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# taz.de -- Hohe Nachfrage nach Studienplätzen: Realität gefährdet Sparpläne
> Die Unis im Westen sind überlaufen, die im Osten gelten als Geheimtipp.
> Die ostdeutschen Hochschulen jubeln - und sollen Stellen streichen.
Bild: Volle Hütte: Vorlesungssaal an der Uni Leipzig.
DRESDEN taz | Ein bisschen ist es wie in der DDR. Wenn der Plan und die
Wirklichkeit nicht übereinstimmen, ist nicht der Plan falsch, sondern die
Wirklichkeit. So haben die ostdeutschen Länder infolge des Geburtenknicks
mit einem deutlichen Rückgang der Studienanfänger spätestens ab 2010
gerechnet und entsprechende Pläne zum Abbau von Stellen an den Hochschulen
erarbeitet.
Stattdessen steigt aktuell die Nachfrage nach Studienplätzen an
ostdeutschen Hochschulen immer noch leicht an. Die doppelten
Abiturjahrgänge im Westen weichen verstärkt auf den Osten aus.
Noch vor einem Jahr verkündete etwa Sachsens parteilose
Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer vor der Rektorenkonferenz,
dass man 2011 mit insgesamt 95.000 Studierenden an Sachsens Hochschulen
rechne. Tatsächlich sind derzeit gut 110.000 eingeschrieben.
Damit erfüllt Sachsen einerseits locker die Bedingungen für den
Hochschulpakt 2020 mit der Bundesregierung. Der sichert ostdeutschen
Ländern zusätzliche Bundesmittel zu, wenn sie Studienplätze für den Ansturm
westdeutscher Studienbewerber vorhalten. Andererseits aber gilt die
Verpflichtung des laufenden sächsischen Haushaltplanes, ab 2013 jährlich
100 Stellen im Hochschulbereich abzubauen.
## Chronisch unterfinanzierte Hochschulen
Kurz vor der im Dezember erwarteten Kabinettsvorlage des
Hochschulentwicklungsplanes wird dieser Widerspruch in Sachsen erneut
öffentlich diskutiert. Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften, die
Opposition und die Bildungsgewerkschaft GEW verlangen die Aussetzung der
beabsichtigten Kürzungen. Linken-Hochschulpolitiker Professor Gerhard
Besier verweist auf die ohnehin chronische Unterfinanzierung der hiesigen
Hochschulen. Mit nur 6.900 Euro je Student liege Sachsen nur auf Platz 12
im Vergleich der Bundesländer.
Selbst wenn die Studierendenzahlen mittelfristig leicht sinken sollten,
plädiert der Grünen-Landtagsabgeordnete Karl-Heinz Gerstenberg für eine
"demografische Rendite", um sich wieder den günstigen Studienbedingungen
der neunziger Jahre zu nähern.
SPD-Hochschulpolitiker Holger Mann hält es für besonders bedenklich, dass
der beabsichtigte Stellenabbau in Verbindung mit der schmalen
Grundfinanzierung der Hochschulen schon jetzt seine Schatten vorauswirft.
"Die Kanzler bremsen bei allem, was kostet", sagt er. Dabei werden meist
bestimmte Fachrichtungen ausgedünnt.
## HTWK musste 300 Bewerber abweisen
So bleiben bei der Politikwissenschaft an der Leipziger Universität gleich
drei Professuren unbesetzt, die Hochschule Zittau/Görlitz wickelt den
Fachbereich Bauwesen ab.
Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig bietet
Mathematik nur noch als Grundlagenfach an. "Wir sind in der Zwickmühle, uns
völlig konträr zum regionalen Arbeitsmarkt verhalten zu müssen", sagt
Rektorin Renate Lieckfeldt. In diesem Jahr habe die HTWK mangels Kapazität
300 Bewerber abweisen müssen.
Wenn Sparzwänge ostdeutsche Hochschulen unattraktiver machen, könnte das
genau jene Studienbewerber bremsen, die jetzt den Rückgang der
"eingeborenen" Abiturienten kompensieren. In Thüringen beispielsweise ist
die Importquote in diesem Herbstsemester noch einmal sprunghaft auf 40
Prozent gestiegen.
Ein Sprecher des Kultusministeriums macht dafür auch verbesserte
Studienbedingungen verantwortlich. Thüringer Hochschulen erhalten 2012 bis
2015 über 120 Millionen Euro mehr vom Land als bisher. Astrid
Rothe-Beinlich von der Grünen-Landtagsfraktion könnte sich darüber
vorbehaltlos freuen - gingen nicht durch das Stellenabbaukonzept des Landes
dennoch 238 Stellen verloren.
An der Universität Magdeburg in Sachsen-Anhalt kommen mittlerweile sogar 53
Prozent der Studienanfänger aus westdeutschen Ländern und dem Ausland. Im
zuständigen Wirtschaftsministerium hält man das für einen Erfolg der
Werbekampagnen und der wachsenden Studierneigung, freut sich aber auch über
die in einer Rahmenvereinbarung bis 2013 festgeschriebenen konstanten
Hochschulbudgets. Was danach kommt, will angesichts der postulierten
Schuldenbremse bei sinkenden Landeseinnahmen niemand prophezeien.
12 Dec 2011
## AUTOREN
Michael Bartsch
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