# taz.de -- Reportage vom Berliner Bildungsstreik: Frieren für die Mitbestimmu… | |
> Zu den bundesweiten Protesten kommen deutlich weniger Teilnehmer als | |
> erwartet. Doch die Anwesenden denken nicht daran, nachzulassen. | |
Bild: Waren besser besucht: Die Bildungsproteste der vergangenen Jahre. | |
BERLIN taz | Leo Galen steht wieder vor dem Roten Rathaus, eingepackt in | |
seinen Wintermantel. Weil die Proteste 2009 trotz großem Zulauf nichts | |
gebracht hätten, sagt er. | |
Also demonstriert der 22-Jährige ungeachtet der Temperaturen um den | |
Gefrierpunkt am Donnerstagmittag erneut "gegen den Bildungsklau" - und will | |
"so oft wiederkommen, bis sich was ändert". Wie lange das sein wird, kann | |
der Student der Regionalstudien Afrika und Asien nicht sagen. "Ich hoffe | |
schon auf ein gewisses Echo aus der Politik." | |
Und das, obwohl die Teilnehmerzahlen des diesjährigen Bildungsstreiks weit | |
unter denen von vor zwei Jahren liegen - im Juni 2009 demonstrierten | |
bundesweit rund 250.000 Menschen. In diesem Jahr hingegen erfüllten die | |
Zahlen nicht die Erwartungen: In Berlin hatten die Veranstalter mit 5.000 | |
Demonstranten gerechnet, nach Angaben von Polizei und Vertretern des Asta | |
der TU war es nur rund die Hälfte. Auch in anderen deutschen Städten | |
blieben die Teilnehmerzahlen überschaubar: In München waren es rund 1.500 | |
Protestierer, in Köln 1.000. | |
"Heute erzielen die Proteste deutlich weniger Wirkung als vor zwei Jahren", | |
klagt Leo Galen. Das liege aber nicht an den Themen, denn die seien mangels | |
politischer Veränderungen nach wie vor dieselben: mehr Mitsprache und eine | |
bessere Finanzierung der Bildungseinrichtungen. Es habe kaum Verbesserungen | |
bei den Studienbedingungen gegeben, sagen auch Vertreter von | |
Studierendenorganisationen. | |
## Demos werden unbeliebter | |
Warum ebben die Proteste also derart ab? Bei der Organisation sei einiges | |
schiefgelaufen, sagt Leo Galen, der sich selbst an der Humboldt-Universität | |
in der Juso-Hochschulgruppe politisch engagiert. Viel sei zu spät oder gar | |
nicht angelaufen. Zudem wählten studentische Aktivisten zum Erreichen ihrer | |
Ziele anstelle des Protests zunehmend den juristischen Weg. "Viele haben | |
2009 gesehen, dass die Demos nicht viel bringen, und erklagen nun ihre | |
Zulassung zu Masterstudiengängen." | |
Außerdem seien viele Aktivisten zeitgleich in anderen Aktionen engagiert, | |
wie etwa den Castortransporten oder der Occupy-Bewegung. "Durch Eurokrise | |
oder Stuttgart 21 ist in der Öffentlichkeit eine Sensibilität für Probleme | |
gewachsen. Das wäre auch für uns eine Chance, auf unsere Forderungen | |
aufmerksam zu machen", sagt Leo Galen. Er findet, dass zurzeit ungewöhnlich | |
viele Themen auf der politischen Agenda stünden. Einzig das mit der | |
Aufmerksamkeit habe bisher noch nicht so recht geklappt. Ist die Luft also | |
raus? | |
Diejenigen, die dabei sind, wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Einer von | |
ihnen ist Felix. Er hält ein Schild hoch, auf dem steht: "Vier Jahre kein | |
Studienplatz. Klage gescheitert, dann doch angenommen. Nach drei Wochen | |
Studium von der Polizei aus der Uni geräumt." Er spielt auf die Besetzung | |
der Berliner FU und deren anschließende Räumung am Mittwoch an. | |
Die Streiks, auch mit weniger Teilnehmern, sollen weitergehen. Mit Felix | |
und mit Leo. Egal bei welchem Wetter. | |
18 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Timo Reuter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Occupy-Bewegung | |
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