| # taz.de -- Kampf gegen das Putschregime in Myanmar: Mehrfrontenkrieg holt Junt… | |
| > Landesweit gehen Rebellengruppen in die Offensive gegen die Militärjunta. | |
| > Ein Rebellenkommandeur spricht von einer „politischer Wende“. | |
| Bild: Zwei Rebellen vor einer eroberten Artillerie-Kanone bei Kunlong im nordö… | |
| Berlin taz | Mit der von Rebellen am Montag verkündeten [1][Einnahme von | |
| mindestens drei Militärposten] durch die ethnische Arakan Army (AA) im | |
| Rakhine-Staat im Westen Myanmars nahe der Grenze zu Bangladesch scheint der | |
| Albtraum der Militärjunta wahr zu werden: Die mit der Demokratiebewegung im | |
| Untergrund verbündeten Rebellen eröffnen im Westen des Landes [2][eine | |
| weitere Front]. | |
| Damit droht das seit dem Putsch 2021 brutal regierende Militär noch weiter | |
| überdehnt zu werden und dürfte die jüngst im Osten verlorenen Gebiete kaum | |
| zurückerobern können. | |
| Auslöser ist die am 27. Oktober begonnene [3][„Operation 1027“] der | |
| Brotherhood of Northern Alliance im Norden des Shan-Staates an der Grenze | |
| zu China. Dort haben drei ethnische Armeen, darunter die AA, in wenigen | |
| Tagen mehr als 100 Militärposten eingenommen und zwei wichtige Straßen nach | |
| China sowie zwei Grenzstädte unter ihre Kontrolle gebracht. Die Junta | |
| verlor damit nicht nur strategische Gebiete, sondern wichtige | |
| Zolleinnahmen. Schon aus Prestigegründen wird die Militärregierung | |
| versuchen müssen, diese Niederlage wettzumachen. | |
| Zwar war die AA im Osten mit den anderen Gruppen der Brotherhood bei der | |
| „Operation 1027“ in die Offensive gegangen, hatte sich aber in ihrem | |
| Stammland im Westen bisher noch an einen Waffenstillstand mit der Junta | |
| gehalten. Das scheint jetzt vorbei zu sein. | |
| ## Junta verhängt Kriegsrecht über nordöstlichen Shan-Staat | |
| „Die Operation 1027 ist ein Game-Changer, eine politische Wende“, sagte der | |
| Rebellenoffizier Ko Mone Dine von der Mandalay People’s Defense Force | |
| (MPDF), einer Bürgermiliz aus Myanmars zweitgrößter Stadt, kürzlich in | |
| einem Zoom-Call mit deutschen Journalisten. | |
| Die MPDF bekennt sich zur Untergrundregierung (NUG) der Demokratiebewegung | |
| und ist Teil der jetzigen Offensive der Brotherhood. Die habe dem | |
| Widerstand zu einem großen Momentum verholfen. „Wir sind sehr motiviert“, | |
| erklärte der 29-Jährige, der vor dem Putsch für eine NGO zu Wahlen und | |
| Parlamentarismus arbeitete. | |
| Bei der „Operation 1027“ wurden mutmaßlich mehrere Hundert Soldaten getöt… | |
| und unzählige Waffen erbeutet. Ein ganzes Bataillon ergab sich kampflos den | |
| Rebellen. An diesem Montag verhängte die Junta über den nordöstlichen | |
| Shan-Staat das Kriegsrecht. Für die Rebellen dürfte das keinen Unterschied | |
| machen. | |
| Längt hat die „Operation 1027“ in anderen Regionen Rebellenangriffe | |
| ausgelöst. So war letzte Woche in der westlich gelegenen Sagaing-Region von | |
| Kachin-Rebellen in Kooperation mit der AA und mit Kawlin die erste | |
| Kreisstadt erobert worden. Dabei sollen bei der Einnahme der | |
| Polizeitstation auch mehr als 60 politische Gefangene befreit worden sein. | |
| ## Die Zahl der Binnenflüchtlinge wächst | |
| Im westlichen Chin-Staat nahmen Rebellen nach eigenen Angaben bereits einen | |
| [4][zweiten Grenzort] zu Indien ein. 5.000 Menschen flohen dabei vor den | |
| heftigen Kämpfen und Bombardierungen durch die Luftwaffe ins Nachbarland. | |
| Nach UN-Angaben hatte die „Operation 1027“ die Zahl der | |
| [5][Binnenflüchtlinge bereits um 50.000 steigen lassen]. Bisher war | |
| landesweit schon von mehr als eine Million Vertriebenen ausgegangen worden, | |
| seit April 2021 die Kämpfe eskalierten. | |
| Die renommierte birmessiche Menschenrechtsorganisation [6][AAPP] gibt aus | |
| ihrem [7][thailändischen Exil] die Zahl der bisher vom Militär getöteten | |
| Zivilisten mit 4.182 an, die Zahl der Inhaftierten mit 25.402, wovon | |
| aktuell noch 19.675 in Haft seien. Angaben zu getöteten Rebellen oder | |
