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# taz.de -- Tod durch Überfischung: Aale sind bald alle
> Die EU verbietet das Fischen des vom Aussterben bedrohten Aals nicht und
> legalisiert die Überfischung vieler Bestände.
Bild: Population ist dramatisch zurückgegangen: Europäischer Aal
HAMBURG taz | Thilo Maack ist pessimistisch: „Das wird den Aal nicht
retten“, kommentiert der Meeresreferent von Greenpeace am Mittwoch in
Hamburg die EU-Beschlüsse zu Fischfangmengen in der Nordsee. „Die
EU-Minister nehmen in Kauf, dass der europäische Aal ausstirbt.“ Das
befürchtet auch die Fischereiexpertin der Hamburger Umweltstiftung WWF,
Stella Nemecky: „Artenschutz mit Verfallsdatum funktioniert nicht.“ Denn
genau das hat die EU nach nächtlichen Verhandlungen in Brüssel am
Mittwochmorgen beschlossen: Für den Aal in Atlantik, Nord- und Ostsee gilt
künftig eine dreimonatige Schonzeit.
Der deutsche Fischereiverband sieht das mit „Unverständnis“, sagt
Verbandssprecher Claus Ubl. Nach seiner Ansicht treffe die Schonzeit „die
Falschen“, nämlich die Fischer. Kraftwerksbetreiber, in deren
Kühlwassersystem Aale und andere Fische verenden, kämen ebenso ungeschoren
davon wie die mit Vorliebe Aal fressenden rund 40.000 Kormorane in
Norddeutschland.
Der Aal ist in Europa eine vom Aussterben bedrohte Fischart. Naturschützern
zufolge ist die Population dramatisch zurückgegangen, nach Angaben des
Umweltverbandes BUND beträgt sie nur noch zwei Prozent des Bestandes von
1979. Als mögliche Gründe für die Bestandsrückgänge gelten neben der
Überfischung auch Klimaveränderungen und dadurch geänderte
Meeresströmungen. In den Flüssen und Binnengewässern müssen Aale zudem
Kraftwerke, Staumauern und chemische Belastungen überleben.
Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) in London, der
alljährlich wissenschaftliche Empfehlungen für nachhaltigen Fischfang in
der EU erarbeitet, fordert schon seit Jahren ein Aalfang-Verbot.
Die EU-Kommission hatte im Sommer ein Fangverbot für die Ostsee
vorgeschlagen, damit sich die angeschlagenen Bestände erholen können. Die
Mitgliedsstaaten hatten dem aber nicht zugestimmt und stattdessen im
Oktober eine EU-weite Lösung gefordert. Brüssel legte daraufhin einen
Entwurf für ein umfassendes Aalfang-Verbot in Ostsee, Nordsee und dem
europäischen Atlantikgebiet für 2018 vor – das der EU-Ministerrat jetzt
aber auf ein dreimonatiges Fangverbot im Winter reduzierte.
Für insgesamt 53 Bestände in der Nordsee und dem Nordatlantik haben die
EU-Minister Fischfangquoten festgelegt. Danach dürfen deutsche Fischer im
kommenden Jahr deutlich mehr Hering aus der Nordsee ziehen: 25 Prozent
mehr. Beim Kabeljau erhöht sich die Quote um zehn Prozent, beim Wittling
sogar um 40, beim Seelachs um sechs Prozent. Einschränkungen gibt es
dagegen bei der Makrele mit einem Minus von 20 Prozent und bei der Scholle
mit minus 13 Prozent. Für die Ostsee hatten die EU-Minister bereits im
Oktober beschlossen, in 2018 den Fang von Hering um 39 Prozent zu senken,
von Schollen um zehn und von Lachs um fünf Prozent. Beim Dorsch bleibt die
Fangquote unverändert.
Der auch für Fischfang zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Christian
Schmidt (CSU) ist zufrieden. „In der Fischereipolitik bleiben wir voll auf
Nachhaltigkeitskurs“, behauptet er jedenfalls am Mittwoch: „Eine Gefahr für
die Bestände besteht nicht.“ Das sehen Umweltschützer anders. „Die
legalisierte Überfischung in der Nordsee wird weniger, geht aber dennoch in
die nächste Runde“, kommentiert Nemecky vom WWF. Diese Fangquoten könnten
nicht dafür sorgen, „die Überfischung der europäischen Meere bis 2020 zu
beenden, so wie es die EU-Mitgliedsländer bereits 2013 beschlossen haben“,
sagt Maack von Greenpeace.
Wie man etwas verantwortungsvoller vorgehen kann, zeigen jetzt die
Krabbenfischer in der Nordsee. Zwölf Erzeugergemeinschaften mit insgesamt
mehr als 400 Krabbenkuttern in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden
dürfen jetzt ihre Produkte mit dem blauen Umweltsiegel des Marine
Stewardship Council (MSC) vermarkten. Die zertifizierten Kutter fangen mehr
als 90 Prozent aller Nordseegarnelen.
Vorausgegangen war ein jahrelanger Konflikt zwischen Fischern und
Umweltschützern, der nun in einer Vereinbarung mit dem Naturschutzbund
(Nabu), dem WWF und der Schutzstation Wattenmeer beigelegt wurde. Deren
Zustimmung zum MSC-Zertifikat „war kein Selbstläufer“, sagt Hans-Ulrich
Rösner, Leiter des WWF-Wattenmeerbüros in Husum, ebenfalls am Mittwoch auf
einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Fischereiverbänden und dem MSC in
Hamburg.
Durch die Vereinbarung sei nun aber sichergestellt, dass die
Krabbenbestände nicht überfischt werden, auch gegen unerwünschten Beifang
wurden spezielle Maßnahmen vereinbart. Problematisch bleibe allerdings,
dass die Krabbenfischerei in den Wattenmeer-Nationalparks weiterhin erlaubt
bleibe. Der erzielte Kompromiss sei, sagt Rösner, „nur ein erster Schritt
hin zu einer naturverträglichen Krabbenfischerei“.
13 Dec 2017
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Fischerei
Fangquoten
Überfischung
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Ostsee
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Fischerei
EU-Kommission
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