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# taz.de -- Schach-WM in Kasachstan: Auf der Suche nach dem Zweitbesten
> Bei der Schach-WM wird der Titelverteidiger vermisst. Dafür wird es einen
> neuen Weltmeister geben. Der Russe Ian Nepomniachtchi überzeugt bislang.
Bild: Ian Nepomniachtchi hat sein Spiel stabilisiert
Das von [1][Schachlegende Garri Kasparow] erwartete hochklassige Duell und
eine „tolle Show“ hat das Match bisher nur einmal geliefert. Zweimal musste
[2][Ian Nepomniachtchi] mit Weiß gegen Ding Liren nach faden Partien in
Friedensschlüsse einwilligen. Dafür trumpfte der Russe in der zweiten
Begegnung mit Schwarz auf und zerpflückte den in der Eröffnung zu verhalten
spielenden Rivalen im großen Stil. „So zu verlieren … Ich versteh’ nicht,
was passierte. Ich habe in der Partie nahezu alles übersehen“, zeigte sich
der Chinese frustriert. Nach drei der 14 Partien bis 1. Mai führt so
„Nepo“, wie der 32-Jährige kurz genannt wird, bei der WM mit 2:1.
Wobei das Wort Weltmeisterschaft für Kasparow zu viel des Guten ist. Wie
als russischer Oppositioneller macht die 59-jährige Legende aus seinem
Herzen keine Mördergrube: Den mit zwei Millionen Euro dotierten Zweikampf
im kasachischen Astana könne man „kaum eine WM nennen“. Der Weltmeister von
1985 bis 2000 stellte klar: „Für mich sollte bei einem WM-Kampf der
stärkste Spieler auf dem Planeten antreten – und das ist bei diesem Duell
nicht der Fall.“ Ja, das Match ohne Magnus Carlsen sei eine „amputierte
Veranstaltung“, unterstreicht Kasparow und findet es „schade“, dass der
Norweger nicht seinen Titel verteidigt.
[3][Den Verzicht hatte Carlsen schon lange angekündigt.] Der 32-Jährige
verspürte keine „Motivation“ mehr, „eine weitere Weltmeisterschaft zu
bestreiten“. Nach fünf WM-Siegen „habe ich nicht viel zu gewinnen“, mein…
der Dominator auf den 64 Feldern – und überließ dem Weltranglistenzweiten
und -dritten freiwillig das Feld. Ein Novum in der 1886 beginnenden
WM-Historie, zumal der Weltranglistenerste seine Schachkarriere fortsetzt!
Schon bevor „Nepo“ das WM-Kandidatenturnier in Madrid 2022 erneut gewann,
hatte Carlsen angekündigt, nur noch den Titel zu verteidigen, wenn das
Ausnahmetalent Alireza Firouzja sein Herausforderer würde. Doch der
gebürtige Iraner, der mittlerweile unter französischer Flagge spielt,
verlor beim Kandidatenturnier zweimal gegen „Nepo“ und landete mit 6:8
Punkten weit abgeschlagen nur auf Rang sechs unter den acht Qualifikanten.
Im April rückte der potenzielle 19-jährige Kronprinz aber dem Russen und
Ding Liren in der Weltrangliste mit 2.785 Elo-Punkten auf die Pelle.
## Lehren aus vergangenen Schlappen
Durch Carlsens Verzicht kommt Ding als erster Chinese bei der WM glücklich
zum Zug, obwohl der 30-Jährige mit 8:6 Punkten beim Kandidatenturnier in
Madrid von Nepomniachtchi deklassiert wurde. Der Russe holte 1,5 Zähler
mehr in den 14 Runden – was Welten im Schach sind. Diese Überlegenheit
zeigte er auch zum Auftakt in Kasachstan. „Nepo“ wirkt stabiler als früher
und hätte wohl Carlsen einen spannenderen Kampf als vor zwei Jahren
geliefert, als er mit 3,5:7,5 unterging. Nepomniachtchi zog seine Lehren
aus der Schlappe und hält sich auch selbst für gereifter: „Ich hoffe, meine
Fähigkeiten haben sich etwas verbessert.“ Zudem vertraut der
Weltranglistenzweite darauf, dass sein Sekundantenteam nun breiter
aufgestellt ist und mehr gute Eröffnungsideen liefert.
Ding brauchte derweil doppeltes Glück, damit er in den Kampf um 1,2
Millionen Euro für den neuen Weltmeister eingreifen durfte. Der 30-Jährige
rückte nur als Elo-Bester ins Kandidatenturnier nach, weil [4][der
gebürtige Ukrainer Sergej Karjakin] als glühender Putin-Verehrer für sechs
Monate gesperrt worden war und so die Chance auf einen zweiten WM-Kampf
gegen Carlsen verpasste. Sein Landsmann Nepomniachtchi ist dagegen wie
Putin-Feind Kasparow völlig unverdächtig, ein Kriegstreiber zu sein.
Der Weltranglistenzweite unterschrieb im März 2022 mit 43 anderen
Großmeistern einen offenen Brief, in dem der russische Angriffskrieg
gegeißelt wurde und die Unterzeichner ihre Solidarität mit dem ukrainischen
Volk und ihren Schachkollegen bekundeten. Der Russe spielt in Kasachstan
unter dem blau-weißen Banner des Weltverbands Fide. Da-rauf prangt der
friedliche lateinische Slogan „Gens una sumus“ („Wir sind eine Familie“…
13 Apr 2023
## LINKS
[1] /Russische-Schachspieler-gegen-Krieg/!5835311
[2] /Vom-Glueck-Schach-Fan-zu-werden/!5871987
[3] /Kandidaten-fuer-die-Schach-WM/!5859762
[4] /Schach-und-Krieg-in-der-Ukraine/!5873768
## AUTOREN
Hartmut Metz
## TAGS
Schach-WM
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