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# taz.de -- Serie „The Loudest Voice“: Diesmal kein Held
> Russell Crowe spielt eigentlich taffe Helden. In seiner Rolle als
> Fox-News-Gründer Roger Ailes verkörpert er aber ein zynisches Alphatier.
Bild: Sympathisch wirkt er in dieser Rolle mal nicht: Russell Crowe
Jetzt ist es schon wieder passiert. Ein Hollywood-Star hat eine
Serien-Hauptrolle übernommen. Was 1970 – als [1][Tony Curtis] für „Die 2�…
verpflichtet wurde – erstmals geschah und damals noch eine veritable
Ungeheuerlichkeit darstellte, ist längst Normalität geworden. [2][Jane
Fonda], Amy Adams, Meryl Streep haben es getan. Und nun hat Russell Crowe
es eben auch getan. Und wie er es getan hat. Körperliche Rollen sind dem
Ex-„Gladiator“ nicht fremd. Einen taffen Journalisten hat er bereits in
„State of Play“ gegeben. Und doch ist diesmal alles anders.
„The Loudest Voice“ ist die Geschichte des meistgesehenen – und für seine
politisch hart rechte Ausrichtung berüchtigten – amerikanischen
Nachrichtensenders Fox News Channel. Das heißt, es ist – in sieben Folgen,
sieben Momentaufnahmen in einem Zeitraum von 22 Jahren – die Geschichte
seines 2017 verstorbenen Erfinders und Masterminds Rogers Ailes: „I know
what people are gonna say about me. I can pretty much pick the words for
you: Right-wing. Paranoid. Fat.“
Anders als Christian Bale für das Biopic („Vice“) über ein anderes rechtes
Schwergewicht, Dick Cheney, hat Crowe sich wohl keine zwanzig Kilo
angefressen, sondern ganz auf Fatsuit und zentimeterdicke Silikon-Maske im
Gesicht verlassen. So bleiben ihm für die Mimik nur die Augen und ein
dreieckiger Bereich zwischen Nase und Kinn.
Und trotzdem vermag er diesen Roger Ailes, dieses Alphatier vor dem Herrn,
mit so einer Verve, nein, nicht zu wuppen, sondern buchstäblich zu wuchten,
dass für die – immerhin mit Sienna Miller, Annabelle Wallis und Naomi Watts
– prominent besetzten Frauenrollen neben ihm weniger Raum bleibt, als man
ihnen in dieser Russell-Crowe-One-Man-Show wünschen würde.
## Diebische Freude
Für manch eine immer noch zu viel Raum: Die frühere, von Wallis gespielte,
Ailes-Kollegin Laurie Luhn sah ihre Privatsphäre durch die Serie in einer
Weise verletzt, dass sie den produzierenden Sender Showtime auf 750
Millionen Dollar verklagte.
Wie der Maskenbildner, so der Darsteller: Er könnte gar nicht zu dick
auftragen in dieser Rolle. Die lauteste Stimme kann nur einer haben. Und er
weiß sie einzusetzen. Wahlweise um sein Team zu motivieren – oder um
einzelne Teammitglieder vor versammelter Mannschaft runterzuputzen. Das
Runterputzen des Roger Ailes wiederum ist das offensichtliche Ziel der
Serie und ihrer Macher (darunter die Produzenten Tom McCarthy, „Tote
Mädchen lügen nicht“, und Alex Metcalf, „Sharp Objects“).
Und sieht man da nicht, bei aller Schauspielkunst, Spuren diebischer Freude
in Russell Crowes eingeschränkter Mimik, wenn er so irre Sätze sagen darf
wie: „People don’t wanna be informed. They wanna feel informed!“
## Vorwurf der sexuellen Belästigung
Wenn eine altgediente Journalistin sich empört: “You can’t do that! This a
news network, not a sitcom!“ Und er sie belehren darf: „This is an opinion
show.“ Wenn die Kollegen die Bewerbung eines offensichtlich untauglichen
Talk-Radio-Moderators aus der Provinz namens Sean Hannity nicht ernst
nehmen können – und er befehlen darf: „Bring that guy in! And find me more
guys like that guy! More real guys!“
Wenn er seine Hände bereits beim Bewerbungsgespräch an den Körper der
jungen Bewerberin legen und ihr ins Ohr flüstern darf: „How do you get
along with your dad?“
Roger Ailes musste seinen Chefposten bei Fox News im Sommer 2016 räumen,
nachdem mehrere Fox-Mitarbeiterinnen, darunter die Moderatorinnen Gretchen
Carlson (Watts) und Megyn Kelly, ihn der [3][sexuellen Belästigung
beschuldigt] hatten. Roger Ailes, wie ihn der Zuschauer in „The Loudest
Voice“ kennen lernt, ist nicht einfach nur ein manipulativer Zyniker,
sondern, viel schlimmer, ein waschechter Ideologe. Und ein übergriffiger
Typ noch dazu.
Diesmal ist alles anders, weil Russell Crowe nicht den (gebrochenen) Helden
verkörpert – sondern, viel lustiger, ein riesengroßes Arschloch. Einem Sohn
des Fox-News-Eigentümers Rupert Murdoch hat er einmal ein Haus in Sydney
abgekauft. Ob es da vielleicht ein paar versteckte Mängel gab?
Und aus dem Off tönen die Talking Heads: „When the world crashes in, into
my living room / Television man made me what I am.“
16 Sep 2019
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-Tony-Curtis/!5134772
[2] /Schauspieler-mit-79-Jahren-gestorben/!5618694
[3] /Sexuelle-Belaestigung-bei-Fox-News/!5402648
## AUTOREN
Jens Müller
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