# taz.de -- Zahl der Studienanfänger gestiegen: Einschreiben, fertig, los! | |
> An den Unis steigt die Zahl der Erstsemester um satte 15 Prozent. Grund | |
> sind nicht nur die doppelten Abiturjahrgänge und das Aussetzen der | |
> Wehrpflicht. | |
Bild: Volle Hörsäle wird es wohl auch nächstes Jahr wieder geben. | |
BERLIN taz | Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik beginnen im | |
laufenden Jahr mehr als eine halbe Million junge Menschen ein Studium. | |
Bundesweit gibt es 515.800 Erstsemester, meldete das Statistische Bundesamt | |
am Mittwoch. Gründe für den Zuwachs seien die doppelten Abiturjahrgänge in | |
Bayern und Niedersachsen sowie das Aussetzen der Wehrpflicht. Allerdings | |
steigt die Zahl der Studierenden auch ohne diese Faktoren bereits seit | |
Jahren an. | |
Für Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, | |
ist das ein Glücksfall: "Akademiker werden dringend gebraucht", sagt sie. | |
Wintermantel gibt aber auch zu bedenken, dass die Situation an vielen Unis | |
"zum Zerreißen gespannt" sei. Dort kämpfen Studierende um Plätze in | |
überfüllten Hörsälen, es gibt für sie weder genug DozentInnen noch | |
bezahlbare Wohnungen. "Eine enorme Kraftanstrengung", meint Wintermantel. | |
Auch die Unis haben große Mühe, sich um alle StudienanfängerInnen zu | |
kümmern. "Wir haben nicht mit einem so extremen Anstieg gerechnet", sagt | |
etwa Beate Kostka, Pressesprecherin der Uni Duisburg-Essen (UDE). Ihre | |
Hochschule hat im laufenden Semester 1.500 Studierende mehr aufgenommen als | |
2010. An der Uni Köln sind es ebenfalls 1.500 "Erstis" mehr, in | |
Frankfurt/Main sogar 2.000. | |
## Vorlesungen im Kinosaal | |
Not macht erfinderisch. Die UDE hat sieben Kinosäle angemietet, dort finden | |
nun Vorlesungen vor allem für Lehramtsstudierende statt. Doch trotz der | |
bequemen Kinosessel finden nicht alle die Ausweichquartiere gut: "Es gibt | |
keine Schreibunterlagen und die Beleuchtung ist schlecht", sagt Jens | |
Eißmann, Vorsitzender des Asta der UDE. | |
Die Uni versucht laut Kostka Missstände wie den Platzmangel zu beheben, | |
indem sie neue Hörsaalzentren baut, mehr DozentInnen einstellt und neue | |
Studienplätze schafft. Allerdings sei dies im Hinblick auf den doppelten | |
Abiturjahrgang 2013 in NRW geschehen, "und diese Plätze sind jetzt | |
ausgeschöpft". Deshalb, so Kostka, brauche die Uni "mehr Geld von der | |
Politik". | |
Das fordert auch Wintermantel. "Der Bund muss seinen Anteil an der | |
Grundfinanzierung erhöhen." Konkret soll der Hochschulpakt zwischen Bund | |
und Ländern aufgestockt werden. Das Bildungsministerium hingegen sieht | |
keinen Handlungsbedarf. Pressesprecher Robin Mishra hält es für "verfrüht", | |
über eine Aufstockung des Hochschulpaktes zu diskutieren. | |
DGB-Vorstand Matthias Anbuhl hingegen gibt zu bedenken, dass die | |
"chronische Unterfinanzierung der Hochschulen" viele vom Studieren abhalte. | |
"Es gibt ein Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden von | |
60:1, der Wissenschaftsrat empfiehlt aber eines von 40:1. Anstatt in die | |
Lehre zu investieren, fördert der Bund lieber handverlesene | |
Exzellenzuniversitäten." | |
23 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Timo Reuter | |
## TAGS | |
Staatsexamen | |
Schwerpunkt Occupy-Bewegung | |
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