# taz.de -- Stichwahl in Zypern: Ex-Diplomat gegen Ex-Diplomat | |
> Zypern wählt am Sonntag einen neuen Präsidenten – der dort faktisch | |
> Alleinherrscher ist. Es stehen sich ein Linker und ein Konservativer | |
> gegenüber. | |
Bild: Die Aussichten sind gut für ihn: Nikos Christodoulides am 5. Februar in … | |
ATHEN taz | Einen klaren Verlierer gibt es bereits, schon bevor in der | |
Republik Zypern der Sieger bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am | |
kommenden Sonntagabend in Nicosia bekannt gegeben wird: die | |
konservativ-liberale Disy, die bisherige Regierungspartei [1][des | |
Präsidenten Nikos Anastasiadis]. | |
Am vergangenen Wochenende fand die erste Runde der Präsidentschaftswahl | |
statt. Bereits am vorigen Dienstag, gerade 48 Stunden nach seiner | |
empfindlichen Wahlschlappe, kündigte der Disy-Chef und | |
Präsidentschaftskandidat Averof Neofytou nach einer Dringlichkeitssitzung | |
des Parteibüros an, dass bald ein Parteikongress abgehalten werde. | |
Etwa 26 Prozent der Stimmen hatte Neofytou am letzten Sonntag im ersten | |
Wahlgang erhalten. Er ist ein Vertreter der alten Disy-Garde und hat den | |
Vorsitz der größten Partei des Landes von Amtsinhaber Anastasiadis | |
übernommen. Das reichte nur für Platz drei. In die Stichwahl gehen hingegen | |
der ehemalige Außenminister und Ex-Diplomat Nikos Christodoulidis mit 32 | |
Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang sowie der Zweitplatzierte Andreas | |
Mavrogiannis von der linken Akel-Partei mit etwas über 29 Prozent. | |
Mavrogiannis schnitt dabei weit besser ab, als die meisten Umfragen | |
vorausgesagt hatten. | |
Brisant: Der rechtsextreme Christos Christou von der offen | |
fremdenfeindlichen Partei Elam konnte sich auf Platz vier, mit etwa 6 | |
Prozent der Stimmen schieben. Es folgten, weit abgeschlagen, die übrigen | |
zehn Kandidaten. | |
## Staatsoberhaupt und Regierungschef in einer Person | |
Der Präsident der Republik Zypern ist faktisch ein Alleinherrscher auf Zeit | |
auf der Insel der Aphrodite. Er ist Staatsoberhaupt und Regierungschef in | |
einer Person, und er bestimmt die Minister. Als Favorit für die Stichwahl | |
gilt Nikos Christodoulidis. Der 49-jährige gelernte Diplomat verspricht | |
einen entschiedenen Kampf gegen die in der Ära Anastasiadis, der seit 2013 | |
Präsident ist, grassierende Korruption und Vetternwirtschaft. Er verspricht | |
außerdem liberale Reformen sowie eine stärkere Digitalisierung des Staats. | |
Um die Präsidentenkür mit mindestens 50 Prozent plus einer Stimme zu | |
gewinnen, braucht Christodoulidis noch einen Gutteil just jener Stimmen, | |
die in Runde eins noch für Neofytou votierten. Das ist keineswegs sicher. | |
Denn viele Disy-Anhänger sind über den „Verräter“ Christodoulidis | |
verärgert. Der gehörte eigentlich zur Disy, gab aber letztlich seine | |
Kandidatur als formal Unabhängiger bekannt. Er wird auf einer breiten Basis | |
von vier Parteien – der sozialdemokratischen Edek, der zentralistischen | |
Diko, der liberalen Dipa sowie der konservativen Partei Solidarität – | |
unterstützt. | |
Ferner belasten ihn hohe Wellen schlagende Enthüllungen, wonach er | |
mutmaßliche Fake-Konten auf Facebook und Twitter schaffen ließ, um so | |
politische Kontrahenten und Medienschaffende anzugreifen. Christodoulidis | |
weist diese Vorwürfe energisch zurück. Fest steht: Disy schloss ihn im | |
Januar aus ihren Reihen aus. | |
Sein Widersacher in der Stichwahl, Mavrogiannis, ist wie er ein | |
Karrierediplomat. Der heute 66-Jährige war Ständiger Vertreter Zyperns bei | |
den Vereinten Nationen (UN). Er wird von der auf Zypern traditionell | |
starken Akel-Partei unterstützt, eine Weiterentwicklung der Kommunistischen | |
Partei Zyperns, die im EU-Parlament der Europäischen Linken angehört. | |
Profitieren könnte Mavrogiannis im Kampf um das Präsidentenamt womöglich | |
von der sich fortsetzenden Zerstrittenheit der Disy. Das Disy-Parteibüro | |
konnte sich am Dienstag nicht auf die Unterstützung des abtrünnigen | |
Christodoulidis in der Stichwahl einigen. | |
## Ein Land seit 1974 de facto geteilt | |
Zypern ist seit der völkerrechtswidrigen Invasion türkischer Truppen in den | |
Norden der Insel [2][im Jahr 1974 de facto geteilt]. Der Nordteil firmiert | |
unter dem Namen Türkische Republik Nordzypern, wird aber nur von der Türkei | |
anerkannt. Seit Mai 2004 [3][ist die Republik Zypern EU-Mitglied], seit | |
2008 zählt sie zur Eurozone. 2013 geriet Zypern in eine schwere | |
Bankenkrise, konnte sich aber rasch erholen. | |
Die Teilung des Landes bleibt das dominierende politische Thema in Nikosia. | |
Sowohl Christodoulidis als auch Mavrogiannis wollen den bisher fruchtlosen, | |
derweil auf Eis gelegten Verhandlungen zwischen der Republik Zypern und | |
Vertretern des Inselnordens neuen Auftrieb verleihen. Beide lehnen eine | |
Zweistaatenlösung ab. | |
11 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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