| # taz.de -- Sequel der Mad Max-Filme: Frei von Plot, Sinn und Verstand | |
| > In George Millers „Mad Max: Fury Road“ fliegt einem bei hoher | |
| > Grundgeschwindigkeit doch nur das immergleiche Produktionskapital um die | |
| > Ohren. | |
| Bild: Tom Hardy als Max Rochatansky. | |
| Die verbliebenen Ressourcen sind knapp und umkämpft. Die Verwüstung der | |
| Erde so weit fortgeschritten, dass der Fachausdruck „Desertifikation“ nicht | |
| mehr auf die bedrohliche Zukunft des Klimawandels verweist, sondern auf | |
| eine Geschichte, die bereits unwiderruflich hinter der Menschheit liegt. | |
| Es wäre natürlich ratsam, angesichts des globalen Totalkollaps schleunigst | |
| mit Rekultivierungsbemühungen und Energiesparen zu beginnen, aber George | |
| Millers „Mad Max: Fury Road“ zeigt eine Welt, die da ganz andere Pläne hat. | |
| Gigantische Monstertruckarmeen ziehen hier gegeneinander in die Schlacht. | |
| Die aus Schrottmaterialien der Autodesignkultur des 20. Jahrhunderts | |
| zusammengeschweißten Fahrzeuge sind nicht nur ultragepimpte Exzesse in | |
| Sachen Retrofuturismus, sondern vor allem bis an die primitiven Zähne | |
| bewaffnet. Das gilt zum einen für die soldatischen Anteile der Besatzung, | |
| zum anderen aber auch für die in Eigenregie mitproduzierte tribalistische | |
| Kriegsästhetik. | |
| Ein besonders hübsches Vehikel hat einen deliranten Rockgitarristen vor die | |
| Kühlerhaube geschnallt, der wilde Riffs in die Wüste sendet und dabei von | |
| einem Trupp unermüdlicher Trommler begleitet wird. Wenn schon Trucks und | |
| Bikergesten aus der Konserve kommen, soll wenigstens der Soundtrack live | |
| eingespielt werden. Diese Postapokalypse hat in ihrem survivalistischen | |
| Sozialmodell sogar an die endzeitliche Zukunft der Blue Man Group gedacht. | |
| Mittendrin musiziert der schweigsame Max Rockatansky (Tom Hardy), seine | |
| Instrumente wechseln fliegend. Fast müsste man ihn einen Wüstenfuchs | |
| nennen: Kugeln, Pfeile, Fäuste, gerne auch mal eine improvisierte | |
| Explosion, die Verfolgerfahrzeuge in Feuerballwaffen transformiert, gehören | |
| zum Repertoire. | |
| An seiner Seite – und die eigentliche Hauptfigur dieses nach langer Pause | |
| und vielen Produktionsproblemen nun doch noch fertig gestellten „Mad | |
| Max“-Sequels – marodiert Furiosa, die Charlize Theron angemessen humorlos | |
| im Führerhäuschen installiert. Zu einer im engeren Sinn romantischen | |
| Liebesgeschichte entwickelt sich die dialogarme Begegnung der beiden | |
| Raubeine trotz zarter Momente in kurzen Getümmelpausen nicht. | |
| ## Am Ende bleibt Klassendifferenz | |
| Immerhin ist Rockatansky am Ende doch noch bereit, der Kollegin seinen | |
| bürgerlichen Vornamen ins angebrannte Ohr zu hauchen, weil das seiner | |
| Meinung nach helfen könnte, sie bis zum Finale bei Bewusstsein zu halten. | |
| Am Ende bleibt Klassendifferenz: Furiosa ist die neue Königin und der alte | |
| Populist Rockatansky mischt sich unters einfache Volk. | |
| Bezüglich des Figurenensembles sollten unbedingt noch die sehr sparsam mit | |
| transparentem Tuch bekleideten „Five Wives“ erwähnt werden. Eine nach allen | |
| Vogue-Regeln der optischen diversity zusammengestellte Modeltruppe, die vom | |
| Hauptfeind des Films, einem protofaschistischen Diktator namens Immortan | |
| Joe (Hugh Keays Byrne), in einer Art Reproduktionsharem gehalten wird. | |
| Als Max den fünf luftig kostümierten Teenagern zum ersten Mal begegnet, | |
| halten diese gerade einen spontanen Wet-T-Shirt-Wettbewerb ab, was bei | |
| Rockatansky zu ausgesprochen großem Durst führt, der mittels eines | |
| Zapfschlauchs gestillt werden muss. Da wären wir wieder beim | |
| problematischen Umgang mit knappen Ressourcen. | |
| ## Programm Entfesselung | |
| Die all diese Nummern notdürftigst motivierende Story ist von Anfang bis | |
| Ende komplett zum Vergessen, was durchaus eine gute Nachricht für den Film | |
| ist. Sobald das Monstrum in Fahrt kommt, gibt es kein Halten, kein Erzählen | |
| mehr. Die Entfesselung so ziemlich jeder Form kinetischer Energie gewinnt | |
| in den besten Momenten programmatische Qualität. | |
| Befreit von Plot, Sinn und Verstand verschreibt sich „Mad Max: Fury Road“ | |
| einem absurd hochtourigen Bewegungsvektor. Traditionelles Stunthandwerk in | |
| Rostlauben und auf Vintagebikes versucht den dann natürlich doch erkennbar | |
| computergenerierten Bildfolgen altmodische Gravität, das antidigitale Ethos | |
| echter Materialzerlegung entgegenzusetzen. | |
| Inszenierungskritisch wäre auf dieser Ebene anzumerken, dass die | |
| Dauergefechte der Schrottautoarmeen schnell repetitiv werden und sich in | |
| erprobte Schemata flüchten. In vielen Phasen macht sich dann allein im | |
| szenischen Aufbau, aber auch in der internen Montage der Actionmodule | |
| entsprechend viel visuelle Redundanz breit. Das mag in der B-Film-Ästhetik, | |
| der der Originalfilm aus dem Jahr 1979 noch verpflichtet war, | |
| zeichenpolitisch subversiv gewesen sein. In der aktuellen Blockbusterform | |
| fliegt einem aber auch bei hoher Grundgeschwindigkeit nur das immergleiche | |
| Produktionskapital um die Ohren. Man könnte es Energieverschwendung nennen. | |
| 13 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Simon Rothoelhler | |
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