| Regimekräften gibt es nicht. | |
| Im Karenni-Staat wurde bei einem Rebellenangriff mit einem von einer Drohne | |
| abgeworfenenen Granate letzte Woche erstmals ein Brigadegeneral getötet. | |
| In den letzten Tagen haben die Rebellen bis zu zehn Panzer, gepanzerte | |
| Fahrzeuge und sogar einen [8][Raketenwerfer] übernommen oder zerstört. | |
| ## Militär spricht von drohender Spaltung des Landes | |
| Das Militär hat offensichtlich Probleme, Verstärkungen einzufliegen und | |
| schlägt vor allem mit Artilleriebeschuss und Luftangriffen zurück. Doch | |
| dabei stürzte am Samstag im Karenni-Staat ein Kampfjet ab. [9][Laut | |
| Rebellen wurde er von ihnen abgeschossen], laut Militär gab es ein | |
| technisches Problem. | |
| Die Junta gab nicht nur gewisse Gebietsverluste zu, sondern berief auch den | |
| Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrat (NDSC) ein. Putschführer und | |
| Juntachef Min Aung Hlaing beschuldigte danach die Rebellen, ihre Offensive | |
| mit Drogengeldern zu finanzieren, lieferte aber keine Beweise. | |
| Der vom Militär eingesetzte Präsident, General Myint Swe, erklärte, das | |
| Land drohe auseinanderzubrechen. Damit unterstreicht er das übliche | |
| Narrativ des Militärs, dass nur dessen weitere Herrschaft Myanmars | |
| nationalen Zusammenhalt sichern könne. | |
| Zwar lassen sich viele Angaben aus dem Kampfgebiet nicht überprüfen, doch | |
| sind sich Beobachter darin einig, dass das Militär von der gut | |
| koordinierten und unerwartet schlagkräftigen Offensive der Rebellen völlig | |
| überrascht wurde. „Wir haben gelernt, eine Armee zu führen und zu kämpfen,… | |
| sagt Ko Mone Dine stolz. Die Rebellen hätten die Unterstützung der | |
| Bevölkerung, eine hohe Kampfmoral und einen großen Durchhaltewillen. | |
| ## Mangel an Kampftruppen des Militärs | |
| Die Offensive hat zugleich die Schwächen des Militärs verdeutlicht, dem es | |
| offenbar an Kampftruppen fehlt. Bisher war die Stärke des Militärs auf | |
| 350.000 bis 400.000 Soldaten geschätzt worden. Jetzt wird die Zahl eher auf | |
| 150.000 geschätzt, wovon aber letztlich nur 70.000 einsatzfähige | |
| Kampftruppen sein sollen. | |
| Die Junta ist noch längst nicht entmachtet, auch wenn es ihren Soldaten an | |
| Kampfwillen fehlt und es das Militär auch politische Probleme hat. So wurd | |
| erst kürzlich der Innenminister, Generalleutnant Soe Htut, zu fünf Jahren | |
| Haft wegen Korruption verurteilt. Er soll sich durch den Verkauf von Pässen | |
| bereichert haben. | |
| „Ohne Unterstützung der Bevölkerung kann die Junta nicht überleben“, mei… | |
| Ko Mone Dine. Sie habe keinen Ausweg. Denn Scheinwahlen oder | |
| Friedensgespräche seien aussichtslos, weil niemand daran teilnehmen werde. | |
| „Für Min Aung Hlaing gibt es weder militärisch noch politisch einen Ausweg. | |
| Die Frage ist, wie er gestürzt wird?“ Den Rebellen fehlten Drohnen, Raketen | |
| und Flugabwehr. „Für uns ist klar, dass Min Aung Hlaing militärisch besiegt | |
| werden muss.“ | |
| Zu Berichten über einzelne Kämpfe zwischen rivalisierenden Rebellengruppen, | |
| die kein einheitliches Kommando haben, sagt Ko Mone Dine: „Das ist falsch.“ | |
| Erst kürzlich war nach der Einnahme der Grenzstadt Muse von einer tödlichen | |
| Schießerei berichtet worden. | |
| 13 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-junta-outposts-fall-in-norther… | |
| [2] https://myanmar-now.org/en/news/western-front-opens-in-operation-1027-as-aa… | |
| [3] /Widerstand-gegen-Junta-in-Myanmar/!5970810 | |
| [4] https://www.irrawaddy.com/news/burma/chin-resistance-routs-myanmar-junta-in… | |
| [5] https://www.frontiermyanmar.net/en/northern-shan-state-fighting-displaces-a… | |
| [6] https://aappb.org/?p=26719 | |
| [7] /Jahrestag-Militaerputsch-in-Myanmar/!5911988 | |
| [8] https://www.irrawaddy.com/news/war-against-the-junta/myanmar-junta-loses-mo… | |
| [9] https://myanmar-now.org/en/news/myanmar-military-jet-shot-down-by-karenni-r… | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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