| # taz.de -- Überfüllter Bahnhof: Alles drängt zum Südsteg | |
| > Im Hamburger Hauptbahnhof quetschen sich täglich Menschenmassen. Der | |
| > Fahrgastverband fordert neue Ausgänge und die Öffnung des alten | |
| > Südsteg-Tunnels. | |
| Bild: Könnte auch besser laufen: Gedränge am Gleis | |
| HAMBURG taz | Vom Zug aus Lüneburg müsste man die Regionalbahn nach | |
| Rahlstedt erreichen können – zumindest theoretisch. Sieben Minuten | |
| Umsteigezeit von Gleis 13a zu Gleis 6a. Doch schon beim Aussteigen ist es | |
| voll. Eine Menschentraube staut sich vor dem Aufgang zum Südsteg, einer | |
| erhöhten Plattform. Sich seitlich an den Leuten vorbei zu drängeln, ist | |
| nicht möglich. Ergeben trippelt man in der Menge mit dem Strom. An Gleis 6 | |
| angekommen, sind noch die Rücklichter der anderen Bahn zu sehen. Nun heißt | |
| es 30 Minuten warten. | |
| Der Hamburger Hauptbahnhof wird immer voller. Das belegt jetzt eine neue | |
| Zählung der Deutschen Bahn (DB). Ging man bislang von 450.000 Nutzern | |
| täglich aus, liegt die Zahl inzwischen bei über einer halben Million. Zum | |
| Vergleich: Am Berliner Hauptbahnhof sind es 300.000, in München 450.000. | |
| Die Fahrgastzahlen aller Regionalbahnen sind rasant gestiegen. Pendeln ist | |
| attraktiv. „Von Buchholz ist man in fast 20 Minuten am Hauptbahnhof“, sagt | |
| Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband „Pro Bahn“. „Das schafft man nie m… | |
| dem Pkw“. | |
| Auch er kennt das Gedränge aus eigener Erfahrung. „Da gehen tausend Leute | |
| über eine Treppe in die Halle rein.“ Das Nadelöhr ist der Südsteg. Oben | |
| angekommen, betritt der Fahrgast einen geteerten breiten Fußweg. Wohl der | |
| einzige in der Stadt mit Rechts-links-Verkehr. Ein weißer Mittelstreifen | |
| und Richtungspfeile ermahnen den Fußgänger, in der Spur zu bleiben. | |
| Natürlich hält sich nicht jeder dran. Man muss zum Suchen der Gleise oder | |
| Kaufen von Snacks oder Tickets die Gegenbahn kreuzen. Wer nicht angerempelt | |
| werden will, muss sich konzentrieren. | |
| Das Problem hat zum Beispiel der heutige Justizsenator und frühere | |
| Verkehrspolitiker der Grünen, Till Steffen, erkannt, als er im Januar 2014 | |
| eine Anfrage zu „Entlastungsmöglichkeiten des Südstegs am Hauptbahnhof“ | |
| schrieb. Dort käme es in der Hauptverkehrzeit zu Gedränge. „Ein schnelles | |
| Passieren der Anlage ist kaum mehr möglich. Damit verliert der öffentliche | |
| Nahverkehr an Attraktivität“, mahnte Steffen. Und er erinnert daran, dass | |
| es bis Anfang der 1990er-Jahre noch für Fußgänger den unterirdischen | |
| Südsteg-Tunnel zu den Gleisen gab. | |
| Der wurde jedoch laut Senat wegen „der häufigen Aufenthalte von Drogen- und | |
| Alkoholabhängigen“ geschlossen. Sein baulicher Zustand habe sich seither | |
| nicht geändert. Aber alle Zugänge von den Bahnsteigen seien nun mit | |
| „Brandschutztechnik“ verbaut und stünden deshalb nicht mehr zur Verfügung. | |
| Diese Technik sei vorgeschrieben, seit es im Düsseldorfer Flughafen 1996 | |
| zur Brandkatastrophe kam. Auch DB-Specherin Sabine Brunckhorst bestätigt, | |
| dass in dem ehemaligen Gleiszugang heute „Versorgungsleitungen“ lägen. | |
| Schade, dabei wäre es so einfach, die Menschenmassen durch den Tunnel zu | |
| lenken. Auch Bahnnutzer Naumann erinnert sich daran zurück: „Es ist nicht | |
| zu verstehen, warum man Wege, die man braucht, mit Technik vollstellt.“ | |
| Heike Sudmann, Verkehrspolitikerin der Linken, betont, dass der Tunnel „gar | |
| nicht so versifft“ gewesen sei. Die Öffnung müsse neu geprüft werden. „Es | |
| gibt auch andere Städte mit Tunnelzugängen, die trotz Brandschutz zu nutzen | |
| sind.“ | |
| Der Fahrgastverband Pro Bahn hat zusammen mit dem Verkehrsclub Deutschland | |
| (VCD) und dem Verein „Freunde der Einsenbahn“ jetzt ein 24-Punkte-Konzept | |
| für den Hamburger Hauptbahnhof vorlegt. Das fängt bei Kleinigkeiten an, | |
| etwa die Verlegung der Fahrkartenautomaten und Kioske, die den | |
| „Passierfluss“ stören. Die Initiativen haben aber auch Ideen für den | |
| Abbruch der heute nicht mehr genutzten Gepäckbahnsteige zwischen den | |
| Gleisen, um Platz für breitere Bahnsteige zu schaffen und für neue | |
| Treppenaufgänge im Freien südlich der Bahnhofshalle. | |
| Dafür müsste die dortige Steintorbrücke für den Autoverkehr gesperrt und | |
| überdacht werden. „Optional“ könnten auch Treppen zu der dahinter gelegen… | |
| Altmannbrücke am Hühnerpotsen gebaut werden“, erklärt Naumann. Von dort sei | |
| es zu Fuß nicht weit zur U-Bahn-Station Steinstraße. „Wenn man möchte, kann | |
| man das in einem Jahr realisieren.“ | |
| Diese Idee findet sich auch im rot-grünen Koalitionsvertrag, genau wie der | |
| Plan, in der Halle einen zusätzlichen Bahnsteig zu errichten. „Der | |
| Hauptbahnhof ist sehr voll“, sagt auch SPD-Politiker Ole Thorben | |
| Buschhüter. Doch vor konkreten Planungen sollten zunächst zwei Studien | |
| abgewartet werden. Die DB lässt die Verkehrströme im Bahnhof analysieren | |
| und die Wirtschaftsbehörde gibt parallel dazu eine Untersuchung für das | |
| Umfeld in Auftrag. Beide Studien wurden dem fragenden Till Steffen | |
| allerdings schon vor anderthalb Jahren angekündigt. Entlastung wird auch | |
| durch die neue S4 aus Hamburgs Osten versprochen, die frühestens 2024 | |
| fertig sein wird. Es dauert halt alles etwas länger. | |
| Für Fahrgäste, die mit den Abläufen vertraut sind, haben überfüllte | |
| Bahnsteige aber auch etwas Gutes. Statt zu drängeln, bleibt man halt | |
| einfach noch ein bisschen sitzen. | |
| 21 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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