# taz.de -- „Tatortreiniger“ wird beendet: Schotty packt’s dann mal | |
> Ende des Jahres ist es aus. Da sammelt Bjarne Mädel als „Tatortreiniger“ | |
> Schotty ein letztes Mal Gedärme ein. Schade für die Fans, gut für | |
> Schotty. | |
Bild: Für Tatortreiniger Schotty (Bjarne Mädel) war Dreck nur „Materie am f… | |
Der „Tatortreiniger“ macht Feierabend. Die kommenden vier sind die letzten | |
Folgen, Episode 31 schickt die Figur in einem würdigen Finale endgültig in | |
den Orkus der Fernsehgeschichte. Das Ende nach sieben kurzen Staffeln ist | |
für die zahlreichen Freundinnen und Freunde des wackeren Heiko „Schotty“ | |
Schotte (Bjarne Mädel) ein herber Schlag. Zugleich aber ist es eine | |
Entscheidung, die besser nicht sein könnte – und damit dem „Tatortreiniger… | |
wahrhaft würdig. | |
Am Anfang war diese Sendung ein Gag. Zumindest für den NDR, der die ersten | |
Folgen der Komödie ganz humorlos im Nachtprogramm versenkte. Nicht aus | |
bösem Willen, wie der Medienjournalist Stefan Niggemeier damals seufzend | |
anmerkte, sondern wegen der „üblichen Mischung aus Ahnungslosigkeit, | |
Desinteresse und bürokratischen Zwängen“. | |
Aber selbst in der Nacht im Dritten konnte sich ein Format von diesem | |
Format, konnte sich die einzige wirklich herausragende „kleine Form“ nicht | |
lange verstecken. Nach viralen Trommelwirbeln erreichte die | |
Zweitausstrahlung der mit 50.000 Zuschauern untergegangenen zweiten Folge – | |
ein Publikum von 650.000. | |
## Gesellschaftssatire und Slapstick | |
Die Idee ist einfach. Der Tatortreiniger ist ein so bodenständiger wie | |
offener Typ, der durchaus noch ein paar Fragen hat an die Welt. Er kommt, | |
wenn alles schon zu spät ist, sammelt Gedärme ein, wischt Blut auf, | |
schrubbt Hirnmasse aus Teppichen. Der Angestellte von „Gebäudereinigung | |
Lausen“ tut dies mit proletarischem, hanseatisch eingefärbtem Stolz. Er ist | |
Fachmann und sagt: „Dreck ist nur Materie am falschen Platz.“ | |
Der gewöhnliche „Tatort“-Quatsch, wer wen warum wie um die Ecke gebracht | |
hat – im „Tatortreiniger“ wurde er zugunsten psychologischer, | |
psychedelischer oder einfach sehr, sehr (also wirklich: sehr) komischer | |
Miniaturen kassiert. | |
Am Tatort begegnet er Fremden, Hinterbliebenen, Freunden und manchmal sogar | |
den Verstorbenen selbst – gespielt von der, wie man so sagen muss und darf, | |
Elite der deutschen Schauspielriege, von Fritzi Haberlandt bis Charlie | |
Hübner, von Matthias Brandt bis Sandra Hüller. Manchmal schaute Oli Schulz | |
vorbei, einmal hat sogar „Dittsche“ im Bademantel ein Cameo. | |
Auf diesem delikaten Tableau, in der Lücke zwischen „Es ist passiert!“ und | |
„Es ist nichts mehr zu sehen!“, war für den „Tatortreiniger“ alles mö… | |
Genialisches, oft. Und wenn Quatsch, dann eben nicht der gewöhnliche. In | |
der Folge „Der Fluch“ beispielsweise leidet der Hausherr unter einem | |
dichtwütigen Ahnen („Eine Sache, die dieses Haus betrifft, und ich schwöre | |
Ihnen: Ich bin nicht bekifft“). | |
Nicht nur diese Episode pendelt zwischen „Und täglich grüßt das Murmeltier… | |
und den großen Momenten eines Peter Sellers, zwischen Gesellschaftssatire | |
und großem Slapstick. Die Geschichten siedeln auf dem schmalen Grat | |
zwischen Entspannung und Präzision, wo sich beim kleinsten Stolperer das | |
Lachen so lange überschlägt, bis es kopfüber bei den letzten Fragen landet. | |
Wer sind wir? Was wollen wir hier? Was ist Begehren, was Kunst, was Stolz? | |
Wofür fürchten wir uns, wenn wir uns vor dem Tod fürchten? Und warum hauen | |
wir dem Neonazi („Schottys Kampf“) einfach aufs Maul? | |
Der Erfolg des „Tatortreinigers“ ist nicht nur Bjarne Mädel und seinem | |
kongenialen Regisseur Arne Feldhusen („Mord mit Aussicht“, „Stromberg“) | |
zuzuschreiben. Er beruht vor allem auf der Leistung einer Person, die in | |
der ersten Zeit nur unter dem Pseudonym „Mizzi Meyer“ firmierte – hinter | |
dem nicht wenige Fans sogar, der sprudelnden Ideen wegen, ein Kollektiv | |
vermuteten, einen handelsüblichen „writer’s room“ eben. | |
## Ende statt Siechtum | |
Tatsächlich verbarg sich dahinter Ingrid Lausund, hauptberuflich | |
Regisseurin und Autorin am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Die Frau | |
weiß, wie Kammerspiel geht. Sie weiß auch, wie schenkelklopfendes Gejohle | |
