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# taz.de -- Telefonterror in Belarus: „Wasja, bist du das?“
> Was tun, wenn die Miliz auf dem Handy anruft? Das gibt es einige Regeln.
> Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Belarus. Folge 7.
Bild: Sollte die Miliz anrufen, dann gilt es einige wichtige Regeln zu beachten
In der letzten Zeit werden viele Belarussen telefonisch zu Gesprächen in
die [1][„Bezirksabteilungen für innere Angelegenheiten“] eingeladen. („Es
besteht der Verdacht, dass Sie an nicht genehmigten Veranstaltungen
teilgenommen haben.“) Die gewöhnliche, weltweite Praxis in solch einem Fall
– eine Vorladung zu verlangen und über seine Rechte zu sprechen –
funktioniert in unserem Land so nicht. Es gab schon Vorfälle, dass solche
„Einladungen“ mehrere Tage [2][Haft] zur Folge hatten.
Eine Freundin von mir erzählt, dass man sie wegen des Verdachts auf
Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung am 5. September zu
Gespräch gebeten habe. Auf die logische Frage: „Worauf basiert dieser
Verdacht?“, erhielt sie die merkwürdige Antwort: „Benutzen Sie ständig Ihr
Handy?“ Das bedeutet, wir haben es hier mit einer Handyortung zu tun – also
ob das Telefon an Orten von Massenversammlungen getrackt wurde. Tja, damit
bist du verdächtig. Und dabei ist es nicht wichtig, ob die Funkzellen
Reichweiten von ungefähr zwei Kilometer haben.
Eine andere Freundin, die schon an den Protesten 2010 teilgenommen hatte
und Juristin ist, teilt einen erprobten Lifehack: „Wenn dich irgendein
unbekannter Onkel anruft und dir solchen Blödsinn erzählt (unabhängig
davon, ob du bei der Demo warst oder nicht), sagst du erst mal gar nichts
(um dich ein bisschen zu sammeln und dich sozusagen in die Rolle
einzufinden). Und dann sagst du:„Wasja, bist du das? Wie mich deine dummen
Späße nerven. Denk dir mal was Originelleres aus.“
Und dann legst du den Hörer auf. Wenn sie wieder anrufen, machst du etwas
Ähnliches. Deine Aufgabe ist, dich ein bisschen blöd zu stellen, nicht über
die Angelegenheit zu sprechen, derentwegen sie anrufen, und das Gespräch
abzubrechen, sobald du durch den Anruf die wichtigste Information erhalten
hast. Das kann man auch vorm Spiegel üben, damit man im entscheidenden
Moment nichts verpatzt.“
Was bringt einem das? In vielen Fällen lassen sie vorübergehend oder sogar
ganz von dir ab, weil sie noch viele andere auf ihrer Telefonliste haben.
Zumindest aber schicken sie dir eine Vorladung, in der der Gesetzesparagraf
steht, auf den sie sich mit ihren Vorwürfen beziehen.
Damit hast du Zeit, dich um einen Rechtsbeistand zu kümmern. Und vor dem
Verlassen deiner Wohnung ein paar Dinge einzupacken wie Wäsche zum
Wechseln, Schuhe ohne Schnürsenkel, einen bequemen Hoodie und ein paar
Hygieneartikel. Und dich daran zu erinnern, dass es verfassungsrechtlich
nicht erlaubt ist, gegen sich selbst auszusagen.
Man muss allerdings auch sagen, dass die Absurdität dieser Situation
traurig ist: dass du dich gegen die Miliz wehren musst, statt sie zu Hilfe
zu rufen. Aber man muss die Tatsachen anerkennen, dass Belarus heute eine
Attraktion ist, die einer Geisterbahn gleicht.
Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey]
17 Sep 2020
## LINKS
[1] /Anders-gruessen-in-Belarus/!5713784
[2] /IT-Protest-in-Belarus/!5714016
[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Janka Belarus
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