# taz.de -- Terrorprozess in Nürnberg: Zwei Jahre Haft für „Heydrich“ | |
> In der Chatgruppe der rechtsextremen „Feuerkrieg Division“ kündigte | |
> Fabian D. einen Terroranschlag an. Jetzt muss der 23-Jährige ins | |
> Gefängnis. | |
Bild: Der Angeklagte zu Prozessbeginn: Der Anschlag von Halle habe als Blaupaus… | |
NÜRNBERG taz | Ganz am Schluss biegt er noch einmal das Mikrofon zu sich | |
hin, als wolle er nach dem langen Schweigen nun doch noch etwas sagen, als | |
erwarte er zumindest eine Frage des Richters, ob er die zuletzt erteilte | |
Erklärung zu den Berufungsmitteln verstanden habe. Aber die bleibt aus. So | |
steht Fabian D. auf, hält sich noch einmal den leeren blauen Aktenordner | |
vors Gesicht, obwohl im Gerichtssaal ohnehin nicht mehr fotografiert werden | |
darf, und wartet darauf, dass ihm der Polizeibeamte die Handschellen | |
anlegt. | |
Zuvor hat die Staatsschutz-Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Bernd | |
Zuber ihr Urteil gegen Fabian D. verkündet: Der 23-Jährige muss eine | |
zweijährige Haftstrafe verbüßen wegen einer staatsgefährdenden Gewalttat. | |
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Elektriker aus der Oberpfalz | |
fest entschlossen gewesen sei, [1][einen Anschlag zu verüben], bei dem er | |
mittels eines Sturmgewehrs möglichst viele Menschen anderen Glaubens oder | |
anderer Herkunft habe ermorden wollen. | |
Der Anschlag von Halle im Jahr 2019 habe ihm dabei gewissermaßen als | |
„Blaupause“ gedient, wobei er den dortigen Attentäter verachtet habe, weil | |
er seiner Ansicht nach versagt habe. Dessen Fehler habe er selbst vermeiden | |
wollen, um so ein „sogenannter Heiliger“ zu werden. | |
Die Polizei war D. durch einen Hinweis des Verfassungsschutzes auf die Spur | |
gekommen. Der hatte offenbar in Chats der rechtsextremen sogenannten | |
Feuerkrieg Division mitgelesen, wo der junge Mann sich „Heydrich“ nannte, | |
mit seinen Plänen prahlte und sich nach geeigneten „Orten der Andacht“, | |
also Moscheen oder Synagogen, für einen Anschlag erkundigte. | |
## Feuerkrieg Division als extrem gefährlich eingestuft | |
In die Chatgruppe habe es D. im Laufe des Jahres 2019 verschlagen, dort | |
habe er sich immer weiter radikalisiert. Als die Polizei ihn am Parkplatz | |
seiner Firma festnahm, hatte D., der gern in Militärkleidung umherlief, ein | |
Messer, ein Beil und verschiedene Schreckschusswaffen bei sich. Er besaß | |
außerdem die Nachbildung einer Kalaschnikow AK-47, die er mithilfe von | |
Waffenteilen, die er sich ebenfalls besorgt hatte, zu einem | |
funktionsfähigen Sturmgewehr umbauen wollte. | |
Die Feuerkrieg Division ist eine relativ junge, international vernetzte | |
Gruppe von Neonazis. Sie hängt einer zutiefst rassistischen Ideologie an, | |
von den Behörden wird sie als extrem gefährlich eingestuft. Sie gilt als | |
Abspaltung der sogenannten Atomwaffen Division, die in den USA bereits für | |
mehrere Morde verantwortlich gemacht wurde. Im Chat tauschten die | |
Mitglieder ihre kruden Ansichten über die Welt aus. Dazu gehörten die | |
Überzeugung über eine jüdische Weltverschwörung ebenso wie Verachtung des | |
Feminismus, der dazu geführt habe, dass die Frauen heute nicht mehr | |
wüssten, dass ihr Platz hinter dem Herd sei. | |
Das sei alles nicht so ernst gemeint gewesen, erklärte dagegen die | |
