| # taz.de -- G20-Außenminister auf Bali: Eiszeit vor Palmenkulisse | |
| > Beim G20-Außenministertreffen reist Sergei Lawrow früher ab. Annalena | |
| > Baerbock muss einsehen: Ein Dialog mit Russland ist derzeit unmöglich. | |
| Bild: Blieb nicht lange auf Bali: Russlands Außenminister Lawrow – hier mit … | |
| Nusa Dua taz | Annalena Baerbock hatte alles genau geplant. Geselligkeit | |
| und schöne Bilder mit dem russischen Außenminister sollte es [1][beim | |
| G20-Außenministertreffen auf der indonesischen Ferieninsel Bali auf keinen | |
| Fall geben]. | |
| Doch dem Treffen fernbleiben, wie zwischenzeitlich erwogen worden war, | |
| wollten die westlichen Außenminister*innen auch nicht. „Natürlich | |
| sind wir als G7 bei diesem G20-Treffen, um die indonesische Präsidentschaft | |
| zu unterstützen.“ Zudem sei es „wichtig, dass Russland hier nicht die Büh… | |
| überlassen wird“. | |
| Vielmehr wollten sie das Treffen nutzen, Russland weiter zu isolieren – und | |
| die deutsche Außenministerin sollte dabei eine zentrale Rolle spielen: Weil | |
| Deutschland derzeit den Vorsitz in der G7 hat, sollte sie es sein, die bei | |
| der Auftaktsitzung direkt auf die Rede von Lawrow antworten würde. | |
| „Ich werde in meinem Redebeitrag, wo Herr Lawrow ja im Konferenzraum mit am | |
| Tisch sitzen wird, sehr deutliche Worte finden, dass wir diesen [2][Bruch | |
| des internationalen Völkerrechts nicht akzeptieren]“, hatte sie am Vorabend | |
| gesagt. Baerbock wolle „noch mal eindringlich appellieren: Stoppen Sie | |
| diese Bombardierung“. | |
| Doch daraus wurde nichts. Direkt nach Lawrows eigener Rede, in der er dem | |
| Westen die Verantwortung für die Nahrungsmittelkrise gegeben haben soll, | |
| verließ er den Raum – und hörte somit nicht, was Baerbock ihm sagen wollte. | |
| Und nicht nur das: Er kehrte danach auch nicht mehr zurück, sondern verließ | |
| das Treffen noch vor der zweiten Arbeitssitzung. Das gemeinsame Mittagessen | |
| auf der Terrasse vor dem riesigen Hotelpool fand bereits ohne ihn statt. | |
| ## Keine Normalität, keine Nähe | |
| Ist das jetzt eine Niederlage für den Westen, weil Lawrow die Möglichkeit | |
| bekam, seine Position vorzutragen, ohne sich Widerspruch anhören zu müssen? | |
| Oder ist es eine Niederlage für Lawrow, der offensichtlich zu feige ist, | |
| sich einer Diskussion zu stellen? | |
| Für Baerbock ist klar, wie dessen Verhalten zu deuten ist: Dass Lawrow den | |
| Raum verlassen habe, zeige, „dass es derzeit keinen Millimeter | |
| Gesprächsbereitschaft der russischen Regierung gibt“. | |
| Der Plan des Westens scheint indes insgesamt aufgegangen zu sein. Im | |
| Vorfeld hatte Lawrow in einer Mitteilung noch verkünden lassen: „Wir | |
| pflegen einen offenen und ehrlichen Meinungsaustausch.“ Dass das nicht wahr | |
| ist, ist nun für die ganze Welt zu sehen. Und auch schöne Bilder, die ihn | |
| auf Augenhöhe mit den anderen Außenminister*innen zeigen, gab es | |
| nicht. | |
| Dabei bietet das Luxus-Resort Mulia auf der indonesischen Insel Bali, in | |
| dem das Treffen stattfindet, mit seinen palmengesäumten riesigen Pools und | |
| dem feinen Sandstrand die perfekten Voraussetzungen für wunderschöne | |
| Erinnerungsfotos. Doch ein Gruppenbild mit Lawrow gibt es nicht. | |
| Jedes Zeichen von Normalität, gar von Nähe, soll vermieden werden. Auch den | |
| Empfang am ersten Abend hatten Baerbock und andere Teilnehmer*innen | |
| darum geschwänzt. Man könne angesichts der russischen Bombardierungen | |
| „nicht einfach zum netten Socializing, zum netten Abendessen übergehen“, | |
| hatte die deutsche Außenministerin erklärt. | |
