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# taz.de -- #MeToo im Film: Unfreiwillige Feministinnen
> Genötigte Frauen, verfälschte Realität: Der Film „Bombshell“ zeigt das
> System hinter der glatten Oberfläche des konservativen Fox-Journalismus.
Bild: Drei Frauen, drei ähnlich üble Geschichten mit gut bezahlten Männern
Der Mann ist ein „legman“. „Zeigt ihre Beine“, blökt er die Regie sein…
TV-Nachrichtensenders an, die gerade eine politische Diskussion zur
anstehenden Präsidentschaftswahl überträgt. Die gehorcht und schneidet auf
eine andere Kameraeinstellung, in der die langen Beine einer Kommentatorin
zur Geltung kommen. „Das ist ein visuelles Medium. Also ziehen Sie bitte
mal Ihr Kleid hoch, ich will Ihre Beine sehen“, sagt er auch zu Kayla
Pospisil (Margot Robbie), die in seinem Büro sitzt, um ihm, Roger Ailes
(John Lithgow), den Chef von [1][Fox News], von ihren ehrgeizigen Plänen
als Moderatorin zu berichten. Kayla ist zunächst unsicher, steht dann aber
auf und nestelt am Rocksaum.
Fox News, gegründet vom Medienmogul Rupert Murdoch, und bis 2016 geführt
und aufgebaut [2][von jenem Roger Ailes], ist der wichtigste Teil der
konservativen Medienöffentlichkeit der USA. Von hier aus wird Donald Trump,
werden seine Ansichten, Falschinformationen und Beleidigungen in die Welt
gesendet – notdürftig journalistisch verarztet.
„Wenn du keine Quellen hast, verwende ‚manche sagen‘ “, hatte die
Redakteurin Jess (Kate McKinnon) Kayla kurz vorher an ihrem neuen
Arbeitsplatz erklärt. „Echt?“, entfährt es Fernsehrookie Kayla ungläubig.
Aber sie wird noch viel mehr, noch viel Schlimmeres lernen.
Kayla ist eine ausgedachte Figur, die in den Film geschrieben wurde, um die
vielen Frauen zu repräsentieren, die Ailes’ Übergriffigkeit tatsächlich
erlebt haben. Die anderen Charaktere und Begebenheiten in Jay Roachs
fiktionaler, aber akkurater Abrechnung mit Fox News und Ailes, der 2016
wegen von 22 Opfern bezeugten sexuellen Übergriffen seinen Posten als
Fox-CEO und Chairman aufgeben musste, sind echt.
## Perfekt geföhnt
Die Journalistin, Kommentatorin, Stanford-Absolventin und ehemalige Miss
America Gretchen Carlson, im Film gespielt von Nicole Kidman; die
Journalistin, Moderatorin und Rechtsanwältin Megyn Kelly, im Film
dargestellt von Charlize Theron; dazu Kayla: Mit perfekt geföhnten
Blondinen in Etuikleidern und auf High Heels inszeniert Regisseur Roach
punktgenau das Bild einer toxisch-misogynen Arbeitswelt, die auf allen
Seiten vor Narzissmus brummt und Homosexualität nicht gern sieht (Kaylas
Verhältnis mit Jess kehrt diese lieber unter den Teppich). Und die den
Mitarbeiterinnen Alter, Rocklänge und Absatzhöhe vorschreibt – einfach nur,
weil geile, alte, einflussreiche Männer es so haben wollen.
Dabei meidet der Film visuell jeglichen „male gaze“ – angesichts des Them…
nicht ganz unkompliziert. Stattdessen tanzt ein Reigen aus mit Make-up und
Gefasstheit gebügelten, weiblichen Gesichtern um den
Harvey-Weinstein-ähnlich mit üppiger Körperfülle und Gehhilfe gezeichneten
Ailes herum. Roach und sein Drehbuchautor Charles Randolph setzen ganz auf
Beiläufigkeit und Fakten, anstatt auf emotionale Manipulation.
In ihrem Film wird kaum geweint, es wird nicht zusammengebrochen, nicht mit
Liebesgeschichten vom eigentlichen Thema abgelenkt; nur selten sind
Kinderkulleraugen zu sehen, die üblicherweise die „schwache“, nämlich
familiäre oder gefühlige Seite von „harten TV-Anchor-Frauen“ symbolisieren
– das wäre die Fox-Methode. „Bombshell“ ist darum so gelungen, weil er d…
glatte Oberfläche des tendenziösen Fox-Journalismus als Fassade
präsentiert. Und dabei seine Protagonistinnen und deren Agenden nicht
verschont.
„Ich bin keine Feministin“, wiederholt Fox-Anchorfrau Kelly
gebetsmühlenartig, kurz zuvor hatte sie den damaligen
Präsidentschaftskandidaten Trump in einer wichtigen Wahlkampf-Talkshow auf
seine Bezeichnungen für Frauen angesprochen („Bitches, dicke Schweine“ und
so weiter). Sie ist aber bereit einzuknicken und führt ein paar Monate
später auf dem Sender ein versöhnliches Gespräch mit ihm, um ihre Karriere
nicht zu gefährden.
## Profit und Gewissen
Roach und Theron stellen Kelly als eine ehrgeizige, zweifelnde Frau dar,
die lange braucht, bis sie sich zwischen Profit und Gewissen entscheidet.
Bei Carlson, die Kidman mit gruselig unbeweglichem Fernsehgesicht spielt,
ging es schneller – ihr mutiger, von Anwält*innen begleiteter Schritt an
die Öffentlichkeit war prägend und löste die Lawine aus, die Ailes
schließlich mitriss. Wenn auch nicht bis ganz in den Keller: Ailes war bis
zu seinem Lebensende – der Bluter starb krankheitsbedingt 2017 – weiterhin
als gut bezahlter Berater für Fox News tätig.
Roach lässt seinen Figuren die Ambivalenz. Dennoch ist „Bombshell“
meinungsstark und eindeutig, und geht über den #MeToo-Aspekt hinaus: Er ist
eine Parabel auf die Käuflichkeit von Menschen. „Er wollte uns haben, und
wir haben Sendezeit bekommen“, zischt eine Redakteurin aus dem „Team Roger�…
Kelly irgendwann zu, und versucht, ihr das als fairen Deal zu verkaufen.
Denn nichts anderes scheint möglich zu sein, wenn eine Frau in den
US-Medien Karriere machen will. So tief drin steckt diese Ansicht, dass
viele Frauen sie sogar selbst glauben. Das ist das eigentliche Drama.
12 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.wildbunch-germany.de/movie/bombshell
[2] /Fox-News-Chef-Ailes-entlassen/!5327416
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
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