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# taz.de -- Russische Angriffe auf Infrastruktur: Die Routen des Krieges
> Unser Autor fährt mit E-Auto und Bahn quer durch die Ukraine. Er erlebt
> Stromausfälle, nächtliche Luftangriffe. Und Menschen, die einfach weiter
> leben.
Bild: Folgen des russischen Beschusses von Kyjiw in der Nacht zum 14. November …
Die Ukrainer*innen werden täglich mit Hunderten Tonnen tödlicher
Munition bombardiert. Doch nach jedem Angriff verlassen sie ihre
Schutzräume, schließen ihre Ladestationen an, schicken ihre Kinder zur
Schule und gehen mit vom Schlafmangel rotgeränderten Augen zur Arbeit. Die
Besessenheit der Russen führt zu immer mehr Widerstand unter den
Ukrainer*innen, obwohl immer häufiger die Rede davon ist, dass man Putin
doch etwas geben müsse, damit er endlich aufhöre.
## In der Stadt Poltawa
800 Kilometer Autofahrt – von einem Ende der Ukraine zum anderen. [1][Mitte
November. Ständiger Beschuss und Stromausfälle.] Von Osten kommend
erreichen wir mit unserem Elektroauto Poltawa – eine Stadt rund 350
Kilometer südöstlich von Kyjiw. Gerade kursieren Berichte, dass die Region
komplett vom ukrainischen Stromnetz abgeschnitten ist.
Dies ist das Ergebnis [2][mehrtägiger massiver russischer Angriffe auf
Umspannwerke,] die die Stadt und die Region im Osten des Landes mit Strom
versorgen.
Überraschenderweise sind an diesem Abend in Poltawa mehr Oberleitungsbusse
als Menschen unterwegs. Einige Straßen sind unbeleuchtet, der Aufzug des
Hostels funktioniert nicht, aber es gibt fließend warmes und kaltes Wasser.
In einem Bistro gibt es Kaffee. Trotz Stromausfalls ist es hell erleuchtet
wie ein Weihnachtsbaum. In jedem Büro und jedem Geschäft der Stadt laufen
Generatoren, deren lautes Summen manchmal den Verkehrslärm auf den Straßen
übertönt.
Von den aktuellen Angriffen russischer ballistischer Raketen und Drohnen
auf Poltawa zeugen einzig und allein einige zerstörte Gebäude im
Stadtzentrum. Der Sockel des Denkmals für den russischen Zaren Peter I. ist
leer. Es wurde im vergangenen Februar entfernt.
## Kein Strom in Boryspil
Das Reisen mit einem Elektroauto über längere Strecken ist in der Ukraine
derzeit riskant. Wie Russisch Roulette, denn russische Raketen und
Shahed-Drohnen haben die Ladestationen entlang der Strecke Poltawa-Kyjiw
bereits mehrfach außer Betrieb gebombt. Gerade ist man auf dem Weg zu einer
Ladestation, da muss der Energieversorger wieder einmal den Strom
abstellen.
Irgendwann kommt er wieder. Aber noch vor Boryspil, zehn Kilometer von
Kyjiw entfernt, ist an einer Tankstelle wieder Endstation. Denn gerade in
der Nacht hatten die Russen erneut versucht, die Strom- und
Heizungsversorgung in Kyjiw zu unterbrechen. Die ukrainische Hauptstadt
leidet seit mehreren Wochen unter großflächigen Stromausfällen, die
teilweise bis zu zwölf Stunden am Tag dauern.
## Nächtlicher Kampf über Kyjiw
Von der Tankstelle lässt sich der nächtlicher Kampf beobachten: [3][Die
Russen nähern sich der ukrainischen Hauptstadt mit mehreren Wellen von
Shahed-Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen], sie feuern
zwei Kinschal-Hyperschallraketen ab. Der Himmel wird von weißen und roten
Lichtern erleuchtet, man hört Explosionen.
Die Luftabwehr schafft es kaum noch, in den entsprechenden Telegram-Kanälen
die Hauptstadtbewohner rechtzeitig über die neuen Bedrohungen zu
informieren. Eine der Shahed-Drohnen wird fast über unseren Köpfen
abgeschossen.
Mehrere Gäste des Tankstellencafés sitzen draußen an einem Tisch und jubeln
den ukrainischen Luftverteidigungskräften zu. „Los, Rakete, triff!“ Als
einer der roten Strahlen am Himmel das russische Ziel trifft, ähneln die
Emotionen an der Tankstelle der Reaktion der Fans auf ein Tor von Andrij
Schewtschenko gegen Schweden bei der Fussball-EM 2012…
## Mehr als 400 Drohnen auf Kyjiw in einer Nacht
Doch an diesem Abend herrscht keine gute Stimmung. Eine Kassiererin in
einem Geschäft hatte ihre zwei Kinder zu Hause in Obolon zurückgelassen.
Dieser Stadtteil von Kyjiw gerät als erster unter Beschuss. Eine Kollegin
gibt ihr ein Beruhigungsmittel. „Die beiden sind klug, sie sind in die
Metrostation gegangen, wie beim letzten Mal“, tröstet die Frau ihre
Freundin.
In den sozialen Medien kursieren die ganze Nacht über Videos von Bränden,
die durch Drohnentrümmer und auf die Drei-Millionen-Stadt niedergehende
Raketen verursacht werden. Es gibt auch direkte Treffer. Die Luftwaffe
meldet später mehr als 400 Drohnen und rund 30 Raketen verschiedenen Typs,
die in jener Nacht vor allem in Kyjiw einschlagen. Als wir das Zentrum
erreichen, endet der Luftalarm. In mehreren Stadtteilen wüten noch Brände.
Währenddessen verrichten die Reinigungskräfte am Bahnhof ihre Arbeit, ein
Café mit frischen Croissants öffnet pünktlich. Und der Intercity von Kyjiw
nach Luzk im Westen der Ukraine fährt planmäßig ab…
Aus dem Russischen Barbara Oertel
22 Nov 2025
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## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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