# taz.de -- Streit um Hindenburg: Ehre nur, wem Ehre gebührt | |
> Auch in Bremen steht nun Hindenburgs Eignung als Ehrenbürger zur Debatte. | |
> Anlass ist die Wiederkehr des Weltkriegsbeginns. | |
Bild: Ungeliebter Ehrenbürger: Hindenburg beim Stapellauf der "Bremen". | |
BREMEN taz | „Auf diesen Mit-Ehrenbürger kann ich gut verzichten.“ So | |
reagiert Klaus Hübotter auf die aktuelle Initiative, Paul von Hindenburg | |
von der Bremer Ehrenbürger-Liste zu streichen. Hübotter ist Bremens | |
jüngster Ehrenbürger, bei seiner Ernennung 2010 rief er im Rathaus zum | |
energischen Protest gegen einen Neonazi-Aufmarsch in der Neustadt auf. Als | |
dieser dann stattfand, stand Hübotter mit weiteren Ehrenbürgern an der | |
Spitze der Gegendemonstration. | |
Bremen hat bislang 30 Ehrenbürger, den Ausschluss der Nummer 18, | |
Hindenburg, beantragt nun die Fraktion der Linkspartei. Anstelle des | |
Feldmarschalls und Reichspräsidenten, der Hitler am 30. Januar 1933 zum | |
Kanzler ernannte, soll demnach Ludwig Quidde Ehrenbürger werden. Der | |
engagierte Pazifist und Friedensnobelpreisträger des Jahres 1927 wird in | |
Bremen nach Ansicht der Linkspartei bislang nicht ausreichend gewürdigt. | |
Quiddes politisch-moralische Verdienste stehen außer Zweifel – doch der | |
Vorschlag der Linkspartei übersieht die Hürde, dass nur Lebende Ehrenbürger | |
werden können. Ihr Hindenburg-Vorstoß hingegen ist durchaus chancenreich: | |
In immer mehr Kommunen ist der Militär nicht mehr mehrheitsfähig, er hat | |
bereits zahlreiche Ehrenbürgerschaften und Straßenpatronate eingebüßt. | |
Mancherorts geschieht das mit der CDU, wie 2010 in Stuttgart, manchmal | |
gegen sie, wie Anfang des Jahres in Kiel – aber es geschieht immer | |
häufiger. 2013 in Hamburg zugunsten einer Otto-Wels-Straße, 2012 in | |
Münster, zuvor in Köln und Dortmund in Bezug auf Ehrenbürgerschaften, schon | |
1945/46 in Gelsenkirchen und München. | |
Protokollchefin Birgitt Rambalski verweist darauf, dass in Bremen | |
Ehrenbürgerschaften mit dem Tod des Ausgezeichneten ohnehin erlöschen – was | |
den Senat aber nicht davon abhielt, sich 1946 offiziell von Adolf Hitler zu | |
trennen. Der war bereits im März 1933 zum Bremer Ehrenbürger ernannt | |
worden. „Die Tatsache der Verleihung und deren politisch-symbolische | |
Begründung bleiben als solche über den Tod hinaus erhalten“, erklärt | |
Rambalski. Schließlich handele es sich um „die höchste Ehre, die Bremen zu | |
vergeben hat“. | |
Dass Bremen aus der NS-Zeit lediglich Hitler zu entsorgen hatte, liegt am | |
Führer selbst: Ein reichsweiter Erlass regelte bereits im August 1933, dass | |
„nur noch in ganz außergewöhnlichen Fällen“ Ehrenbürgerschaften beantra… | |
werden dürften – nach Hitler hing die Latte aus Sicht der NS-Führung zu | |
hoch. Auf diese Weise blieben Bremen der Kolonialist Lettow-Vorbeck und | |
Gauleiter Röver erspart, die als heiße Kandidaten galten. | |
Allerdings ist umstritten, ob Bremen mit Otto Telschow nicht einen anderen | |
Gauleiter als Ehrenbürger „geerbt“ hat: Der Chef von Ost-Hannover wurde | |
1933 Ehrenbürger der damals preußischen Gemeinde Blumenthal, die 1939 | |
Bremen zugeschlagen wurde. Zahlreiche Gemeinden haben sich mittlerweile von | |
Telschow losgesagt, zuletzt, Anfang 2014, Soltau. Doch der Bremer Senat | |
fühlt sich bislang nicht zuständig, im Gegensatz zu Bremerhaven – dort | |
wurde Telschow bereits 1945 gestrichen, obwohl ihn auch Bremerhaven | |
lediglich via Wesermünde geerbt hat. | |
Hindenburgs Bremer Ehrenbürgerschaft datiert von 1917. Anlass der Ehrung | |
war dessen 70. Geburtstag, doch angesichts der bereits dramatischen | |
Kriegslage wurde sie zum vaterländischen Fanal: Als die aufwendig | |
gestaltete Urkundenmappe schließlich vorlag, war der Kaiser schon nach | |
Holland geflohen, Hindenburgs Rolle als „Totengräber der Demokratie“ | |
allerdings noch Zukunftsmusik. Der Antrag der Linkspartei betont denn auch | |
klugerweise Hindenburgs Rolle im Ersten Weltkrieg als Mitverantwortlichen | |
des U-Boot-Kriegs und energischem Gegner von Friedensverhandlungen. | |
1989 hat Bremen seine Hindenburgstraße im Viertel nach Salavador Allende | |
umbenannt. In Lesum gibt es noch eine Hindenburgstraße, doch wenigstens ist | |
die früher dort angesiedelte Schule umgezogen. | |
27 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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