# taz.de -- Nachruf auf Tony Curtis: Der Charmeur | |
> Tony Curtis war einer der letzten Aufsteiger des Hollywood-Systems – die | |
> großen Preise blieben ihm trotzdem versagt. Jetzt verstarb die | |
> Schauspieler-Ikone im Alter von 85 Jahren. | |
Bild: Der Prototyp des abenteuerlustigen, virilen Old-Hollywood- Charmeurs: Ton… | |
Dass er sich ausgerechnet als Cross Dresser, als Mann in Frauenkleidung, in | |
Billy Wilders meisterlicher Moderner-Slapstick-Matritze "Manche mögens | |
heiß" am stärksten in die kollektive Erinnerung eingeprägt hat, ist schon | |
absurd: Tony Curtis, der am Donnerstag im Alter von 85 Jahren "ruhig und | |
friedlich einschlief", wie die Agenturen meldeten, war der Prototyp des | |
abenteuerlustigen, virilen Old-Hollywood-Charmeurs. | |
Aber vielleicht waren das zur Schau gestellte Machotum und das raumfüllende | |
Ego für jemanden seiner Herkunft auch einfach lebensnotwendig. Curtis wurde | |
1925 als Bernard Schwartz in New York geboren, und war einer der letzten | |
echten Aufsteiger des nicht mehr existenten Hollywood-Systems. Als Sohn | |
ungarisch-jüdischer Einwanderer wuchs er in einer Bruchbude in der Bronx | |
auf, laut Curtis Aussage wurde bei seiner Mutter Schizophrenie | |
diagnostiziert, genau wie später bei seinem jüngeren Bruder, sein älterer | |
Bruder starb als Kind bei einem Verkehrsunfall. | |
Nach einem Kriegseinsatz 1945 begann er zusammen mit Walter Matthau und Rod | |
Steiger in New York Schauspiel zu studieren und wurde, weil er, so Curtis, | |
"der hübscheste der Jungs war", 1948 bei Universal Pictures unter Vertrag | |
genommen. Schon nach seinem ersten, weder im Vor- noch im Abspann genannten | |
Auftritt in Robert Siodmaks "Criss Cross" hagelte es, erzählt Curtis in | |
seinen auf Selbstzweifel weitgehend verzichtenden Memoiren "American | |
Prince", Liebesbriefe an das Studio. Der hübsche Junge nahm daraufhin den | |
Künstlernamen "Tony Curtis" an, und der klassischen Karriere stand nichts | |
mehr im Weg. | |
Bis Mitte der 1960er Jahre etablierte Curtis sein Image als universal | |
einsetzbarer Haudegen und Frauenvernascher, spielte in Western, | |
Abenteuerfilmen, leichten Komödien und überzeugte als "Houdini" im | |
gleichnamigen Biopic. Dass er nach den "Manche mögens heiß"-Dreharbeiten | |
wütend gesagt habe, "Necking with Marilyn is like kissing Hitler", | |
verbannte er 2008 selbst in die Gerüchteküche: Vielmehr habe er den Spruch | |
als internen Witz gemeint, außerdem hätte er, der seine Pfoten eben von | |
keiner schönen Dame lassen konnte, auch zu Marilyn ein paar Jahre zuvor | |
amouröse Verbindungen gepflegt. Trotzdem blieb seine Performance neben der | |
von Jack Lemmon und Marilyn Monroe von Preisen unbehelligt: Die Konkurrenz | |
war zu stark. | |
Für die Darstellung von John "Joker" Jackson im ebenfalls 1959 gedrehten | |
"Flucht in Ketten" wurde er dagegen für einen Oscar nominiert, was auch als | |
politisches Zeichen gelesen werden kann: Im Film spielte er einen Häftling, | |
der durch Ketten an einen schwarzen Mithäftling gefesselt ist und bei der | |
gemeinsamen Flucht seine Vorurteile überdenken muss. Angeblich war die | |
Rolle von anderen Hollywoodgrößen abgelehnt worden - eine klare Haltung zu | |
Rassismus war damals noch nicht etabliert. Curtis hielt sich auch mit | |
Kommentaren zu den Nazis und Hitlerdeutschland nie zurück, vor allem im | |
Zusammenhang mit der Verbindung zu seiner Ex-Ehefrau Christine Kaufmann. | |
Nachdem das Studiosystem Ende der 1960er Jahre zusammenbrach, schaffte es | |
der kaum sichtbar alternde Schauspieler, mit "Der Frauenmörder von Boston" | |
erneut gegen die hausgemachten Hübscher-Junge-Klischees anzuspielen. Mit | |
Roger Moore unterhielt er ein paar Jahre lang in der TV-Serie "Die 2" vor | |
allem das europäische Publikum, aber die 1970er waren neben viel Arbeit vor | |
allem von Drogenkonsum, Affären, Abstürzen und einer ganz hollywoodesken | |
Rückkehr ins Leben geprägt: 1985, nach einem Aufenthalt im | |
Lieblinsentzugsressort der Stars, der Betty-Ford-Klinik, wurde er für seine | |
Arbeit in Nicolas Roegs "Insignificance" hochgelobt. Damals entdeckte er | |
das Malen für sich. Seit den 1980ern behauptete er gar, dass Filme ihn | |
nicht mehr interessierten, und angeblich zahlt man für ein Curtis-Bild | |
heuer bis zu 100.000 Dollar. | |
Die zumindest in Hollywood extrem hoch geschätzten einschlägigen Filmpreise | |
wurden ihm dennoch nie verliehen, und einen wie ihn wurmt das natürlich. | |
Zwar stehen in seinem Anwesen bei Las Vegas Bambis, Bravo-Ottos und eine | |
Handvoll Lebenswerkpreise herum, aber trotz Talent und Leinwandpräsenz in | |
über 130 Filmen stand ihm das, was ihn so weit gebracht hat, vielleicht | |
auch immer etwas im Weg: Man traute seinem blendenden Lächeln und seiner | |
Eitelkeit selten hintergründige Rollen zu. | |
Curtis, dessen letzte Ehefrau wie die meisten seiner sechs offiziellen | |
Partnerinnen Jahrzehnte jünger ist als er, hinterlässt fünf Kinder, sein | |
Sohn Nicolas starb 1994 23-jährig an einer Überdosis Heroin. Das habe ihn | |
für immer verändert, sagte Curtis, der das Vatersein stets eher sporadisch | |
auslegte. Die Tragik, die sein Leben von Anfang an umgab, hat man ihm bis | |
zum Ende nicht angesehen. Wahrscheinlich, weil er eben einfach doch ein | |
guter Schauspieler war. | |
1 Jan 1970 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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