# taz.de -- „Tatort“ aus Köln: Als der Haustechniker tot vorm Eroscenter l… | |
> Nutten oder Sexarbeiterinnen? TV-Krimis im sogenannten Rotlichtmilieu | |
> schaffen es häufig nicht, auf dem schmalen Grat zu bleiben. Dieses | |
> Kammerspiel schon. | |
Bild: Ermittlungen im Erocenter: Kommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär) befragt… | |
Moment – wer? Beim ersten Blick in die Pressemappe zum neuen Köln-Tatort | |
fällt ein Name auf der Besetzungsliste sofort auf: Sabrina Setlur? Im | |
Tatort?! Stimmt, wo war die eigentlich die vergangenen 20 Jahre? Ihr Song | |
[1][„Du liebst mich nicht“] ist ja immerhin auch schon über 25 Jahre alt. | |
Setlur taucht nun also wieder auf als Chiara Passak. Die hat ein | |
Nagelstudio im 7. Stock des „Eroscenters“, war selbst mal Sexarbeiterin – | |
jetzt kümmert sie sich um den Look der ehemaligen Kolleginnen. Alle, so | |
heißt es, auf eigene Kasse, keine Zuhälter, 160 Euro kostet die Zimmermiete | |
am Tag. | |
Allein wie Regisseur Hüseyin Tabak die ersten knapp drei Minuten in die | |
Story von Dauer-Krimidrehbuchduo Eva Zahn und Volker A. Zahn einführt, ist | |
sagenhaft selten in dem Genre. Allein dafür lohnt es sich schon. Keine | |
Dialoge, nur Atmosphäre, Aufzug, Flure, gemächliche Vorstellung der | |
Hauptfiguren, die sich für die Arbeit richten, Jasmin Backes (Antonia | |
Bill), Cosima Adam (Senita Huskić), Tani Schiller (Maddy Forst). Und im Off | |
singt [2][Hilde Knef] über junge Träume, [3][„Mit 16, sagte ich still, ich | |
will, will alles oder nichts“]. | |
Und dann, kurz vor Ende der drei Minuten, liegt mittags ein Mann tot vorm | |
Eroscenter – in der „Siebten Etage“, so auch der Folgentitel, steht ein | |
Fenster auf. Der Tote war hier Haustechniker seit einem halben Jahr. Der | |
Geschäftsführer fischt einen Drohbrief an den Mann aus seinen Unterlagen, | |
als Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) zur | |
ersten Befragung vorbeischauen. Die Frauen, die dort arbeiten, waren eher | |
angepisst von dem Typen, ein frauenverachtender Kotzbrocken. Kein Suizid. | |
Eine halbe Stunde später: noch ein Mord. | |
## Abkehr von Kitsch und Stereotyp | |
TV-Krimis, die im sogenannten Rotlichtmilieu spielen, schaffen es häufig | |
nicht, auf jenem schmalen Grat zu bleiben: Zeigen sie die Frauen als | |
[4][Sexarbeiterinnen], Prostituierte, Nutten? Wer hat das Sagen über ihre | |
Arbeit – sie selbst oder die Zuhälter dahinter? Wird Sexarbeit verteufelt | |
oder wird im Sinne der Hurenbewegung betont, wie selbstbestimmt Frauen | |
diese Arbeit machen (können)? | |
Was man sagen kann: Im Zentrum dieses Kammerstücks, auf den Zimmern, den | |
Fluren, den kleinen Läden und Lokalitäten des charmefreien Kölner Graubaus, | |
stehen die Frauen – nicht die Ermittler. Jasmin, Cosima, Tani, Kaja, | |
Chiara, dazu dank „der Schnüttgens“ (Birgit Mascus), der Putzkraft, zum | |
vielleicht ersten Mal eine mit – ok, für süddeutsche Ohren zumindest – fa… | |
unverfälschtem Kölsch in der Stimme. Ihre Perspektiven, ihre Geschichten, | |
ihre Lebensfragen, ihr Alltag. Ohne Kitsch, ohne allzuviele Stereotype, | |
aber wer weiß das schon genau, so vom Schreibtisch aus. Die Zahns, so die | |
Info, hätten jedenfalls ausführlich recherchiert. | |
Die Frauen bekommen also Raum als mehrdimensionale Individuen – was ein | |
Glück für die Story und den Film. Was ein Glück, dass dies nicht der x-te | |
Sonntagabendkrimi-Paradefall zum Thema „Tote Prostituierte“ ist. | |
Und Sabrina Setlur? Die prägt sich ein in ihrer Bildschirmzeit – und spielt | |
keinen geringeren als André Eisermann („Schlafes Bruder“) als | |
Geschäftsführer locker an die Wand. | |
WDR-Tatort „Siebte Etage“, Sonntag, 24.11., um 20.15 Uhr, ARD | |
24 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=YfhsNZ4CSu4 | |
[2] /!1126519/ | |
[3] https://youtu.be/z_K_w1Yb5Yk?si=_NT6Rsb8LbDpLzU3 | |
[4] /Sexarbeit/!t5016492 | |
## AUTOREN | |
Anne Haeming | |
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