zu vermeiden ist. Und offenbar weiß sie als Expertin für Tiefe ebenso wie | |
für Timing, wann es auch mal gut ist. | |
Die Drehbuchautorin hat entschieden, dass nach sieben Staffeln Ende sein | |
soll. Das ist ungewöhnlich deshalb, weil Angehörige dieser Zunft, in | |
Deutschland zumal, noch immer als Mitschreiber betrachtet werden. Wer | |
ausfällt, ist zu ersetzen. Lausund nicht. Schottys Mutter ist unersetzlich. | |
Ungewöhnlich ist es auch deshalb, weil der „Tatortreiniger“ | |
konstruktionsbedingt noch lange nicht von jener Formschwäche und | |
Inhaltsleere angekränkelt ist, die bisher noch jede Sendung spätestens in | |
der zweiten Staffel befällt. Wohin man sonst auch schaut, nach einer Weile | |
wiederholen sich Charaktere und Wendungen. Plotverschleppung und narratives | |
Siechtum setzen ein. | |
Aus kommerziellen Gründen vegetieren nicht wenige Reihen in diesem | |
bejammernswerten Zustand fort; zur milden Zufriedenheit eines Publikums, | |
das gelernt hat, sich mit unterhaltsamem Ennui zu begnügen. Wer in den | |
vergangenen Jahren die zombiehaften „Simpsons“ verfolgte, wird, bei aller | |
ergebenen Konzilianz an die Legende, noch einen weiteren Aspekt bemerkt | |
haben: Mit fortschreitender Verwesung beginnt noch das beste Format | |
irgendwann, seine eigene Vergangenheit zu dementieren. | |
Wenn jeder Witz von jedem und in jeder nur denkbaren Variante bereits | |
mehrfach erzählt ist, drängt sich irgendwann der Verdacht auf, dass schon | |
der eigentliche Witz, bereits die ursprüngliche Idee schon sooo gut gar | |
nicht gewesen sein kann. Umgekehrt ist dem „Tatortreiniger“ hoch | |
anzurechnen, dass sein zeitiges Ende einem solchen Ermüdungsbruch der | |
Loyalität verbeugt. | |
Es ist, mehr noch, diese große Entscheidung gegen alle erklärten | |
Widerstände (Sender, Hauptdarsteller und Regisseur hätten gerne | |
weitergemacht) von genau der radikalen Konsequenz, die den „Tatortreiniger“ | |
bisher im Kleinen ausgemacht hat. | |
Auch Schotty wird das gefallen. Immerhin rettet das seine Ehre, noch bevor | |
sie überhaupt in Gefahr geraten konnte, verloren zu gehen. Mag sein, dass | |
er nun weg ist. Seine Überreste aber, das ist sicher, werden sich so | |
hartnäckig halten, dass selbst „Gebäudereinigung Lausen“ an ihrer | |
Entfernung scheitern würde. | |
16 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
## TAGS | |
Bjarne Mädel | |
NDR | |
öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
Fernsehen | |
Serien | |
TV-Krimi | |
NDR | |
Tatort | |
Justin Trudeau | |
TV-Serien | |
NDR | |
Bjarne Mädel | |
Fernsehen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dorfkrimi von und mit Bjarne Mädel: Monk mit Aussicht | |
Der Schauspieler Bjarne Mädel hat in dem Film „Sörensen hat Angst“ erstma… | |
auch die Regie übernommen. Ist ihm das gelungen? | |
NDR-Serie: Nackt in der Dorfkneipe | |
„Da is’ ja nix“ ist der Auftakt einer NDR-Serienoffensive. Acht neue | |
Produktionen sind bis zum ersten Quartal 2021 angekündigt. | |
Tatortreinigerfirmen auf Instagram: Die Faszination des Schrecklichen | |
Ein fragwürdiger Social-Media-Hype: Reinigungsfirmen aus den USA teilen | |
Bilder von Blutflecken auf Instagram. Dafür regnet es Likes. | |
Trudeau als Gast bei den Simpsons: Prioritäten, Herr Premier! | |
Der kanadische Premier Justin Trudeau tritt bei den Simpsons auf, doch er | |
spricht seine Figur nicht selbst. Das gibt Aufschluss auf sein | |
Zeitmanagement. | |
ZDF-Osterserie „Merz gegen Merz“: Comedy anno 2012 | |
Christoph Maria Herbst und Annette Frier in einer arg lauen neuen ZDF-Serie | |
von „Stromberg“-Erfinder Ralf Husmann: „Merz gegen Merz“. | |
Ingrid Lausund über den „Tatortreiniger“: „Die Leute lieben genau diese … | |
Die „Tatortreiniger“-Autorin übers Schreiben fürs Fernsehen, ihre | |
selbstgewählte Anonymität – und warum für „Schotty“ Schluss sein muss. | |
Bjarne Mädel über Theater und Film: „Fernsehen fand ich oberflächlich“ | |
Bjarne Mädel ist einem breiten Publikum als „Tatortreiniger“ bekannt | |
geworden. Ein Gespräch über Ernsthaftigkeit, Freundschaft und die beste | |
Diät. | |
NDR-Serie „Tatortreiniger“: „Wir sind nicht einfach“ | |
Der Norddeutsche Rundfunk zeigt wieder den fulminanten „Tatortreiniger“. | |
Ein Gespräch mit Hauptdarsteller Bjarne Mädel und Regisseur Arne Feldhusen. |