# taz.de -- Sotschi 2014 – Eiskunstlauf, Paarlauf: Mehr als nur Liebe | |
> Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow haben den Staatsplan Gold erfüllt. | |
> Das ganze Land liebt sie für ihre rührselige Geschichte und den | |
> Kitsch-Auftritt. | |
Bild: Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow: Das muss Liebe sein. | |
SOTSCHI taz | Sportminister Witali Mutko ist nicht gerade als Scherzkeks | |
bekannt. Doch an diesem Abend war der Sportführer der Russischen Föderation | |
bestens gelaunt, nachdem die Goldmedaille im Paarlauf auf dem Eis wieder | |
dahin zurückgeholt wurde, wohin sie in den Augen der meisten Fans im | |
Gastgeberland der Spiele gehört – nach Russland. | |
Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow, die vor ihren Landsleuten Xenia | |
Stolbowa und Fjodor Klimow sowie dem gehörig gestrauchelten deutschen Paar | |
Aljona Savchenko/Robin Szolkowy gewonnen hatten, sprachen nach ihrer | |
Siegerkür gerade davon, dass sie ihr Gold ganz Russland widmen, da platzte | |
der muntere Mutko in den Saal der Preessekonferenz, entschuldigte sich für | |
sein spätes Erscheinen und witzelte, dass daran die Dopingkontrolle schuld | |
gewesen sei. Dann umarmte er die beiden und bedankte sich bei ihnen im | |
Namen des russischen Staats für den Sieg. | |
Selten war ein Wettbewerb so staatstragend wie dieser. Selten wurde so | |
generalstabsmäßig an einer Goldmedaille gearbeitet und selten gelang es | |
dabei, noch eine zweite Geschichte zu erzählen: die Geschichte eines | |
Paares, das in Harmonie verschmilzt. Diese wurde in einem Dokumentarfilm | |
über die beiden erzählt, den jeder Eislauffan in Russland kennt und der | |
einen Titel trägt, der kitschiger kaum sein könnte: „Das erste Paar – mehr | |
als nur Liebe.“ Mit der olympischen Goldmedaille hat sie nun ein Happy End | |
gefunden. | |
Und Maxim Trankow wusste, was nach der Kür von ihm erwartet wurde. Er hat | |
den Macho gegeben, als er unmittelbar nach den letzten Takten der Musik zur | |
Kür des Gewinnerpaares seine Fäuste gen Himmel reckte und auf den Knien | |
über das Eis schlitterte. Und er hat den liebenden Partner gegeben, als er | |
nach dem Wettkampf sagte: „Kein Star, keine Sängerin oder Tänzerin wird | |
Tanja je ersetzen können und mich dazu bringen, meine Karriere zu beenden.“ | |
Jede Menge Schmalz sonderte Trankow da ab, dabei sollte er doch nur | |
beantworten, ob er weiter Wettkampfsport machen oder ins Showbusiness | |
wechseln wolle. | |
Der Lohn folgte prompt. Die Augen seiner Partnerin wurden feucht und ein | |
großer Teil der russischen Journalisten waren so gerührt, dass sie dem | |
Meister applaudierten. Dessen Geschichte haben sie oft aufgeschrieben. | |
## Eine moderne Heldengeschichte | |
Als 15-Jähriger ist er auf der Suche nach einer Partnerin für das Eis | |
alleine von seiner Heimatstadt Perm nach St. Petersburg gezogen. Ein Zimmer | |
konnte er sich nicht leisten und hat meist in den Vorbereitungszimmern der | |
Trainer übernachtet. Wie gut, dass die Mitarbeiter der Kantine im | |
Eiszentrum so weichherzig waren und dem mittellosen Jüngling einmal am Tag | |
eine warme Mahlzeit zugeschustert haben. Sonst wäre aus dem kleinen Maxim | |
nie der Kerl geworden, den ganz Russland heute anhimmelt. | |
Und das war, weiß Gott, auch nicht immer so. Als er mit seiner damaligen | |
Partnerin Marija Muchortowa bei den Spielen in Vancouver 2010 nur Siebter | |
wurde, da war das Land bereit, den ehrgeizigen Sohn zu verstoßen. Von 1964 | |
bis 2010 hatten immer russische Paare bei Olympia triumphiert. Dass ein | |
Paar aus China in Vancouver gewonnen hat, war wie ein Schock für die | |
Eiskunstlaufnation. Der Staatsplan Gold wurde entwickelt. | |
Trankow war ein Teil dieses Planes. Um den zweiten kümmerten sich | |
Sportminister Mutko und der Präsident des russischen Eislaufverbandes | |
Walentin Pisejew. Sie fragten die Ukrainerin Tatjana Wolossoschar, die in | |
Vancouver noch mit Stanislaw Morosow unter der gelb-blauen Flagge | |
angetreten war, ob sie nicht fortan für Russland starten wolle. Die stand, | |
nachdem Morosow seine Karriere beendet hatte, ohne Partner da und hatte, da | |
ihre Mutter aus Kaliningrad stammt, eh nichts gegen einen Heimatwechsel. So | |
wurde das Paar, über dessen Harmonie heute so geschwärmt wird, im Jahr 2010 | |
zusammengeschraubt. | |
Und schon damals wurde das Ziel formuliert: Gold in Sotschi! Wolossoschar | |
beschrieb den Druck, unter dem die beiden standen. „Vier Jahre lang haben | |
wir die Verantwortung gespürt“, sagte sie. Dass sie der gerecht geworden | |
sind, das hat Sportminister Mutko besonders gut gefallen: „Ich bin froh, | |
dass realisiert wurde, was man sich vorgenommen hat.“ | |
Im Eiskunstlauf, wo die Russen schon den Teamwettbewerb gewonnen haben, | |
klappt es also mit der Planerfülleung. Bis Mittwoch waren das die einzigen | |
Goldmedaillen für Russland. Woanders hapert es noch. Doch darüber wollte | |
Mutko nicht reden. „Lasst uns heute über den Sieg freuen, was morgen ist, | |
werden wir morgen sehen.“ | |
13 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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