtenagentur AP, die meisten Begnadigten seien wegen gewöhnlicher | |
| Straftaten verurteilt worden. Lediglich etwa 120 seien politische | |
| Gefangene. Unter den Freigelassenen sei Ye Lwin, der populäre frühere | |
| Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Mandalay. | |
| Seit ihrem Putsch am 1. Februar 2021 hatte die Militärregierung schon | |
| mehrfach Amnestien verkündet, zunächst, um Platz in den Gefängnissen für | |
| politische Gefangene zu schaffen, später, um sich ein konzilianes Image zu | |
| geben. Die wenigen politischen Gefangenen, die freigelassen wurden, kamen | |
| oft erst kurz vor dem Ende ihrer Haftstrafen frei. Die weggeputsche frühere | |
| de-facto Regierungschefin Aun San Suu Kyi war jetzt nicht unter den | |
| Amnestierten. | |
| Am vergangenen 75. Jahrestag hatte es eine Militärparade in der von den | |
| Generälen in den Nullerjahren geschaffenen Hauptstadt Naypyidaw mit ihren | |
| absurd breiten Straßen von bis zu 20 Fahrspuren. Bei der Parade, die das | |
| exilbirmesische Newsportal [1][Irrawaddy] „nordkoreanisch“ nannte, mussten | |
| damals Beamte und Studierende Juntachef Min Aung Hlaing zujubeln. | |
| Der Juntachef kündigte damals, Anfang 2023, Wahlen an und auch eine | |
| Amnestie für 7.000 Gefangene. Zuvor war gerade erst die Haftstrafe Aung San | |
| Suu Kyi verlängert worden. Auch vor einem Jahr kamen kaum politische | |
| Gefangene frei. Und schon bald verlängerte der General den Ausnahmezustand | |
| und nahm von Wahlen wieder Abstand. | |
| ## Unverbindliches Wahlversprechen | |
| In seiner jetzigen Botschaft zum Unabhängigkeitstag ging Min Aung Hlaing | |
| nicht auf die politische Krise ein. In der vom Vizechef der Junta, General | |
| Soe Win, vorgetragenen Rede Min Aung Hlaings stellte dieser eine Wahl in | |
| Aussicht. Anschließend werde das Militär die Verantwortung an die gewählte | |
| Regierung übergeben. Doch auch jetzt wurde kein Zeitrahmen genannt. | |
| Im letzten Jahr hat sich der Krieg im Land weiter zugespitzt und der Junta | |
| überraschende Niederlagen beschert. Am 27. Oktober hat das Rebellenbündnis | |
| „Three Brotherhood Alliance“ im Nordosten des Shan-Staates eine | |
| [2][koordinierte Offensive] begonnen und zahlreiche Militärposten, | |
| Kleinstädte und wichtige Grenzübergänge nach China erobert. | |
| Im November erzielten Rebellen auch im Westen im Rakhaing-Staat an der | |
| Grenze zu Bangladesch und im Chin-Staat an der Grenze zu Indien Erfolge. | |
| [3][Der Mehrfrontenkrieg überfordert das Militär] und seine zudem geringe | |
| Kampfmoral. Eine verkündete Gegenoffensive blieb aus, die Generäle setzen | |
| fast nur noch auf Luft- und Artillerieangriffe. Die fordern viele zivile | |
| Opfer. Inzwischen drohte das Militär mit der Zerstörung der von Rebellen | |
| eroberten Orten. | |
| ## China wünscht vor allem Stabilität | |
| Eine widersprüchliche Rolle spielte zuletzt China: Peking hat den Putsch | |
| nie verurteilt und die Junta stets mit Diplomatie, Waffen und Investitionen | |
| gestützt. Dabei hatte die Volksrepublik auch gute Beziehungen zu Aung San | |
| Suu Kyi gehabt, doch wünscht sie vor allem Stabilität. | |
| Deshalb störte Peking auch die massive Cyberkriminalität in Myanmars | |
| Grenzregion. Dort boomten von der Junta protegierte digitale | |
| Betrugsfabriken. Zehntausende [4][Cybersklaven] aus China und Südostasien | |
| wurden dort zu betrügerischen Glücksspielen und Geschäften gezwungen. Ihre | |
| Opfer waren oft Chinesen. Da die Junta monatelang Pekings Drängen | |
| ignorierte, duldete China stillschweigend die Rebellenoffensive. Die Three | |
| Brotherhood Alliance lieferte dann auch Kriminelle aus und befreite | |
| Cybersklaven. | |
| Doch Peking war vom großen Erfolg der Rebellen wohl so überrascht wie von | |
| der Unterbrechung des Grenzverkehrs selbst, vermutet der | |
| [5][Myanmar-Experte Jason Tower vom US-Institute of Peace (USIP)]. Da China | |
| kein Interesse am Sturz der Junta hat, die es zur Stabilisierung Myanmars | |
| favorisiert, demonstrierte es auf seiner Seite der Grenze mit einem | |
| Militärmanöver Stärke und versuchte seitdem im Shan-Staat einen | |
| Waffenstillstand zu vermitteln. | |
| Der soll auch die dortigen Rebellen von anderen Gruppen trennen, mutmaßt | |
