# taz.de -- Kommentar Studienanfänger: Die Rückkehr des Bummelstudenten | |
> Mit einem Durchschnittsabi bekommt man heute keinen vernünftigen | |
> Studienplatz. Das führt zu verlangsamten Biografien und merkwürdigen | |
> Konstellationen. | |
Die Zahl der Studienanfänger an deutschen Hochschulen hat einen neuen | |
Rekord erreicht. Die doppelten Abiturjahrgänge in Bayern und Niedersachsen, | |
die Aussetzung der Wehrpflicht führte zu dem Ansturm. Das heizt den | |
Wettbewerb unter den Abiturienten an: Junge Leute, die nur mit einer | |
durchschnittlichen Abinote an die Unis wollen, haben kaum eine Chance auf | |
einen vernünftigen Studienplatz. Das führt zu absurden Konstellationen. | |
Das Dilemma kennen Eltern und Kinder, die mit einem Abiturdurchschnitt von | |
2,7 oder schlechter nachhause kommen. Wer zum Beispiel Soziale Arbeit, | |
Psychologie oder Betriebswirtschaft studieren will, hat mit einem solchen | |
Schnitt an den allermeisten staatlichen Universitäten erstmal keine Chance. | |
Das Argument, hierbei handele es sich nur um normalen Wettbewerb unter | |
Abiturienten, den man akzeptieren muss, zieht dabei nicht. | |
Die Zulassungsbeschränkungen haben nichts mit den inhaltlichen | |
Anforderungen in den Fächern zu tun, sondern mit dem arithmetischen | |
Verhältnis von Studienplatzinteressenten und vorhandenen Studienplätzen. | |
Das führt zur denkwürdigen Konstellation, dass etwa in Informatik oder | |
Maschinenbau vielerorts kein Numerus Clausus vorgeschaltet ist, obwohl es | |
sich um die anspruchsvollsten Fächer handelt. Viele Studienanfänger in den | |
Ingenieurswissenschaften, die ohne NC einen Platz bekamen, werfen in den | |
ersten Semestern das Handtuch. | |
Gerade der Wettbewerb um die Studienplätze führt so paradoxerweise zur | |
biographischen Verlangsamung. Der Durchschnittsabiturient schaltet ein paar | |
Semester in Ethnologie oder Orientalistik dazwischen, oder vielleicht ein | |
Jahr Freiwilligendienst oder einen längeren Auslandsaufenthalt – in der | |
Hoffnung nach einiger Zeit vielleicht doch noch den begehrten Studienplatz | |
in Psychologie oder Soziale Arbeit zu ergattern. | |
Der in den 70er und 80er Jahren viel geschmähte „Bummelstudent“ kehrt so in | |
unfreiwilliger Variante wieder. Wer hätte gedacht, dass eine | |
Bildungspolitik sich solchermaßen selbst torpediert. Ohne mehr Geld für die | |
Universitäten, das sich dann auch in Plätzen niederschlägt, wird es nicht | |
gehen. | |
Update 16.03.12 16.30: Nach Hinweisen aus den LeserInnenkommentaren hat die | |
Autorin eine Änderung in Bezug auf den Studiengang „Soziale Arbeit“ und die | |
Anrechnung von Wartesemestern vorgenommen. | |
16 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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