# taz.de -- TV-Krimi Serienkiller im Grenzgebiet: „Erzähl mir nix vom richti… | |
> Und wieder macht sich ein bilaterales Ermittlerduo auf Mörderjagd im | |
> deutsch-österreichischen Grenzgebiet. Diesmal ist die Sache gelungen. | |
Bild: An der Grenz' gibt's aa an Mord: Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek im E… | |
Da wird also eine arg zugerichtete, sorgsam inszenierte Leiche gefunden, | |
nicht zufällig genau auf der Grenze zwischen zwei Ländern. Das Ermittlerduo | |
ist gemischt-geschlechtlich und bilateral besetzt, einer der Partner kann | |
als vergleichsweise normal durchgehen – der andere ist ziemlich | |
durchgeknallt. Klingelt da was? | |
„Die Brücke“. Ja. Nein. Die Rede ist auch nicht vom Remake der | |
dänisch-schwedischen Serie an der mexikanisch/US-amerikanischen Grenze | |
(„The Bridge“). Oder von der gleich zweifachen Adaption der Grundidee durch | |
das Zweite Deutsche Fernsehen: In „Die Toten vom Bodensee“ und „Die Toten | |
von Salzburg“ (wer sagt, dass Titel unterscheidbar sein müssen?) gehen | |
deutsch-österreichische Ermittlerduos grenzüberschreitend auf Mörderjagd – | |
wie für den RBB-„Polizeiruf“ ein deutsch-polnisches Pärchen. | |
Aber halt: Deutsch-österreichisches Ermittlerduo war schon das richtige | |
Stichwort. Der Bodensee ist nicht der Öresund, und ist nicht ein veritabler | |
Alpenpass eh die bessere Analogie? Statt „Die [1][Brücke]“ also: „Der | |
Pass“. Kein weiteres Remake, sondern lediglich: „inspiriert“. | |
So kann den durchgeknallten Part statt einer Autistin nun ein Wiener | |
[2][Schmähredner] übernehmen, misanthropisch, zynisch, kaputt. Vielleicht | |
ist der aus österreichischer Sicht ja der Normale. Und die deutsche | |
Konformistin mit ihrer Regelhörigkeit die Durchgeknallte. Wie Anna Loos und | |
Christiane Paul in ihren ZDF-Krimireihen hängt sie sehr an ihrem Vater, | |
den, wie in besagten Reihen, Ernst Stötzner spielt – Polizistinnenvater der | |
Nation? | |
## Bayern sprechen hochdeutsch | |
Ein weiteres Kuriosum ist, dass die Österreicher Mundart sprechen, während | |
die Deutschen aus Traunstein, Bayern, sich hochdeutsch ausdrücken. | |
Letzteres wurde übrigens auch schon Hans-Christian Schmid anlässlich seiner | |
Miniserie „Das Verschwinden“ (2017) vorgehalten, die (Miniserien-)Maßstäbe | |
gesetzt hat und deshalb immer eine Erwähnung wert ist. Schmid hat sich | |
damals so erklärt, dass er sonst in der Besetzung zu sehr eingeschränkt | |
gewesen wäre. Vor allem hätte er auf seine großartige Hauptdarstellerin | |
verzichten müssen, die Berlinerin Julia Jentsch. | |
Ebendiese Julia Jentsch haben nun auch die beiden Autoren und Regisseure | |
Cyrill Boss und Philipp Stennert für die weibliche Hauptrolle besetzt. Sie | |
sind, wie ihre Produzenten Wiedemann & Berg, in den 1970er Jahren geboren – | |
und damit für deutsche TV-Verhältnisse beinahe blutjung. Auf das Konto von | |
Wiedemann & Berg gehen der Überraschungshit „4 Blocks“ (TNT Serie) und die | |
allererste deutsche Netflix-Serie „Dark“. Hierzulande verkörpern sie | |
gewissermaßen die Avantgarde dieses neuen Serienzeitalters jenseits der | |
etablierten Fernsehsender. Wurde schon gesagt, dass „Der Pass“ auf Sky | |
läuft? | |
Auf Sky, wo gerade erst „Das Boot“ reanimiert wurde. Wo die Ambitionen | |
derzeit groß sind. „Der Pass“ ist nicht „Die Toten von sonst wo“, das … | |
(Musikproduzent: Hans Zimmer) und sieht man (Kamera: Philip Peschlow), die | |
Ausstattung ist bemerkenswert: Die Serie ist nur bis zur dritten Folge ein | |
Whodunit, danach kennt der Zuschauer den psychopathischen Serienkiller, der | |
seinen in etlichen Nordic-Noir-Varianten gesehenen Vorgängern nichts | |
Nennenswertes hinzuzufügen hat. Außer einer vom Künstler Veit Kowald | |
entworfenen Krampus-Maske, die ihn zum „Krampuskiller“ macht. | |
## Polnische Aufwärmsemmel | |
Fazit: Noch so ein Hochglanzprodukt, kann man sich angucken oder auch | |
nicht? Von wegen. Vergessen sei der Thriller-Plot, das ganze raunende | |
Gedöns von einer „roten Jahreszeit“, die da kommen soll. Drei Dinge machen | |
den „Pass“ unbedingt sehenswert: | |
1. Die Dialoge, gern die deutsch-österreichischen Klischees spielerisch | |
bedienend, oft saftig, immer punktgenau. | |
2. Die Figuren, lustvoll und detailreich gezeichnet, auch schon mal als | |
derbe Karikatur. Etwa der in Jeans und Janker gewandete „Kandidat | |
Landeshauptmann“, der nicht von ungefähr Jörg heißt wie einst der Haider: | |
„Man muss die Dinge aufs Wesentliche reduzieren. Wie kann’s zum Beispiel | |
sein, dass ich hier in meinem wunderbaren Salzburg nur mehr Marmelaad aus | |
Mazedonien kaufen kann, die i mir dann auf mei polnische Aufwärmsemmel | |
draufschmier’n muss? Obwohl wir hier die beste Marmelade der Welt haben!“ | |
3. Nicholas Ofczarek. Sagt man heute noch: Großschauspieler? Groß ist er | |
(184 cm), der Burgschauspieler, und breit. In seinem Ludenmantel mit | |
Pelzbesatz noch ein bisschen breiter. Als maximal schmieriger, lange schon | |
korrupter, denkwürdig durchgeknallter Bulle erweist er sich als der beste | |
Wiedergänger, den es je gab, von keinem Geringeren als Captain Hank | |
Quinlan, wie ihn der … Großschauspieler Orson Welles im Genre-Meisterwerk | |
„Touch of Evil“ gegeben hat. Das genaue Gegenteil seiner anständigen | |
deutschen Kollegin: „Erzähl mir nix vom richtigen Weg! Es gibt kaan! Keine | |
Regeln, keine Gerechtigkeit! Der einzige Weg geht am Oarsch vorbei!“ | |
25 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Br%C3%BCcke_%E2%80%93_Transit_in_den_Tod | |
[2] https://www.arte.tv/de/videos/079739-003-A/grosse-reden-thomas-bernhard/ | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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