# taz.de -- Studium trotz schwacher Abi-Note: Bildungsasyl an den Karpaten | |
> Abiturienten, die in Deutschland keinen Studienplatz finden, werden in | |
> Rumänien umworben: Die Unis bieten Programme auf Deutsch – von Medizin | |
> bis BWL. | |
Bild: Auch schön: Die Uni-Bibliothek von Bukarest. | |
BERLIN taz | Viktoria will unbedingt Kinderärztin werden. Aber mit einer | |
Abi-Note, die schlechter als zwei ist? In Deutschland konnte sie damit | |
nirgends einen Medizinstudienplatz bekommen. Darum studiert die 22-Jährige | |
nun in Temeswar, einer 300.000-Einwohner-Stadt im Westen Rumäniens. | |
Vor zwei Jahren fand sie das Land nicht einmal auf der Landkarte. „Meine | |
Freunde fragten mich anfangs verdutzt, was ich denn in Osteuropa wolle.“ | |
Heute will Viktoria das Studium nicht mehr missen: Die Ausbildung sei | |
praxisnah, die Hörsäle nicht so überfüllt wie an mancher deutschen Uni. | |
Viktoria ist nicht die einzige Deutsche, die die Flucht vor dem Numerus | |
clausus nach Rumänien verschlagen hat. Wie viele Deutsche genau in Rumänien | |
studieren, lässt sich schwer ermitteln. Der Deutsche Akademische | |
Austauschdienst (DAAD) geht von rund 300 Studenten aus – nicht viel, aber | |
eine Verachtfachung binnen vier Jahren. | |
Auch Andre Motoc, der Vizedekan der Medizinischen Fakultät an Viktorias | |
Uni, berichtet von einem Ansturm deutscher Studierender – deswegen soll | |
demnächst ein Studiengang komplett auf Deutsch starten. Ungewöhnlich ist | |
das nicht: Über 73 deutschsprachige Studiengänge an 19 Universitäten locken | |
Studierende ins Land, hat der DAAD ermittelt. Und die Unis haben es längst | |
nicht mehr nur auf die Mediziner abgesehen: Das Fächerspektrum reicht von | |
Betriebswirtschaft, Journalistik bis hin zu Europawissenschaften. | |
## Österreich und die Schweiz erschwerten den Zugang | |
Dass Deutsche zum Studieren immer weiter in den Osten flüchten, könnte auch | |
daran liegen, dass Österreich und die Schweiz ihnen mittlerweile den Zugang | |
zu ihren Hochschulen erschwert haben. Österreich hat 2008 eine Regelung | |
einführt, nach der 75 Prozent der Medizinstudienplätze für Einheimische | |
reserviert sind. Die Schweiz übernimmt seit dem vergangenen Jahr die | |
deutschen NC-Grenzen – außer für heimische Bewerber. | |
In Rumänien gibt es all das nicht. Dafür muss man tief in die Tasche | |
greifen: Je nach Universität zahlen Studierende 2.000 bis 5.000 Euro pro | |
Jahr. Ursprünglich richtete sich die Gebührenhöhe nach der Nationalität der | |
Studierenden. Die Europäische Kommission hat Rumänien aber dazu ermahnt, | |
alle Studenten aus der EU gleich zu behandeln. | |
Geändert hat sich dadurch wenig: Die Gebühren unterscheiden sich nach der | |
Unterrichtssprache. Deswegen zahlen Einheimische in rumänischsprachigen | |
Studiengängen mit rund 500 Euro deutlich weniger. Ausländische Studierende | |
können sich allerdings für ein Stipendium bewerben, mit dem ihnen die | |
Gebühren erlassen werden. Voraussetzung ist ein sehr guter Studienerfolg. | |
Peter Hiller, beim DAAD zuständig für Osteuropa, sieht in den hohen | |
Gebühren ein Problem: „Die Zielgruppe für die Studiengänge sind also jene, | |
die es sich leisten können.“ | |
„Klar“, sagt auch Studentin Viktoria, „es ist teuer, hier zu studieren. | |
Dafür sind die Lebenshaltungskosten gering.“ Viktoria hat Glück: Ihre | |
Eltern sind Zahnärzte und können die 5.000 Euro Gebühren bezahlen. | |
29 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Gamperl | |
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Studiengang Medizin | |
Medizin | |
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