| Tower. Doch der am 14. Dezember von China erklärte Waffenstillstand brach | |
| sofort zusammen. Seitdem nahmen die Rebellen landesweit weitere | |
| Militärposten ein. | |
| Am Mittwoch war in in einer chinesischen Grenzstadt eine offenbar | |
| fehlgeleitete Granate eingeschlagen und hat laut Staatsmedien mehrere | |
| Menschen verletzt. China habe nach dem Vorfall in Nansan in der | |
| südwestchinesischen Provinz Yunnan bei den „betroffenen Parteien“ Protest | |
| eingelegt, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Donnerstag in Peking. | |
| Man habe die Konfliktparteien im Norden Myanmars aufgerufen, das Feuer | |
| einzustellen und Zwischenfälle zu vermeiden, die den Frieden und die | |
| Sicherheit an der Grenze Myanmars und Chinas gefährdeten. Bei dem Einschlag | |
| am Mittwoch wurden laut örtlichen Medienberichten fünf Menschen verletzt. | |
| ## Eskalation der Kämpfe ist zu erwarten | |
| Myanmar Junta ist zweifellos angeschlagen, aber längst nicht besiegt. Die | |
| Rebellen bleiben ein loses Bündnis ethnischer Guerillaarmeen und | |
| bewaffneter Demokratieaktivisten. Deren „Nationale Einheitsregierung“ hat | |
| kaum Kontrolle über die bewaffneten Gruppen, von denen einer schon | |
| [6][Zwangsrekrutierungen vorgeworfen] wurde. | |
| Der Krieg dürfte weiter eskalieren. Die Zahl interner Flüchtlinge beträgt | |
| nach [7][UN-Angaben] inzwischen 2,6 Millionen, bei einer Bevölkerung von | |
| insgesamt fast 54 Millionen Menschen. Knapp ein Drittel der Bevölkerung ist | |
| auf Nothilfe angewiesen. Die lokale Menschenrechtsorganisation [8][AAPP] | |
| zählt seit dem Putsch 4.273 von Juntakräften getötete Zivilisten und 25.656 | |
| festgenommene Personen, von denen noch 19.858 in Haft sind. Zahlen zu | |
| getöteten Regimekräften und Rebellen gibt es nicht. | |
| [9][Spekulationen] zufolge könnte eine Ablösung von Juntachef Min Aung | |
| Hlaing Verhandlungen erleichtern. Doch dafür gibt es keine Anzeichen. Das | |
| Militär hatte mit dem Putsch die Machtteilung mit demokratischen Kräften | |
| aufgekündigt. Diese bestehen weiter auf Entmachtung der Generäle. | |
| 4 Jan 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.irrawaddy.com/news/burma/dispatch-from-naypyitaw-myanmars-north… | |
| [2] /Widerstand-gegen-Junta-in-Myanmar/!5970810 | |
| [3] https://www.aspistrategist.org.au/military-manpower-has-become-a-critical-f… | |
| [4] /UN-Studie-zur-Onlinekriminalitaet/!5953246 | |
| [5] https://www.usip.org/publications/2023/12/chinas-influence-increases-amid-m… | |
| [6] https://www.hrw.org/news/2023/12/21/myanmar-armed-group-abuses-shan-state | |
| [7] https://www.unocha.org/publications/report/myanmar/myanmar-humanitarian-nee… | |
| [8] https://aappb.org/?p=27048 | |
| [9] https://www.irrawaddy.com/opinion/editorial/decision-time-for-myanmars-junt… | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Myanmar | |
| Militärjunta | |
| Amnestie | |
| Schwerpunkt Myanmar | |
| Schwerpunkt Myanmar | |
| Schwerpunkt Myanmar | |
| Schwerpunkt Myanmar | |
| Schwerpunkt Myanmar | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Myanmar unter dem Militärregime: Unbeliebte Wehrpflicht der Junta | |
| Die Putschgeneräle wollen jetzt mit einer Wehrpflicht ihre dezimierten | |
| Truppen stärken. Doch das kommt auch dem bewaffneten Widerstand zugute. | |
| Lebenslange Haft für Filmemacherin: Im Gefängnis wegen einer Drohne | |
| Wieder bringt die Junta in Myanmar eine Gegnerin ins Gefängnis. Die | |
| Dokumentarfilmerin Shin Daewe ist dort zu lebenslanger Haft verurteilt | |
| worden. | |
| Myanmar 76 Jahre nach der Unabhängigkeit: Pagoden und Maschinengewehre | |
| In Myanmar geraten die Militärs immer mehr unter Druck: Eine Rebellenarmee | |
| sorgt für eine Energiekrise und jetzt bleiben auch noch die Touristen weg. | |
| Kampf gegen das Putschregime in Myanmar: Mehrfrontenkrieg holt Junta ein | |
| Landesweit gehen Rebellengruppen in die Offensive gegen die Militärjunta. | |
| Ein Rebellenkommandeur spricht von einer „politischer Wende“. | |
| Kriegsflüchtlinge in Myanmar: Tote im Schatten anderer Kriege | |
| Myanmars Demokratiebewegung wird in internationalen Medien kaum noch | |
| behandelt. Dabei kommt es immer wieder zu Opfern auch unter Zivilisten. |