Verteidigung, Fabian D. sei frustriert gewesen, weil er keine Freundin | |
gehabt habe; überhaupt habe er im Chat erstmals die Anerkennung bekommen, | |
die ihm im realen Leben stets versagt geblieben sei. Dort habe er extreme | |
Scheu vor Menschen gehabt, sehr zurückgezogen gelebt und sich überwiegend | |
in seinem Zimmer im Keller der Eltern aufgehalten. Und die AK-47 wollte | |
sich D., wenn man der Verteidigung Glauben schenkt, nur bauen, um in den | |
Schützenverein einzutreten. Weil D. zudem über keine auch nur im Ansatz | |
funktionsfähige Waffe verfügt habe, plädierte der Anwalt auf Freispruch. | |
Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen vier Jahre Haft gefordert. | |
## Voll schuldfähig | |
Dass D. unter starken psychischen Problemen litt, darüber waren sich alle | |
Prozessbeteiligten indes einig. Ein psychiatrischer Gutachter bescheinigte | |
dem Angeklagten eine Autismus-Spektrum-Störung, eigentlich hätte D. schon | |
als Kind in Behandlung gehört. D.s Kindheit, so war auch von Zeugen zu | |
hören, war ohnehin keine leichte. Von Mobbing und Schlägen war die Rede. | |
Und immer schon habe sich D. zurückgezogen. Freunde? Habe er eigentlich nie | |
gehabt. Im Adressbuch seines Mobiltelefons fanden die Ermittler nur wenige | |
Einträge – lediglich die Nummern von Familienangehörigen. | |
Die Persönlichkeitsstörung habe man beim Strafmaß durchaus berücksichtigt, | |
so Zuber. Nicht zuletzt ihretwegen sei man von einem minderschweren Fall | |
einer staatsgefährdenden Gewalttat ausgegangen, für die der Strafrahmen | |
zwischen drei Monaten und fünf Jahren liege. Auch dass jede der einzelnen | |
Vorbereitungshandlungen für sich genommen legal gewesen sei, der Angeklagte | |
noch über keine funktionsfähige Schusswaffe verfügt habe und auch noch kein | |
konkreter Ort und Zeitpunkt für einen Anschlag geplant gewesen seien, | |
hätten zu dieser Einschätzung beigetragen. | |
## Schutzbehauptung Schützenverein | |
Für den Angeklagten habe auch gesprochen, dass er geständig und nicht | |
vorbestraft gewesen sei und mit der Polizei bei den Ermittlungen kooperiert | |
habe, ihr auch seine Erkenntnisse über die Feuerkrieg Division | |
weitergegeben habe. Dennoch, auch hier stützte sich das Gericht auf das | |
psychiatrische Gutachten, sei D.s Fähigkeit, Unrecht einzusehen nicht | |
aufgehoben oder gemindert gewesen, er sei vollumfänglich schuldfähig | |
gewesen. | |
In der Erklärung des Verteidigers, sein Mandant habe sich die Waffenteile | |
lediglich besorgt, weil er einem Schützenverein habe beitreten wollen, sah | |
die Kammer jedoch eine Schutzbehauptung. D. habe schließlich jeden Kontakt | |
zu Menschen vermieden und auch keine Anstrengung in diese Richtung | |
unternommen, nachdem er sich einmal bei einem Arbeitskollegen über die | |
Möglichkeit einer Vereinsmitgliedschaft erkundigt habe. | |
Zur Bewährung wollte das Gericht die Strafe jedoch nicht aussetzen. Dafür | |
hätte es eine günstige Sozialprognose gebraucht. Die jedoch sei in D.s Fall | |
noch nicht gegeben, der Gutachter gehe vielmehr von der Gefahr der Begehung | |
weiterer Straftaten aus. So ordnete die Kammer im Anschluss an die Haft | |
vielmehr Führungsaufsicht für D. an. | |
5 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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