# taz.de -- Taliban in Afghanistan: Nur 50 Kilometer vor Kabul | |
> Die Taliban nehmen weitere Provinzhauptstädte ein und nähern sich einer | |
> militärischen Machtübernahme. Die Nato kommt zu einer | |
> Dringlichkeitssitzung zusammen. | |
Bild: Talibankämpfer am Donnnerstag in Ghasni | |
KABUL afp/dpa | Angesichts des raschen Vormarsches der radikalislamischen | |
Taliban in Afghanistan kommt die Nato an diesem Freitag zu einer | |
Dringlichkeitssitzung zusammen. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus | |
Nato-Kreisen erfuhr, wird Generalsekretär Jens Stoltenberg eine Sitzung der | |
Nato-Botschafter um 15.00 Uhr in Brüssel leiten. Zentrales Thema sollen | |
demnach die Planungen für Evakuierungsmaßnahmen in Afghanistan sein. | |
Die USA hatten am Donnerstag wegen des verschärften Konflikts die | |
Entsendung von rund 3.000 Soldaten in die Hauptstadt Kabul angekündigt. Sie | |
sollen bei der Evakuierung von US-Botschaftsmitarbeitern helfen. Die | |
Regierung in London will rund 600 Soldaten nach Kabul entsenden, um die | |
Botschaft abzusichern und die Ausreise von britischen Staatsbürgern sowie | |
früheren afghanischen Ortskräften zu unterstützen. | |
Parallel zum Nato-Truppenabzug vom Hindukusch haben die Taliban in den | |
vergangenen Wochen große Geländegewinne erzielt, die sich zuletzt | |
beschleunigten. | |
## Taliban rückt nach Kabul vor | |
Die Aufständischen nähern sich damit einer völligen [1][militärischen | |
Machtübernahme] im Land. Am Freitag verkündete die Miliz die Einnahme von | |
Kandahar, der zweitgrößten Stadt des Landes, Laschkargah sowie der | |
Hauptstädte der Provinzen Ghor und Logar. Durch die Eroberung der | |
letzteren, Pul-i-Alam, öffneten sich die Islamisten einen Zugang für den | |
weiteren Vormarsch in Richtung Kabul, das nur 50 Kilometer entfernt liegt. | |
Laschkargah in der Provinz Helmand war seit Wochen schwer umkämpft. Viele | |
Afghanen gingen aufgrund der heftigen Angriffe davon aus, dass sie die | |
erste wichtige Stadt sein werde, die an die Islamisten fällt. Als die | |
Regierung Ende Juli nur mehr zwei der zehn Polizeibezirke in der Stadt mit | |
geschätzt 200.000 Einwohnern hielt, wurden aus Kabul noch einmal | |
Spezialkräfte entsandt. Diese schafften es mit Unterstützung durch viele | |
Luftangriffe der afghanischen und der US-Streitkräfte zunächst, die Lage zu | |
stabilisieren, wobei aber auch ein Krankenhaus und eine Universität | |
getroffen wurden. | |
Nach anhaltenden schweren Angriffen und dem Einsatz auch von Autobomben | |
gegen das noch von der Regierung gehaltene Polizeihauptquartier allerdings | |
wendete sich die Situation in der Nacht zu Freitag zugunsten der Taliban. | |
Der Provinzrat Abdul Madschid Achundsada sagte am Freitagmorgen, die | |
Taliban hätten die gesamte Stadt eingenommen. Der Kommandeur des 205. | |
Armeekorps, Sami Sadat, sei mit dem Gouverneur ausgeflogen worden. | |
Restliche verbliebene Sicherheitskräfte hätten die Stadt auf dem Landweg | |
verlassen. | |
Damit fällt die 14. Stadt binnen einer Woche an die Islamisten. Von den | |
wichtigen Städten hält die Regierung nur noch die Hauptstadt Kabul, | |
Masar-i-Scharif im Norden und Dschalalabad im Osten. | |
## Evakuierung von Diplomaten | |
Am Freitagmorgen bestätigten Parlamentarier auch die Einnahme der | |
zweitgrößten Stadt des Landes, Kandahar, durch die Taliban, ihre bislang | |
wichtigste Eroberung. Kandahar mit seinen mehr als 650.000 Einwohnern ist | |
die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und das wirtschaftliche Zentrum | |
des Südens. Kandahar war der Geburtsort der Taliban-Bewegung in den 1990er | |
Jahren. Die Stadt diente zudem als Hauptstadt der Islamisten während ihrer | |
Herrschaft zwischen 1996 und 2001. | |
Mehr als drei Wochen lang kam es innerhalb der Stadt zu schweren | |
Zusammenstößen zwischen der Regierung und den Taliban in Kandahar, bevor | |
die Sicherheitskräfte die Stadt räumten, sagte der Parlamentarier Gul Ahmad | |
Kamin, der die Provinz im Parlament vertritt. Die Regierungstruppen hätten | |
schließlich die wichtigsten Behörden verlassen und im 205. Armeekorps der | |
Provinz Zuflucht gesucht. | |
Am Donnerstag allein konnten die Islamisten drei Städte einnehmen – | |
darunter die drittgrößte Stadt Herat und die strategisch wichtige Stadt | |
Gasni, die nur 150 Kilometer von Kabul entfernt liegt. Vertreter der | |
afghanischen Regierung haben die sich überschlagenden Ereignisse noch nicht | |
kommentiert. | |
Mehrere Staaten bereiten sich mittlerweile auf die Evakuierung ihrer | |
Botschaftsmitarbeiter und anderer Staatsbürger vor. Die US-Streitkräfte | |
verlegen sofort rund 3.000 zusätzliche Soldaten an den Flughafen in Kabul. | |
Damit solle eine geordnete Reduzierung des US-Botschaftspersonals | |
unterstützt werden, hieß es von einem Sprecher des | |
US-Verteidigungsministeriums. Zudem verlegen die USA demnach bis zu 4.000 | |
weitere Soldaten nach Kuwait und 1.000 nach Katar – für den Fall, dass | |
Verstärkung gebraucht wird. | |
Der Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan solle aber bis 31. August | |
abgeschlossen werden, so der Sprecher am Donnerstag. Auch Großbritannien | |
will rund 600 zusätzliche Soldaten schicken, um die Rückführung von Briten | |
aus Afghanistan zu sichern. Zuletzt hatte US-Präsident Joe Biden am | |
Donnerstag im Weißen Haus erklärt, die Afghanen müssten nun „selbst | |
kämpfen, um ihren Staat kämpfen“. | |
13 Aug 2021 | |
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