| Bilaterale Gespräche, die am Rande solcher Treffen traditionell eine | |
| wichtige Rolle spielen, führten nur die Amtskollegen aus China und der | |
| Türkei mit Lawrow. Baerbock hatte im Vorfeld klar gemacht, dass sie sich | |
| davon nichts verspreche. „Wenn es ein Fünkchen Chance gäbe, dass wir mit | |
| Russland wieder normal reden können, dann würden wir das tun.“ Aber die | |
| vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass das Land keineswegs bereit sei, die | |
| Angriffe zu stoppen. | |
| ## Bereits die Begrüßung verlief kühl | |
| Bereits die Begrüßung war nicht im Sinne Lawrows verlaufen. Als er als | |
| einer der letzten Teilnehmer über den roten Teppich lief, um zwischen den | |
| Fahnen der 20 beteiligten Nationen der indonesischen Gastgeberin Retno | |
| Marsudi die Hand zu schütteln, fiel deren Begrüßung sichtlich kühler aus | |
| als bei vielen anderen Teilnehmer*innen. | |
| Zudem wurde er auch dort schon mit kritischen Fragen konfrontiert: Ein | |
| ZDF-Redakteur will wissen, wann er den Krieg stoppt, die taz fragt nach, | |
| warum er das nicht tue. Lawrow guckt kurz irritiert, ignoriert die Fragen | |
| aber – anders als die indonesische Security, die dem ZDF-Reporter | |
| anschließend Respektlosigkeit vorwirft und ihn vor die Tür setzt. | |
| Wenige Minuten später in ihrer Begrüßungsrede übt aber auch Retno Marsudi | |
| selbst deutliche Kritik an Lawrow. „Es ist unsere Verantwortung, den Krieg | |
| eher früher als später zu beenden und unsere Meinungsverschiedenheiten am | |
| Verhandlungstisch beizulegen und nicht auf dem Schlachtfeld auszutragen“, | |
| sagt sie. Dabei plädiert die indonesische Außenministerin für gemeinsame | |
| Lösungen: „Unilateralismus bedeutet: Der Mächtige nimmt sich alles – und | |
| das ist nicht das, was wir wollen.“ | |
| Über die Redebeiträge von Staaten wie China, Indien und Südafrika, die den | |
| russischen Krieg bisher nicht klar verurteilt haben, gab es am Freitag | |
| keine detaillierten Informationen. Baerbock sprach im Anschluss an die | |
| Verhandlungen, die erwartungsgemäß ohne gemeinsame Abschlusserklärung | |
| enden, von einer großen Geschlossenheit der „G19“, also aller Teilnehmer | |
| außer Russland. | |
| „Auch wenn wir in manchen Punkten unterschiedlicher Meinung sind, stellen | |
| wir uns den massiven Auswirkungen dieses russischen Angriffskrieges | |
| gemeinsam entgegen, um zu verhindern, dass die Welt in ein globales Chaos | |
| stürzt“, fasste sie die Gespräche zusammen. | |
| Eine große Rolle hätten dabei die Auswirkungen des Krieges auf die globale | |
| Ernährungssituation gespielt. Auch US-Außenminister Antony Blinken erklärte | |
| im Anschluss, bei den Beratungen sei Russland mit Forderungen zahlreicher | |
| Staaten konfrontiert worden, den Krieg zu beenden. Ein „starker Chor aus | |
| der ganzen Welt“ habe Moskau dazu gedrängt, die Angriffe einzustellen. | |
| Die Wahrscheinlichkeit, dass das tatsächlich passiert, dürfte auf Bali | |
| allerdings nicht gestiegen sein. Ob Russland den Kurzauftritt in der Runde | |
| der Mächtigen für sich als Erfolg bewertet, wird sich vermutlich spätestens | |
| im Herbst zeigen: Dann findet, ebenfalls auf Bali, der G20-Gipfel der | |
| Staats- und Regierungschefs statt. | |
| Putin hat bisher offen gelassen, ob er daran persönlich teilnehmen wird – | |
| und der Westen, wie man darauf reagieren würde. Die eisige Stimmung vor der | |
| balinesischen Palmenkulisse könnte sich also durchaus wiederholen. | |
| 8 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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