# taz.de -- Skandal um Sebastian Kurz: Das gesamte stinkende Paket | |
> Demokratischen Populismus gibt es nicht. Die CDU sollte sich ganz schnell | |
> vom österreichischen „Vorbild“ Sebastian Kurz verabschieden. | |
Bild: Sebastian Kurz und seine ÖVP sollte sich die Union besser nicht zum Vorb… | |
Manche Leute haben Pech beim Denken. [1][Christoph Ploß], der Hamburger | |
CDU-Vorsitzende, pries gerade erst in der ARD den österreichischen | |
Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP als leuchtendes Vorbild für die | |
Union an. Richtung „rohe Bürgerlichkeit“ habe es zu gehen. Keine glücklic… | |
Fügung für Ploß, dass Kurz’ Herrschaft nun wie ein Kartenhaus | |
zusammenbricht. Die nächsten Tage wird er kaum mehr überstehen. | |
Mittwoch wurden wir mit der Schlagzeile vom Frühstück hochgeschreckt, dass | |
gerade Hausdurchsuchungen im Kanzleramt und in der ÖVP-Zentrale | |
stattfänden. Klar, wir Ösistaner*innen heben bei solchen Nachrichten | |
gerade noch die Augenbrauen. Ein Gewöhnungseffekt lässt sich nicht leugnen. | |
Mittlerweile ist Sebastian Kurz in einigen unterschiedlichen – aber | |
miteinander verbundenen – Verfahren als Beschuldigter geführt, die Delikte, | |
deretwegen gegen ihn ermittelt wird, reichen von falscher Zeugenaussage vor | |
einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nun auch über Beihilfe zur | |
Bestechlichkeit bis zur Untreue. Für die „Zerstörung der ÖVP“ braucht es | |
bei uns keinen [2][Rezo], das erledigt schon Sebastian Kurz selbst. Der hat | |
auch die Haare schön. Anfang September wurde Kurz viele Stunden lang von | |
einem Richter einvernommen, in diesem Verfahren wird mit einem baldigen | |
Strafbefehl, also einer Anklage gerechnet. | |
Seit Wochen trommelt die Volkspartei, früher zumindest als rechtstreue | |
Staatspartei bekannt, gegen die Justiz. Ganz im Stile von Silvio Berlusconi | |
oder Donald Trump werden Staatsanwälte als Angehörige „roter Netzwerke“ | |
diskreditiert, in weiser Voraussicht oder weniger weiser Vorinformiertheit | |
wurde schon am Tag vor der jüngsten Hausdurchsuchung eine Pressekonferenz | |
des zuständigen Parteiapparatschiks abgehalten, um die „linken Zellen“ in | |
der Justiz aufzudecken. Hat nicht viel gefehlt und er hätte „Zecken“ | |
gesagt. | |
Die Ermittlungsbehörden sollen nicht nur diskreditiert werden, sondern die | |
unabhängige Justiz soll aus der symbolischen Position des neutralen | |
Wächters in die Position der „Opposition“ umgruppiert werden. Auf diese | |
Weise werden etwa aus Durchsuchungsbeschlüssen oder gar Gerichtsurteilen | |
„Meinungen“. | |
Die staatsanwaltlichen Recherchen zeichnen ein buntes Großpanorama mafiösen | |
Politikmachens. Es geht um Freunderlwirtschaft, Posten gegen Spenden, | |
geschobene Bestellungen für staatsnahe Spitzenämter, illegale | |
Parteienfinanzierung, die Veruntreuung öffentlicher Gelder bis hin zum Kauf | |
gewogener Berichterstattung durch die endemische [3][„Inseratenkorruption“] | |
(für Inseratengeld gibt’s mediale Lobhudelei) und neuerdings sogar um | |
frisierte Umfragen, die mit Ministeriumsgeld bezahlt worden sein sollen. | |
## Aufreizende Vertrotteltheit | |
Gigantomanisches Selbstbild, Selbstverliebtheit des Anführers, Führerkult | |
der Günstlinge und die kriminelle Energie der gesamten Bande haben ein | |
Ausmaß angenommen, das nicht einmal die härtesten Kritiker von Kurz | |
angenommen hätten. Die Chatprotokolle, die bis gestern Nachmittag | |
durchsickerten, lassen einen mit offenem Mund zurück. | |
Der nun hoch wahrscheinliche völlige Zusammenbruch des Systems Kurz ist | |
einer skurrilen Form der „Digitalisierungsoffensive“ geschuldet: Die | |
Beteiligten haben sich in aufreizender Vertrotteltheit und euphorischer | |
Aufgeblasenheit so detailliert via Whatsapp und SMS abgesprochen, dass sie | |
sich selbst ans Messer geliefert haben. Die Gigantomanie mag dazu sicher | |
noch beigetragen haben, denn die geht gerne mit der Illusion der | |
Unverwundbarkeit und damit auch mit mangelnder Vorsicht einher. | |
Sollte in der CDU noch jemand ernsthaft daran denken, dieses | |
„Erfolgsmodell“ zu kopieren – lascht et. Konservative Parteien, die | |
politisch nach ultrarechts marschieren, landen sehr schnell bei der | |
Camorra-Moral, dass alles geht, dass keine Regeln gelten, kein Gesetz mehr | |
und auch kein Anstand. Es gibt keinen sauberen, es gibt keinen | |
rechtsstaatlichen, es gibt keinen demokratischen Rechtspopulismus. Man | |
kriegt immer das gesamte, stinkende Paket. | |
8 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Wahldebakel-der-Hamburger-CDU/!5803787 | |
[2] /Youtuber-kritisiert-Regierungsparteien/!5597282 | |
[3] /Medienexpertin-zu-Oesterreichs-Presse/!5782400 | |
## AUTOREN | |
Robert Misik | |
## TAGS | |
Kolumne Der rote Faden | |
Sebastian Kurz | |
Schwerpunkt Korruption | |
Österreich | |
CDU | |
Österreich | |
Bundespräsident Österreich | |
Österreich | |
Österreich | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rücktritt von Kanzler Kurz: Kernschmelze eines Systems | |
Wie soll in Österreich eine Regierung mit einem Strohmann, den der Pate | |
Sebastian Kurz nach Mafiaart im Kanzleramt installiert, arbeiten können? | |
Sebastian Kurz unter Korruptionsverdacht: Die ÖVP betoniert sich ein | |
In Österreich hat sich die ÖVP hinter Kanzler Kurz gestellt. Nun liegt der | |
Ball bei den Grünen. Dienstag könnte es zum Koalitionsbruch kommen. | |
Korruptionsaffäre in Österreich: Kurz klammert sich an die Macht | |
Im Skandal um Medienkorruption und manipulierte Umfragen weist Österreichs | |
Bundeskanzler jede Verantwortung von sich. Glaubwürdig ist das nicht. | |
Razzia bei Österreichs Konservativen: Im Panikmodus | |
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz gerät massiv unter Druck. Ihm wird | |
Bestechung vorgeworfen. Der Skandal könnte die Ibiza-Affäre toppen. |