# taz.de -- TV-Serie „Helgoland 513“: Nicht mehr als Stückwerk | |
> Die ehrgeizige TV-Serie „Helgoland 513“ schafft es nicht, eine | |
> abgeschlossene Geschichte zu erzählen. Dabei war die Grundidee | |
> vielversprechend. | |
Bild: Bedrohliche Grundstimmung: Die Beteiligten der Serie „Helgoland 513“ … | |
Wer schon mal auf Helgoland war, wird sich wundern, denn die Außenaufnahmen | |
der von Sky produzierten TV-Serie „Helgoland 513“ wurden auf Sylt und Amrum | |
gedreht – und das sieht man auch. Die Serie spielt zwar auf der Titelinsel, | |
die im Jahr 2039 der einzige Ort ist, der nicht im Chaos einer globalen | |
Epidemie untergegangen ist. Aber die schicken Hütten mit Reetdach, in denen | |
die Inselbewohner leben, stehen offensichtlich in den Dünenlandschaften von | |
nordfriesischen Inseln und nicht auf den felsigen Böden der Hochseeinsel. | |
Knapp daneben also! Und das [1][kann man auch von der ganzen Serie sagen], | |
die offensichtlich sehr ambitioniert und aufwendig produziert wurde, aber | |
beim Schauen keine rechte Freude aufkommen lässt. Der Spaß ist schon | |
deshalb verdorben, weil die erste Staffel mit ihren sieben etwa 45 Minuten | |
langen Folgen nicht viel mehr als eine Exposition bietet und mit einem | |
Cliffhanger endet, nach dem es dann in weiteren Staffeln erst richtig | |
losgehen sollte. Aber da dies die letzte Produktion fiktionaler Stoffe von | |
Sky Deutschland ist, wird es keine Fortsetzungen geben. Und so ist dies | |
kein Spoiler, sondern eher eine Warnung davor, dass hier in über fünf | |
Stunden keine befriedigend abgeschlossene Geschichte erzählt wird. | |
Dabei ist der Ansatz vielversprechend und aktuell: Es wird davon erzählt, | |
was hätte passieren können, wenn eine Epidemie wie Corona noch verheerender | |
gewirkt hätte. Wenn ein Virus sich global noch schneller und tödlicher | |
verbreitet hätte. Und wenn Helgoland der einzige Ort wäre, den der | |
Krankheitserreger noch nicht erreicht hat. | |
Während überall anders die Welt im Chaos versinkt, entwickelt sich auf der | |
Insel der wenigen glücklich Davongekommenen ein totalitärer Kleinststaat, | |
der von einer ehemaligen Supermarktleiterin regiert wird, die von Martina | |
Gedeck als eine wild gewordene Kleinbürgerin mit viel machiavellischem | |
Machtinstinkt gespielt wird. Sie ist das Beste an der ganzen Serie und es | |
ist schade, dass man ihr Westentaschen-Waterloo nicht mehr sehen können | |
wird. | |
## Die Welt versinkt im Chaos | |
Ansonsten leidet „Helgoland 513“ an dem Grundproblem vieler Serien, die in | |
einem fantastischen oder utopischen Erzählkosmos spielen: Die | |
Drehbuchschreiber*innen und Regisseur*innen sind so damit | |
beschäftigt, ihre Welten zu bauen, dass die Dramaturgie dabei auf der | |
Strecke bleibt. In weiteren Staffeln wird dieses Manko dann oft behoben, | |
aber „Helgoland 513“ bleibt auch in diesem Sinne Stückwerk. | |
Nur [2][Martina Gedeck] bekommt als die Königin der Insel mit dem passenden | |
Namen Beatrice genug Raum und Text, um sie lebendig werden zu lassen. Die | |
vielen anderen, teils sogar vielversprechend angelegten Figuren bleiben | |
dagegen blass und unterentwickelt – sei es der Inselarzt Marek (Alexander | |
Fehling), der in seinem Labor nach einem Heilmittel sucht, die | |
TV-Influencerin Lola (Katrin Angerer), die mit ihren täglichen | |
Fernsehberichten einen winzigen faschistoiden Propagandaapparat aufbaut | |
oder der „Graf von Hamburg“ (Samuel Finzi), der als der Warlord der | |
Hansestadt über einen Hofstaat regiert, der an die apokalyptischen | |
Trümmerresidenzen aus den Mad-Max-Filmen erinnert. Am Ende der Staffel will | |
er mit seiner Armee von Halsabschneidern gerade in See stechen, um Beatrice | |
vom Thron zu stoßen. Aber die Fortsetzung folgt eben nicht. | |
Dabei wurden die Trümmerlandschaften des untergegangenen Hamburg (bei dem | |
übrigens die [3][Elbphilharmonie] den Michel als sofort erkennbares | |
Wahrzeichen abgelöst hat) vom Regisseur und Showrunner [4][Robert | |
Schwentke] mit viel Liebe zum gruseligen, digitalen Detail in Szene | |
gesetzt, und anders als bei den Spielorten auf der Insel sieht man hier auf | |
dem Bildschirm auch einmal das viele Geld, das in diese | |
High-End-Serienproduktion geflossen ist. | |
Damit wurde auch in den anderen Gewerken sorgfältig gearbeitet. So ist es | |
etwa durch die Kameraarbeit, Ausstattung, Farbdramaturgie und Lichtsetzung | |
gelungen, auf der Insel eine von der Angst gesättigte Atmosphäre zu | |
schaffen, in der die Menschen wie von einem ebenso toxischen, sozialen | |
[5][Virus] befallen wirken. Eine schöne Idee war es auch, jede Episode nach | |
einem deutschen Popsong zu benennen und diesen dann auch in einer | |
Schlüsselszene einzusetzen. | |
Bei „Marmor, Stein und Eisen bricht“ von Drafi Deutscher, „Deine Spuren im | |
Sand“ von Howard Carpendale oder „Auf Wiedersehen“ von Rudi Schuricke sor… | |
dies für geschickt gesetzte ironische Brechungen. Aber für „Da Da Da“ von | |
Trio waren die Rechte dann wohl doch zu teuer. Daher vermutlich bleibt es | |
bei dem nun komplett witzlosen Titel, der wohl bei der Endabnahme schlicht | |
übersehen wurde. | |
Dieser kleine Lapsus ist symptomatisch für die ganze Produktion, bei der | |
man bei jeder Einstellung den Ehrgeiz spürt, mit dem an internationale | |
Erfolge von deutschen Serien wie „Dark“ oder „Berlin Babylon“ angeknüp… | |
werden sollte. Aber dann hat es doch nicht für Helgoland gereicht, und man | |
musste sich mit Sylt und Amrum durchschummeln. | |
12 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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