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# taz.de -- Sanierung mit Fragezeichen: Bei den traurigen Tropen
> Für Sanierungen vorübergehend umzuziehen, ist schon für Menschen hart.
> Für die pflanzlichen Bewohner des Hamburger Tropenhauses wird es
> existenziell.
Bild: Ein Schaugewächshaus, in das vorerst keiner mehr zum Gewächseschauen ko…
Hamburg | taz Das Reich, in dem die tropischen Pflanzen wuchern, liegt in
Hamburg mitten in der Stadt. Die Luft hier drinnen ist feucht und schwül,
meterhoch ragen die Kakaobäume mit ihren gelben Früchten bis zu einem
gläsernen Dach, das die Sonne hereinlassen würde, wenn sie in Hamburg denn
schiene.
Heute scheint sie eher nicht, dafür tropft es von der Decke. „Das ist die
Luftfeuchtigkeit“, sagt Gärtnermeister Jörn Thomeyer. Will heißen: Kein
Grund zur Sorge, alles ganz normal. Ein bisschen Alarm war gewesen, einige
Wochen ist das jetzt her: Die Schaugewächshäuser am Hamburger
Dammtor-Bahnhof, direkt im Park Planten un Blomen gelegen und ein beliebtes
Ausflugsziel, seien einsturzgefährdet, berichtete die [1][Lokalpresse].
Seit Jahren hätten sie saniert werden sollen, das Geld dafür sei sogar da,
von lokalen Politikgrößen herbeigeschafft aus Berlin, aber nichts sei
passiert.
Tatsächlich sind die Gewächshäuser schon länger geschlossen, „wegen
umfangreicher Sanierungsarbeiten“, wie ein Zettel an der Eingangstür
verrät.
Das stimmt nicht ganz. Die Sanierungsarbeiten haben noch nicht begonnen.
Geschlossen seien die Gewächshäuser wegen Corona, sagt Gärtnermeister
Thomeyer, der mit seinem Chef Heiko Lüdke die taz herumführt, damit sie
sehen kann: nix mit Einsturzgefahr.
## Gebläse als Virenschleuder
Die warme Luft in den Gewächshäusern kommt aus Gebläsen, die die Viren, so
sie in der Luft wären, verteilen würden. Doch die Gebläse sind weiter
hinten. Erstmal geht es vorbei an dem Teich, der unter dem Kakaobaum
plätschert und an dem sonst Schildkröten in einer großen Muschel wohnten;
vorbei an einer acht Meter hohen Bananenstaude, deren Stamm gar kein Stamm
ist, sondern sich anfühlt wie Haut; bis am Ende des Tropenhauses der
höchste Punkt erreicht ist.
Hier sind tatsächlich schon Pflanzen weggeräumt, auf dem Boden liegt eine
Plane, auf die es von oben nieselt. Die ganze Konstruktion der
Gewächshäuser ist eine Besonderheit, das lässt sich von hier aus gut sehen:
die Glasscheiben sind von außen an Stahlträgern aufgehängt, im Innern gibt
es nichts, was sie stützt, keine Säule versperrt den Blick.
Zur [2][Internationalen Gartenausstellung 1962/63] entstanden die
Gewächshäuser, nach 60 Jahren kann da ja schon mal was kaputt gehen, oder
nicht? So erklären es die beiden Führer durch „Hamburgs Tropen“, wie
Gärtnermeister Thomeyer sein Reich zärtlich nennt.
Im nächsten Gewächshaus, nur durch eine Tür verbunden, steht ein
[3][Palmfarn, über 200 Jahre alt]. Der wurde vom Gründer des Botanischen
Gartens Johann Georg Christian Lehmann im Jahr 1834 nach Hamburg
gebracht und ist unersetzbar, weil genetisch ausgestorben. Thomeyer
verlangsamt ehrfürchtig den Schritt.
## Alles muss raus
Es wird kühler auf dem Rundgang. Am Ende stehen die Kakteen, von denen
viele mit demselben rotweißen Absperrband umwickelt sind, das schon vorher
immer wieder zu sehen war. Die Absperrbänder markieren die Pflanzen, die
als erste weggeschafft werden, erklärt der Gärtnermeister. Alle Pflanzen
müssen weg, nach und nach, sonst kann die Sanierung nicht beginnen. Der
Umzug der Pflanzen werde wohl zwei Jahre dauern.
Wohin die Pflanzen kommen? Er zuckt mit den Schultern. Wie lange die
Sanierung dauern wird? Ist noch nicht klar. Eine Mauer bei den Kakteen ist
abgestützt, „eine Vorsichtsmaßnahme“.
Einige Tage später gibt die Stadt Hamburg eine offizielle Mitteilung
heraus. Von einem „kompletten Neuaufbau der Fassadenkonstruktion“ ist da
die Rede, vom „Zustand der Tragkonstruktion“, der sich „auf die
Standsicherheit der Gebäude“ auswirke.
Das klingt gar nicht gut. Und nicht direkt so, als ob es in nächster Zeit
noch irgendwelche Führungen gäbe.
13 Mar 2022
## LINKS
[1] https://www.mopo.de/hamburg/architektur-schatz-vergammelt-einsturzgefahr-in…
[2] https://www.bundesgartenschau.de/buga-iga/bisherige-gartenschauen/iga-hambu…
[3] https://www.uni-hamburg.de/newsletter/dezember-2014/zahl-des-monats-250.html
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
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