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# taz.de -- Straßennamen in Hamburg: Zum Abschuss freigeben?
> Nach dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg ist in Hamburg
> eine Straße benannt. Die Grünen fordern, die Straße umzubenennen und ihm
> die Ehrenbürgerschaft abzuerkannen. Ist dieser Vorschlag überfällig? Ein
> Pro und Contra
Bild: Der Präsident (rechts) und sein Kanzler: Paul von Hindenburg in Uniform …
## Ja:
Werden Straßen nach Personen benannt, geschieht das zunächst einmal, um
diese zu ehren. Heute an einem Straßenschild festzuhalten, dass den
Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der Hitler
und dem Nationalsozialismus Tür und Tor öffnete, als bedeutende historische
Persönlichkeit würdigt, ist völlig abwegig.
Der historische Wert dieses Straßenschilds liegt vor allem darin, dass es
Aufschluss über die Nachlässigkeit und mangelnde Bereitschaft des Bezirks
und der Stadt gibt, die Geschichte aufzuarbeiten. Das wird nur noch durch
die Tatsache gekrönt, dass Hindenburg in Hamburg bis heute den Status eines
Ehrenbürgers genießt. Derartige Ehrungen sind mit einem demokratischen
Selbstverständnis nicht vereinbar.
Ein Straßenschild ist für eine kritische historische Auseinandersetzung mit
zweifelhaften Persönlichkeiten absolut ungeeignet. Aus diesem Grund werden
Straßen eben meist nach Personen benannt, die Vorbildcharakter haben. Aus
dem schlichten Grund, weil Straßenschilder in der Regel unkommentiert
bleiben. Sollen sie dem historischen Gedächtnis dienen, darf die kritische
Auseinandersetzung nicht fehlen. Wollte die Stadt mit Straßenschildern
ernsthaft in einer angemessenen Form erinnern, müsste sie die Schilder mit
Hinweistafeln versehen, die alle Umbenennungen mit den historischen Gründen
sichtbar machen.
Mit Straßennamen wird Politik gemacht. Die Schilder spiegeln, inwiefern
eine Stadt bereit ist, sich der eigenen Geschichte zu stellen und in
welchem Licht sie sich präsentiert. Ein gutes Beispiel ist der Umgang
Hamburgs mit seiner kolonialen Vergangenheit. In der Hafencity, dem größten
Stadtentwicklungsgebiet der Stadt, wurden viele neue Straßen und Plätze -
ganz im imperialen Geist - nach Welteroberern benannt. Von postkolonialer
Aufarbeitung keine Spur.
Lena Kaiser, Volontärin bei der taz Nord
##
## Nein:
Der ehemalige Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg ist aus heutiger
Sicht keine sympathische Figur. Die nach ihm benannte Straße
umzuetikettieren, wäre trotzdem ein falscher Schritt. Der Antrag hat den
unangenehmen Geschmack einer Säuberung des Gedächtnisses und zeugt von
einer Haltung, die sich die deutsche Geschichte nicht anders als mit Bezug
auf die Verbrechen während des Nationalsozialismus denken kann.
Hindenburg war Royalist und Großgrundbesitzer. Er hat die Dolchstoßlegende
genährt und sich als Steigbügelhalter Hitlers betätigt. Hindenburg war aber
auch ein Kriegsheld und Ersatzkaiser für viele Deutsche in schwierigen
Zeiten. Den Deutschen von 1914 war nicht klar, dass sie in einen Krieg
neuer Art mit Abermillionen von Toten zogen. Und Kriege zu führen, galt den
allermeisten Europäern auch nicht als illegitim. Ähnliches gilt für die
Einschätzung dessen, was unter der Diktatur Hitlers geschehen würde. Wie
sollten sich die Deutschen vorstellen, dass sie unter dessen Führung einen
Massenmord begehen würden?
Anders als eine Ehrenbürgerwürde haben Straßennamen nicht nur mit der
Ehrung der betreffenden Person zu tun - sie sind auch das öffentliche
Gedächtnis einer Stadt. Dieses gewachsene Gedächtnis ist naturgemäß
ambivalent. Die Bedeutung historischer Figuren wird immer umstritten
bleiben, solange es eine freie Geschichtswissenschaft gibt. Für die
Geschichte bedeutende Namen aus dem Straßenbild zu eliminieren, heißt, das
Gedächtnis zu löschen und in die Geschichtsbücher zu verdrängen.
Brauchen wir deshalb einen Adolf-Hitler-Platz? Wohl kaum, weil den so
schnell keiner vergisst. Einen Hermann-Göring-Platz? Ebenso wenig, weil ein
Element der Ehrung eben auch dabei ist. Eine Straße nach einem
ausgewiesenen Verbrecher zu benennen, wäre dessen Opfern und deren
Nachkommen nicht zuzumuten.
Gernot Knödler, Redakteur bei der taz Nord
14 Jan 2013
## AUTOREN
L. Kaiser
G. Knödler
## TAGS
Bremen
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