# taz.de -- Russland auf dem G20-Gipfel: Russland streckt die Waffen | |
> Beim Treffen der Außenminister reist Sergej Lawrow vorzeitig ab. Dabei | |
> setzt Moskau auf „Business as usual“ – trotz des Krieges gegen die | |
> Ukraine. | |
Bild: Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Freitag auf Bali | |
MOSKAU taz | Nein, „Business as usual wurde es nicht beim G20-Treffen der | |
Außenminister auf Bali. [1][Russlands Außenminister Sergej Lawrow] verließ | |
die Zusammenkunft am Freitag vorzeitig. „Lawrow führt noch bilaterale | |
Gespräche, danach wendet er sich an die Presse und reist ab“, teilte die | |
Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Deutschen | |
Presse-Agentur auf Anfrage mit. Er nimmt demnach nicht am offiziellen Essen | |
und an der Nachmittagssitzung teil. | |
Dabei setzt das russische Außenministerium genau darauf: Business as usual. | |
Moskau gibt es sich so, als sei nichts geschehen. „Wir pflegen einen | |
offenen und ehrlichen Meinungsaustausch“, heißt es in einer Mitteilung von | |
Sergei Lawrow. In seinen Ausführungen wird die Ukraine mit keinem Wort | |
erwähnt. Den Bruch, den Russland durch seinen Angriff auf das Nachbarland | |
der ganzen Welt zugefügt hat, übergeht der russische Chefdiplomat | |
geflissentlich und schiebt die Verantwortung für die Krisen in der Welt den | |
USA zu. | |
Das ist ohnehin Russlands Politik seit Jahrzehnten: Der Westen, in den | |
Fängen der USA, zerstöre mit „nicht legitimen Handlungen“ die | |
„Vielseitigkeit der Staaten“ und sorge damit für „destruktive | |
Auswirkungen“, Russland dagegen setze sich für eine multipolare Welt ein | |
und suche stets den Dialog, weil es sich für die Energie- und | |
Nahrungsmittelsicherheit einsetze. | |
Das Mantra vom „guten Russland und bösen Westen“ ist vor allem ein | |
rhetorischer Treiber des russischen Narrativs von der Bedrohung von außen. | |
Eines Narrativs, das in großen Teilen der Welt durchaus greift. Die | |
Überzeugung vieler Politiker*innen im Westen, Russland sei isoliert, | |
ist eine Illusion. | |
## Beschwörung nach innen | |
Wenn der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow davon redet, es könne kein Vakuum und | |
keine volle Isolation Russlands geben, weil diese technologisch unmöglich | |
sei, steckt in dem Satz freilich auch viel Beschwörung nach innen. | |
Überrascht und überrumpelt von der Geschlossenheit Europas wendet sich | |
Russland verstärkt anderen Ländern zu – Ländern, die im Handeln des Kremls | |
ein durchaus willkommenes Gegengewicht zu den USA sehen. Der | |
Antiamerikanismus wie auch der Antikolonialismus vieler Staaten macht es | |
Moskau geradezu einfach, einige Verbindungen zu verstärken, zumal viele | |
dieser Länder eigene Interessen verfolgen. | |
Indien bezieht Rüstungsgüter aus Russland, für seinen Konflikt mit Pakistan | |
braucht es Waffen, Ersatzteile, Munition. Zudem haben Moskau und Delhi | |
Gespräche über eine Gaspipeline nach Indien wieder aufgenommen. Bereits zu | |
Sowjetzeiten hatte es Pläne gegeben, das Land über Zentralasien und | |
Afghanistan mit Gas zu versorgen. | |
[2][Die Taliban umgarnt das Regime in Moskau]. Zwar sind die Gotteskrieger | |
in Russland als terroristische Organisation verboten, auf dem | |
Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg vor drei Wochen waren sie gern | |
gesehene Gäste. In China, Iran, Saudi-Arabien, den afrikanischen und auch | |
lateinamerikanischen Ländern sucht und findet Russland ähnliche politische | |
Werte. Sie alle interpretieren Begriffe wie Demokratie, Souveränität und | |
Einmischung neu und verzerren damit die Rechtsstaatlichkeit. Seinen Platz | |
in einer antiwestlichen Autokratenallianz sucht Moskau noch. | |
## Versorgung mit Impfstoffen | |
Venezuela steht voll hinter Russland und profitiert von russischen | |
Krediten, die es für den Kauf russischer Waffen verwendet. Auch Argentinien | |
und Brasilien sehen in der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen | |
einen Nutzen für sich. Russland war neben China das Land, das in der | |
Pandemie beide Länder mit Impfstoffen versorgte, noch bevor es westliche | |
Staaten taten. | |
Peking und Moskau mögen sich zwar gegenseitig als Juniorpartner betrachten, | |
was beide nicht sein wollen. Geschäfte zu machen, die nicht an die Achtung | |
von Menschenrechten und Demokratie geknüpft sind, liegt allerdings beiden. | |
Im Juni feierten sie nach Jahren des Baus die Eröffnung der ersten | |
Autobrücke, die Blagoweschtschensk in Russland und Heihe in China | |
verbindet. Ein starkes Symbol der gegenseitigen Partnerschaft. | |
Länder, mit denen Russland vermehrt den Schulterschluss sucht, verteidigen, | |
wie Moskau selbst, ein Modell von Führer und Volk, ohne zwischengeschaltete | |
Institutionen. Darin ist Russland nicht isoliert. | |
8 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Inna Hartwich | |
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